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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2015

Haus Bethanien

Visualisierung

Visualisierung

1. Preis

ANGELIS & PARTNER Architekten mbB

Architektur

Kilian + Frenz Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Haus Bethanien – Realisierungswettbewerb, Quakenbrück

Die neue Belebung des „Haus Klingenberges“ ermöglicht es der Diakonischen Stiftung Quakenbrück, weitere Angebote der Tagespflege in ihrer direkten Nachbarschaft zu schaffen sowie günstigen Wohnraum für Schüler und Senioren anzubieten. Dieses stärkt weiter den Charakter der „sozialen Stadt“ und fügt sich ganz im Sinne der aufgestellten Rahmenplanung in die umliegende Nutzungsstruktur des ehemaligen Fliegerhorsts in Quakenbrück ein.
Der Anspruch des Entwurfes ist es, das ambitionierte Raumprogramm mit seiner Mischung der unterschiedlichen Funktionen und Nutzer in Einklang zu bringen mit der vorhandenen Gebäudestruktur des ehemaligen Kasernengebäudes. Dabei ist es Ziel, das Gebäude und seine Außenräume als wichtigen Baustein des Ensembles wieder zu beleben, der neuen Nutzung ein modernes Gesicht zu geben und sowohl funktionale als auch atmosphärisch starke Räume zu bieten.

Das Wettbewerbsgrundstück befindet sich mitten im Quartier der Neustadt im Bereich der ehemaligen Soldatenunterkünfte. Die Erschließung des Grundstückes erfolgt zunächst von Norden über die Artlandstraße. Von ihr abgehend führen zwei Anliegerstraßen, die Breslauer Straße im Westen und die Stettiner Straße im Osten, in den verkehrsberuhigten Teil des Quartieres hinein und begrenzen beidseitig das Grundstück. Das Bestandsgebäude, Teil der ortsprägenden winkelförmigen Kasernen, ist zentral auf dem Grundstück platziert und öffnet sich mit seinen Hauptfassaden nach Westen und Osten. Ihnen vorgelagert entstehen großzügige Freiräume.

Der neue Entwurf für das Gebäude greift diese bestehende Ausrichtung auf und orientiert sich mit seiner Eingangsfassade zur westlichen Grundstücksseite, erweitert noch um eine zweite, gut einsehbare Zugänglichkeit von der Artlandstraße im Norden. Den neuen Eingängen vorgelagert befinden sich ein öffentlicher Platz- und Grünraum, typisch für das Gebiet, sowie Parkflächen. Die verbleibende, rückwärtige Gartenseite im Osten wird als privater Außenraum für die Tagesstätten vorgehalten.

Neben der Festlegung zur neuen Erschließung des Hauses sah die zentrale Entwurfsaufgabe zunächst die vertikale und horizontale Verteilung der geforderten Funktionen innerhalb des Baukörpers vor. Die Erdgeschossebene nimmt dabei zum einen die Apotheke auf, die als öffentliches Ladengeschäft im Nord-Westen des Baukörpers auch sichtbar in den Straßenraum hineinwirkt. Zum anderen wird die größte Funktionsfläche der Tagesstätte I hier angeordnet. Dies ermöglicht den Nutzern einen direkten Übergang in den neuen Gartenbereich.
Im 1.Obergeschoss, direkt über der Apotheke befinden sich die Räume für die Gemein-schaftspraxis und daran anschließend die Flächen der Tagesstätte II mit einem fließenden Übergang zu den Räumlichkeiten der Verwaltung. Eine gemeinsame Anordnung der Tagesstätten innerhalb der Erdgeschosszone ließ sich aufgrund des begrenzten Raumangebotes nicht umsetzen. Beide Einheiten werden jedoch über eine interne Treppe im Flurbereich direkt miteinander verbunden und dadurch der räumliche Bezug zueinander gestärkt. Das Dachgeschoss mit seinem durch die Dachschrägen ganz eigenen Charakter ist der Wohnnutzung vorbehalten. Hier konnten neben der Wohnung für eine Schüler-WG auch die gewünschten barrierefreien Kleinwohnungen für Senioren geschaffen werden. Insgesamt entstehen 4 Wohnungen zwischen 55 und 60m² Nutzfläche, von denen 3 Wohnungen auch einen eigenen Außenraum in Form einer Loggia verfügen.
Im Untergeschoss sieht der Entwurf die Vergrößerung des Bestandskellers im südlichen Gebäudeteil vor, um hier Flächen für die Haustechnik und den Hausanschluss vorzuhalten.

Da das bestehende zentrale Treppenhaus weder den Anforderungen an Komfort und Baurecht gerecht wird, noch in der Lage ist, die unterschiedlichen Funktionen direkt anzubinden, sieht der Entwurf die Schaffung zweier neuer Treppenhäuser im Nord-Westen und Süd-Westen des Gebäudes vor. Diese sind so kompakt und raumsparend wie möglich ausgebildet und minimieren die Verkehrsfläche so auf das Notwendige. Dennoch werden alle Bereiche direkt und mittels Aufzug barrierefrei erschlossen. Über zwei neue Eingänge bilden sich die Treppenräume auch in der Fassade ab. Ein dritter Eingang nimmt den historischen Zugang in der Gebäudemitte wieder auf und führt direkt in die Tagesstätte I. Damit wird die wichtige Nutzung der Tagesstätte auch in der Fassade abgebildet.

Die ursprüngliche Gebäudestruktur als Zweibund mit großzügigem Mittelflur wird auch aufgrund der statischen Notwendigkeit weitestgehend erhalten. Der Flurbereich, der links und rechts in die eigentlichen Nutzräume überleitet spielt dabei eine zentrale räumliche Rolle und wird durch Treppenelemente, Sitzbänke, Schautafeln und sonstige Möbelelemente als Aufenthaltsraum ausgebildet. Um den Raumeindruck von offenen und fließenden Räumen zu erzeugen, wird der Flur in besonderen Bereiche wie den Gruppenräumen oder dem Eingang der Tagesstätte bzw. dem Empfang der Praxis immer wieder aufgebrochen und zu den Fassaden geöffnet, um Helligkeit und Großzügigkeit zu vermitteln.

Dem neuen offenen Charakter des Hauses soll auch in der Fassade Ausdruck verliehen werden, ohne dabei aber das ensemble-prägende Aussehen des Gebäudes gänzlich zu verfälschen. Um dies zu erreichen, sieht der Entwurf vor, die bestehende Gebäudekubatur mit der streng gegliederten Lochfassade weitestgehend zu erhalten. Die neuen Elemente werden in klar ablesbarer moderner Formensprache dem Gebäude hinzugefügt und setzen sich formal und von Material deutlich ab. So wurde an den Längsseiten des Hauses die alte Dachform aufgegriffen und durch jeweils eine neue 2-geschossige Gaube nun modern und mit mehr Fensteröffnungen neu interpretiert. Auch am Süd- und Nordgiebel werden dem Haus neue Elemente hinzugefügt. Die Eingangsbereiche im Erdgeschoss werden durch vorgestellte überdachte moderne Elemente akzentuiert. Es werden klar ablesbare neue Elemente addiert, die sich dennoch in die strenge Gliederung des Hauses einfügenen.
Um dem Gebäude optisch etwas mehr Wärme zu geben werden die neuen Elemente in hellem eloxiertem Metall mit eingestellten vertikalen Holzlattungen vorgeschlagen.

Im Sinne einer nachhaltigen, energetischen Sanierung werden zusätzliche Dämmmaßnah-men für die Bestandswände und - decken geplant sowie der Austausch der Fenster und eine Erneuerung des Daches. In den Mauerwerkswänden soll die vorhandene Hohlschicht mit einer Perlite-Dämmung ausgeblasen werden und so der notwendige Dämmstandard erreicht werden.
Neben der Aufrüstung der Gebäudehülle sieht der Entwurf jedoch auch den Einsatz von regenerativen Energien für die Beheizung und Kühlung des Gebäudes vor. Hierfür wird eine Wärmepumpe vorgeschlagen. Diese bietet die Möglichkeit, im Winter Wärme zu genieren, während sie in den Sommermonaten über einen umgekehrten Prozess als Kältemaschine arbeitet. Aufgrund des vorhandenen Gasanschlusses kann diese als Gaswärmepumpe betrieben werden. Die klare Gebäudestruktur macht es möglich, statische Heizflächen in Form von Heizkörpern zur Erwärmung der Einzelräume vorzusehen. Zusätzlich können nach Bedarf einzelne Räume mit Heiz- und Kühlsegeln versehen werden, um schneller auf äußere Anforderungen reagieren zu können. Die Be- und Entlüftung der Räume wird über eine zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und über eine freie Nachtauskühlung betrieben. Durch die adiabatische Kühlung in der Lüftungsmaschine reduziert sich der erforderliche Kältebedarf. In Bezug auf die Wärmepumpe kommt es damit zu einer Angleichung der Kühl- und Heizleistung. Die Belüftung der einzelnen Räume erfolgt über Zu- und Abluftöffnungen in den Flurwänden. Die gesamte Haustechnik kann dabei in der abgehängten Flurzone geführt werden, sodass in den Einzelräumen auf eine hohe Abhangdecke zugunsten der Raumhöhe verzichtet werden kann. Es wird vorgeschlagen, die Wohnungen von der zentralen Be- und Entlüftung des Hauses zu entkoppeln, um besser auch auf das Nutzerverhalten der Bewohner reagieren zu können. Für die Wohnräume wird daher eine dezentrale Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung vorgeschlagen. Auf eine komplette Klimatisierung des gesamten Gebäudes kann verzichtet werden.


Das Freiraumplanerische Konzept sieht die Gestaltung von zwei unterschiedlich gestalteten Freiflächen als zusätzliche Aufenthaltsräume für die Wohneinheiten und die Tagesstätten I und II vor sowie öffentliche Frei- und Grünflächen als Vorbereich des Hauses.
Die neugestalteten Zugänge des Gebäudes befinden sich dabei auf einem umlaufenden Podest, das als räumliches Element wie eine Spange das Gebäude einfasst. Die funktionalen Anforderungen, wie die barrierefreien Zugänge zum Gebäude und zu den Gärten, werden mit zwei Rampenanlagen berücksichtigt. Zugleich bietet es für Bewohner und Mitarbeiter eine Freiraum mit hoher Qualität zum Treffen und Verweilen. Ein zentraler großzügiger Eingangsbereich im Westen und eine repräsentative Treppenanlage im Norden tragen zur Adressbildung des Gebäudes bei. Diese Bereiche sind bewusst sehr übersichtlich und reduziert gestaltet, um dem neuen Gebäude neuen Geltungsraum zu geben und zusammen mit der klaren Wegeführung vom Parkplatz zu den Eingängen der Orientierung zu dienen. Insgesamt wird das Gelände wird durch Heckenstrukturen und einer reizvollen Gehölzaus-wahl sanft in die Umgebung integriert und die Höhenunterschiede im Geländeniveau können überspielt werden. Zudem werden so die dezentral organisieren Parkflächen eingefasst und grünräumlich integriert.

Die Gartengestaltung in Form des Quadrates steht für die vier Funktionen, die das Gebäude in Zukunft in sich vereint: Wohnen, Arbeiten, Genesen und Heilen. Diese Form wird in den Freiraum übertragen und führt hier zu zwei spannungsvollen Freiräumen, dem Therapiegarten Osten und zwei Mietergärten im Westen. Diese werden ganz den Mietern der Wohnungen zur Verfügung gestellt und stehen einer individuellen Aneignung offen.
Im östlichen Bereich entsteht ein aktivierender Garten für die Sinne. Die vier verschiedenen Gartenräume werden über ein orthogonales Wegesystem erschlossen. Sie können in Zukunft als Medium in die therapeutischen Abläufe integriert werden und mit unterschiedlichen Klang- Wasser-und Sitzelementen ausgestaltet werden. Um die therapeutischen Abläufe nicht zu stören und die Privatsphären zu respektieren, wird der Garten von den Gärten der Wohneinheiten auf der Westseite des Gebäudes separiert.
Über den Gruppenraum im Inneren gelangt man über eine Treppe oder wahlweise über eine Rampenanlage in den Therapiegarten. Von hieraus überblickt man den Garten. Unterschiedlich große Gehölze formen die einzelnen Gartenräume. Zusammen mit den geschnittenen Hecken schaffen sie sowohl Intimität als auch weitläufigere Bereiche. Eine großzügige Rasenfläche wird von farbenfrohen Staudenbeeten gesäumt. Diese zeigen über das Jahr unterschiedliche Blattstrukturen, Farben und Blütenstände. Die Wahl der Stauden umfasst zur Stimulierung der Sinne unter anderem Duft-, Tast- und Heilpflanzen. Der Garten enthält Ruhezonen sowie Gruppenbereiche. Das Konzept lässt Raum für eine spätere Ausgestaltung der Räume, die sich nach den Bedürfnissen und Wünschen der zukünftigen Nutzer richtet. Gesprächs-, Garten- und Kunsttherapie könnten in diesem Garten stattfinden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das ehemalige ´Haus Klingenberg´ will der Verfasser im Sinne der Aufgabenstellung neu beleben. Schon äußerlich zeigen markante Gauben und ein auffallender, bewusst ausformulierter Eingang an der NW-Ecke, dass die militärische Herkunft des Gebäudes keine beson-dere Relevanz mehr haben soll.
Die Eingangsfassade – ein Haupt- sowie zwei Nebeneingänge zu den neuen Treppenhäusern (mit Aufzug) – orientieren sich nach Westen, die Apotheke wird schlüssig von der Artlandstraße – leider nicht ebenerdig - erschlossen. Geschickt werden vorgelagerte Park- und Gartenflächen kombiniert, vorteilhaft für einen, den Tagesstätten vorgelagerten Garten im Osten. Die Stellplatzdichte an der Breslauer Straße ist dadurch allerdings relativ hoch.
Die einzelnen Geschosse sind im Sinne der Nutzer folgerichtig, funktional und gut gegliedert organisiert. Apotheke und Tagesstätte I im EG, im OG Praxis und Tagesstätte II mit der Verwaltung. Die Orientierung im Gebäude ist einfach und schlüssig, sehr attraktiv ist die interne Verbindung über eine Treppe zwischen den Tagesstätten. Die Wohnungen im DG sind gut geschnitten, Wohnung 2 hat leider keine Loggia oder Balkon.
Das Gebäude ist mithilfe eines umlaufenden Podestes konsequent barrierefrei, die vorgeschlagenen Rampen sind bequem, die Wegeführung jedoch zwangsläufig lang. Das vorgeschlagene Energiekonzept sowie die baukonstruktiven / bauphysikalischen Verbesserungsvorschläge sind nachvollziehbar.
Die vorgeschlagenen zweigeschossigen Gauben sind hinsichtlich Gestaltung und Nutzung sehr wirkungsvoll, sie werden allerdings kontrovers diskutiert, da sie sehr dominant und als maßstabsverändernd wahrgenommen werden, allerdings den Charakter des Gebäudes wohltuend beeinflussen. Die für die Fassaden vorgeschlagenen Holzflächen werden als pflege- und wartungsintensiv gesehen. Die Wirtschaftlichkeit und Baukosten liegen eher im oberen Bereich.
Dem Verfasser gelingt ein überzeugender, sympathischer Beitrag, der den Vorstellungen des Nutzers in hohem Maße gerecht wird und entspricht. Dem vorgeschlagenen Gebäude gelingt es, in besonderer Weise der Geschichte sowie der zukünftigen Entwicklung des Standortes zu entsprechen.
Lageplan

Lageplan

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Ansicht

Ansicht

Schnitt

Schnitt

Nutzungsschema

Nutzungsschema