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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2015

Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung

Anerkennung

Preisgeld: 9.500 EUR

PPAG architects

Architektur

Erläuterungstext

Kann Gestaltung Gesellschaft verändern? – Gesellschaft kann Gestaltung verändern!

STÄDTEBAULICHES KONZEPT
Auch wenn die Großbauten vis‐à‐vis es scheinbar nahelegen: die oberirdische Massierung des Museumsneubaus ist weder aus städtebaulichen noch aus funktionellen Gründen
sinnvoll. Die Hauptmasse des Museums, die Ausstellungsräume, befindet sich unter Niveau auf Höhe des Untergeschosses des Bestandgebäudes. Nach oben hin lichtet sich die Bebauung. Nur die Spitze des Eisbergs ragt an die Oberfläche und wirkt hier – im Stadtraum – als aktivierender Katalysator für alle und alles. Sie ist begehbar und benutzbar. Ein neuer Typ von Museum. Die oberirdische Baumasse des Museumsneubaus konzentriert sich in der verkehrsumspülten Nordwestecke des Grundstücks. Die begehbare Landschaft bildet an dieser Stelle einen kleinen Hügel, auf dessen Gipfel sich jeder orientieren kann. Anlieferung und interner Eingang liegen unkompliziert an der Von‐der‐Heydt‐Straße.
Das Projekt knüpft an allen Seiten schwellenlos an die Umgebung des Museums an.
Besucherinnen und Besucher können auf selbstgewählten Routen die gesamte
architektonische Situation wie eine städtische Hügellandschaft erkunden und vergessene Stellen wiederentdecken – egal, ob sie vom Potsdamer Platz, dem Landwehrkanalufer oder von der Klingelhöferstraße kommen. In Richtung Klingelhöferstraße entwickelt sich ein großer einladender Platz, ein Entree im Freien, von dem aus das neue Foyer begangen wird.

ENSEMBLE
Die oberirdisch herausragenden Teile der Bebauung inszenieren den Bestandsbau und die
dahinterliegende Villa Von der Heydt. Es entsteht ein neues Ensemble, das die gegebene
Grammatik weiterspinnt (die Promenade architecturale etc.), Blicklinien setzt, Bereiche in
den Vorder‐ und Hintergrund schiebt und insgesamt neue Perspektiven eröffnet. Wir sinken nicht vor dem Bestandsbau auf die Knie, er wird vielmehr als Glanzstück der
Sammlung behandelt. Der Gropius‐Bau ist nun ein Studienobjekt, das allseitig unter neuen Gesichtspunkten erkundet werden kann, von Nah und Fern, als Ganzes und partiell. Das Neue verzahnt sich feingliedrig mit dem Alten – architektonisch und inhaltlich. Wobei das Unterbrechen des Blicks, teilweises Ausblenden und die Unmittelbarkeit des plötzlich wieder Auftauchenden anstelle einer eindeutigen Sichtbarkeit die Spannung erhöhen. Die Geschichte des Bauhauses und seine Zukunft gehen eine Beziehung ein. Trotzdem will der Zubau dem Bestand nicht zu nahe rücken oder ihn ausboten. Die Kontinuität zwischen Bestands‐ und Neubau zeigt sich auch an ihrem geteilten Horizont. Die vom Bestand definierte Höhenlinie des Flachdachs, über die nur die Schaufeln der Lichtöffnungen ragen, wird im Neubau fortgesetzt. An ihr orientiert sich dessen komplexe Deckenstruktur.

URBANE LANDSCHAFT & DECKE
Die Decke spielt eine Hauptrolle. Hier trifft der Spirit der unterirdischen, tageslichtlosen
Ausstellungsräume, der aufsteigende Geist des Bauhauses auf das städtische Leben
darüber. Als Ergebnis dieses Verhandlungsprozesses entstehen Einbuchtungen wie Höfe,
Ausbeulungen und Oberlichter. Die Decke nimmt in ihrer fließenden Materialität viele
Formen an, die zwischen oben und unten, dem Innen‐ und dem Außenraum der beiden
Ebenen vermitteln. Die Architektur ist wie aus einem Guss. Der gesamte Neubau besteht aus rauem und geschliffenem Dämmbeton. Dieses Material formt sich je nach Situation und geforderter Funktion. Das Projekt ist groß‐ und kleinmaßstäblich zugleich, die Decke über der Dauerausstellung wird zum Vordach oder gerinnt zu Stufen, die Wand formt den Handlauf, der die Besucherinnen und Besucher durch das Museum leitet. Der Maßstab ist immer der, der gebraucht wird.

FREIRAUM
Der großflächige begehbare Freiraum – die urbane Landschaft ‐ entfaltet sich rund um die
allgemein attraktiven Serviceeinrichtungen wie Foyer, Shop und Café. Die hügelige Strukturist funktionsoffen, sie dient als Katalysator für Begegnung und Bewegung. Hier können Berlinerinnen und Berliner sich in der Rauheit der Oberfläche lustvoll verfangen und ihren liebsten Aktivitäten nachgehen: sich in eine Decke wickeln und auf den Kanal blicken, Menschen beobachten, Zeitung lesen, die To‐Do‐List durchgehen, am Laptop arbeiten, quatschen, Café trinken und Kuchen essen, mit einem Sundowner auf die kleinen und großen Erfolge anstoßen, im Liegen und Sitzen einfach Nichtstun.
Die Landschaft kann über ein System aus Promenades architecturales bewandert werden, in das auch die bestehende Rampe und das städtische Wegenetz eingebunden ist. Entlang dieser Wege finden sich Einrichten für verschiedene Interessen und Interessensgruppen: Freiluftkino, Skulpturengarten, Bühnen für Musik und Theater können für Veranstaltungen bespielt und besucht werden.

FUNKTION
Die oberirdisch zutage tretenden Räume spielen verkehrte Welt. Die Ausstellungsräume,
die normalerweise exponiert und gut sichtbar sind, rutschen nach unten und wollen dort
entdeckt werden. Die Verwaltung des Museums liegt hingegen oben, damit aber auch dran am städtischen Leben und den Freizeiteinrichtungen des eigenen Hauses. Anlieferung und zugehörige Lagerräume liegen auf Straßenebene. Somit erfahren Besucherinnen und Besuchern die Wirklichkeit hinter den Kulissen sprichwörtlich auf Augenhöhe. Durch die niedrige Höhe des Zubaus ist es möglich, dass jeder Gast das Gebäude über flachansteigende Rampen begeht und z.B. den frisch eintreffenden Kunsttransport beobachtet. Ein Aspekt des Projektes, der es zu einem neuen Museum macht. Von der Klingelhöferstraße gelangt man leicht ins Foyer, den Shop und das angrenzende Café. Der unabhängige Betrieb der Einrichtungen ist möglich. Ein Besucheraufzug verbindet dort alle Innen‐ und Außen‐Bereiche, allesamt sind sie selbstverständlich barrierefrei erreichbar. Über eine Zwischenebene oder Galerie gelangt man vom Foyer zur Ausstellungsebene. Die Galerieebene befindet sich auf dem Niveau der Hauptebene des Bestand (Bestand‐EG). Während man nach und nach in den Bau hinabtaucht, nimmt das Tageslicht graduell ab. Die Reise wird durch Lichtwechsel, Durchsichten und Ausblicke inszeniert. Fenster verbinden die Ebenen punktuell mit dem Außenraum, wobei darauf geachtet wird, dass kein Tageslicht in den Ausstellungsbereich dringt. Hier geht die Aktivität des Treibens von draußen in einen ruhigen Innenbereich über, der den Besucherinnen und Besuchern Rückzug aus einem hektischen Alltagsleben ermöglicht. Die Ambiguität des Außenraums wird fortgesetzt. Auf den Wegen in die Ausstellungen gibt es Räume mit unterschiedlichen Qualitäten. Im Galeriegeschoss gibt es z.B. zwei Studiolos (Workshop‐, Studier‐ und Diskussionsbereiche), die innovative Formen der Vermittlung und den Austausch von Wissen und Ideen ermöglichen. Hier wird berücksichtigt, dass und inwiefern das Publikum Open Access, Open Science und Teilhabe längst in seinem Alltag lebt.
Auf der Galerie verschaffen sich die Besucherinnen und Besucher durch mehrere Fenster
den ersten Überblick über die Ausstellungsräume. Fünf Treppen führen von der Galerie in
die Ausstellungsebene und ermöglichen unterschiedliche Rundgänge.
Die tageslichtlosen Ausstellungsräume befinden sich alle auf dem gleichen Niveau wie das Untergeschoss des Bestands. Im Grundriss sehen diese Räume klassisch aus. Sie sind möglichst große und flexible Behälter für die auszustellenden Exponate. Im Schnitt
betrachtet eröffnet sich wie in einem Kippbild jedoch eine neue und spannende Welt.
Blickt man nach oben, zeichnet sich hier an der Unterseite der Decke das Leben des
Vorplatzes im Negativ ab. Die Ausstellungsräume selbst jedoch, und stellen diese Exponate in den Vordergrund und ermöglichen Flexibilität im kuratorischen Prozess und
Ausstellungsdesign.
Der Verteilerbereich der Ausstellungsebene erhält über einen Lichthof natürliches
Tageslicht. Bei Bedarf kann man einen Raum der Kabinettausstellung zum Hof hin öffnen.
Nebenan liegt die neue Bibliothek, mit Einrichtungen für Open Access und innovative
Vermittlung. Sie verbindet den Bestands‐ und Neubau programmatisch. Die
Ausstellungsebene ist wiederum über eine interne Treppe mit dem Foyer des
Bestandsgebäudes verbunden.