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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2017

Bahnhofsareal – Stadteingang Nord

Blick von Norden

Blick von Norden

Anerkennung

Preisgeld: 3.500 EUR

dma deckert mester architekten

Architektur

club L94

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Städtebauliche, architektonische Aspekte
Bahnhöfe und ihr Umfeld verändern sich inhaltlich. Leerstand bietet Potential aber auch Gefahren. Um die Potentiale zu nutzen und dem Bedeutungsverlust des Bahnhofes zu begegnen sind neue Konzepte erforderlich. Für das Balinger Bahnhofsgebäude liegen tragfähige Konzepte vor. Die Aufwertung des Umfeldes muss nun die Attraktivität des Quartiers stützen und stabilisieren. Im Zentrum der Aufgabe steht die Schaffung eines attraktiven Bahnhofsplatzes von hoher Aufenthaltsqualität, der das Zeug dazu hat, die einstige zentrale Rolle im Stadtgefüge wieder zu übernehmen. Darüberhinaus hat das Gebiet eine zentrale Bedeutung als nördlicher Stadteingang. Die Aufwertung der Bereiche von der P+R-Anlage, über den Busbahnhof, den Bahnhofsplatz bis zur Bahnhofstraße und ihrer rückwärtigen Bereiche entlang der Bahngleise ist das Ziel der Planung.
Städtebaulich lässt sich der Entwurf in drei Teilbereiche aufteilen: Bahnhofsplatz, Nördlicher Bereich, Südlicher Bereich/Holzverladeplatz.


Bahnhofsvorplatz
Im Zentrum des Planungsgebietes liegt der Bahnhofsplatz. Dieser wird mit flankierenden Gebäuden räumlich nun auch seitlich stärker gefasst und mit Hilfe der Neubauten auf ein wohl proportioniertes, angenehmes Mass verkleinert.

Ein weiteres kleines „Plätzchen“ entsteht am historischen Steg und wird von zwei Neubauten gerahmt. Über eine räumliche Abfolge von Bahnhofsplatz, schmale Gasse, „Plätzchen“ gelangt man kleinteilig in das im Hintergrund liegende neue Wohngebiet auf dem ehemaligen Holzverladeplatz. Eine Gasse führt quer durch die Wohnblöcke. Seitlich abzweigende Gassen verbinden fussläufig das neue Gebiet mit der Stadt. Durch die Gassen erhält man spannende Blickbeziehungen zur umgebenden Bebauung.

Am Bahnhofsplatz wird das neue Ensemble durch drei Neubauten gebildet. Als Kopfbau wird ein „Übereckgiebeltyp“ entwickelt, der traditionelle Dachformen aufnimmt und seiner besonderen Bedeutung als Auftaktgebäude in der Bahnhofsstraße Ausdruck verleiht. Im hinteren Teil zwischen Bahnhofsgebäude und Steg leitet ein zweigeschossiges Satteldachhaus vom Bahnhofsplatz in das neue Wohngebiet und zum Steg. In diesen beiden Gebäuden werden für das Erdgeschoss Handelsflächen angeboten. In den Obergeschossen befinden sich Flächen für Dienstleistungen. Im Erdgeschoss des Kopfbaus am Platz ist während der Landesgartenschau eine entsprechende Nutzung denkbar (Ticketverkauf, Information, Indoorshowroom).

Für die Gebäude am Bahnhofsplatz ist eine Erstellung in Holzbauweise wünschenswert, um - nebenbei auch im Rahmen der Landesgartenschau - ein Statement für nachhaltiges Bauen abzugeben, was sich in den Fassaden widerspiegeln sollte.

An seiner Nordseite begrenzt den Bahnhofsplatz ein neues Fahrradparkhaus. Es stellt die fehlende Raumkante des Platzes her und leitet über zum nördlichen Bereich.


Nördlicher Bereich
Nördlich wird ein linearer sich an der Bahntrasse angliedernder Baukörper positioniert. Dieser nimmt die verkehrlichen Belange wie Parken, Busbahnhof, und Fahrradparkhaus auf. Der Baukörper bildet einen lärmschützenden Rücken entlang der Bahntrasse. Die neuen Verkehrsbauten korrespondieren mit den Großformen in der näheren Umgebung. Die ruhige Gesamtform schließt mit dem Fahrradparkhaus als Querriegel am nördlichen Ende des Banhhofsplatzes ab.

Das Radhaus wird auf drei Ebenen organisiert. Im Erdgeschoss wird ein vorhandenes Technikgebäude sowie eine neue, behindertengerechte WC-Anlage und ein Shop (z.B. Bäcker, Imbiss usw.) integriert. Hier wird eine für den Platz belebende Nutzung vorgeschlagen, damit die umgebenden Platzränder durch die Nutzungen gestärkt werden. Auf den oberen zwei Etagen befindet sich, über Rampen und Treppen erreichbar, das Parkhaus mit Fahrradstellplätzen und E-Bike-Ladestationen.
In einem späteren Bauabschnitt kann das Radhaus mit einem künftigen Busbahhofsdach verbunden werden und mit diesem und dem neuen Parkhaus eine Einheit bilden, wodurch eine überdachte Verbindung vom neuen Parkhaus bis zum Bahnhof möglich wäre.
Auf den Dächern wäre eine Photovoltaikanlage für die Beladung der E-Bikes sinnvoll und ließe sich später auf dem Dach des Busbahnhofs erweitern.

Das neue PKW-Parkhaus am nördlichen Rand des Wettbewerbsgebietes stellt sich als schmaler Riegel dar. Das Parken ist auf vier Ebenen verteilt, so dass ein dreigeschossiges Gebäude entsteht, das in einer späteren Phase bei Bedarf auf Grund seiner Gebäudeproportion und Struktur (Positionierung von Treppenhäusern und Aufzug) ganz oder in Teilen als Bürohaus umfunktioniert werden könnte. Die Rampen lagern sich aus diesem Grund außen an.
Ein- und Ausfahrt des Parkhauses werden voneinander getrennt, um den Knoten am Busbahnhof zu entflechten. Die Einfahrt zum Parkhaus erfolgt über die nördliche Zufahrt am Busbahnhof. Die Ausfahrt ist in nördliche Richtung organisiert.


Südlicher Bereich/Holzverladeplatz
Der südliche Teil des Wettbewerbsgebietes wird durch raumbildende Blockränder, die vorhandene Strukturen fortführen, räumlich neu geordnet und definiert. Wohnnutzung dominiert das Quartier. Eine interne Durchwegung verbindet die Höfe miteinander und das Gebiet mit der Innenstadt.

Vier Höfe werden im Zusammenspiel mit vorhandener und neuer Bebauung gebildet. Diese formulieren einen Rücken entlang der Gleisanlage. Die Bebauung orientiert sich vorrangig in die grünen Höfe hinein und schirmt die Hauptnutzungen der neuen und der vorhandenen Bebauung vom Bahnlärm ab: Wohn- und Schlafräume orientieren sich in die Höfe, Erschließung und dienende Räume werden entlang der Bahntrasse angeordnet.

Holzbauweise ist auch für dieses Baugebiet wünschenswert, um das Thema des Standortes als ehemaliger Holzverladeplatz inhaltlich zu transportieren.

Für die ergänzende Bebauung entlang der Bahnhofs- und Wilhelmstrasse wird erdgeschossig Handel vorgesehen. Darüber wohnt man auf zwei Ebenen mit Satteldach. In „erster Reihe“ zur Innenstadt werden bestandsergänzend traufständige Satteldächer festgeschrieben. Die Fläche auf dem ehemaligen Holzverladeplatz ergänzt das Ensemble mit zwei- bis dreigeschossigen kubischen Wohnriegeln. Hier soll bewusst ein kleinteiliges Auf und Ab der Kubatur erzeugt werden, das sich in das städtebauliche Gefüge zeitgemäß integriert. Es verleiht der Anlage Lebendigkeit und bildet Dachterrassen und Gründächer als ergänzende Freiräume.

Hier wird die Hanglage des Grundstückes sinnvoll genutzt, um eine Tiefgarage unter der Bebauung mit insgesamt 143 Stellplätzen für Kurzzeitparker und die Bewohner des neuen Quartiers unterzubringen. Die Ein- und Ausfahrt der Tiefgarage wird bewusst räumlich getrennt, um die Verkehrsbelastung zu verteilen.

Die Lage am Hang birgt den Vorteil, dass in das neue Gebäudeensemble in der Wilhelmstrasse eine Handelsfläche von insgesamt 1800qm integriert werden kann, ohne die vorhandene Maßstäblichkeit zu sprengen. Schaufenster zeigen sich entlang der Wilhelmstraße, die Handelsflächen verschwinden im Hang und können über Innenhöfe mit Tageslicht versorgt werden.

Der vorhandene historische Steg wird in gerader Linie des Steges durch einen Aufzug ergänzt. Steg inklusive Treppenanlage werden lediglich saniert. Der Aufzug soll als schlichte Stahl-Glaskonstruktion ausgeführt werden. Dieser steht zentral auf dem neuen kleinen „Plätzchen“.

Landschaftsplanerische Aspekte
Die Bahnhofstraße ist eine der wichtigen Erschließungsachsen der Stadt Balingen und setzt das im Bereich der Friedrichstraße begonnene Gestaltungskonzept des Stadtkerns nach Norden fort. Beidseitig des Verkehrsraumes werden in diesem Entwurf auch am Bahnhof und ZOB weiterhin mit Baumpflanzungen unterbrochene Längsparkierungsstreifen angeordnet, an die sich großzügige Gehwege anschließen. Dieser Duktus wird im Bereich des Bahnhofsvorplatzes unterbrochen, um hier den Platzraum zu öffnen und als Auftakt in die Balinger Kernstadt herauszustellen. Zusätzlich zu dieser räumlichen Öffnung markiert ein Belagswechsel in der Fahrbahn von Asphalt zu Pflaster gegenüber dem Bahnhofsgebäude den Ort und trägt zur Verkehrsberuhigung bei.
Durch die neuen Raumkanten an den Rändern des Platzes entsteht eine Art Bühne, die durch eine teppichartige Belagsintarsie hervorgehoben wird. Diese Belagsintarsie kann im Sinne eines Trittsteinkonzeptes in Richtung Innenstadt weiter geführt werden. Insbesondere der Platz vor dem denkmalgeschützten Fußgängersteg südlich des Bahnhofsgebäudes erfährt durch solch eine Intarsie eine Aufwertung und Markierung, die den Stegantritt in Szene setzt und eine Verbindung zum Bahnhofsvorplatz herstellt.

Nicht nur das Belagsmaterial, sondern auch die Ausstattungselemente und die Vegetation auf dem Bahnhofsvorplatz heben diesen als einen Ort mit besonderer städtebaulicher Bedeutung hervor. Ein Hain aus Zier-Obstbäumen, z.B. Zierkirschen, mit ihrem Blühaspekt im Frühjahr und leuchtender Herbstfärbung, verleihen ihm im Laufe der Jahreszeiten eine besondere Atmosphäre. Unter den Bäumen werden Sitzgelegenheiten im Schatten angeboten, sowie Fahrrad-Abstellmöglichkeiten als ergänzendes Angebot zum Fahrradparkhaus verortet.
Im Rahmen des Konzeptes „Grüne Schnittstellen“ für die geplante Gartenschau 2023 spielt die Karlstraße als Verbindung von Bahnhofsareal und Eyachanlagen eine Rolle. In Verlängerung der Grünachse der Karlstraße stellt der „Eyach-Brunnen“ auf dem Platz einen Bezug zum Wasser der Eyach her. Er setzt einen Akzent vor dem Bahnhofsgebäude und trägt mit dem Geräusch von plätscherndem Wasser zur Aufenthaltsqualität insbesondere der frei verteilten Sitzgelegenheiten am Platzrand bei.
Die Terrasse des Bahnhofscafés „La Gare“ bietet weiterhin sonnige Aufenthaltsmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe zum Vorplatz, sowie zu den Gleisen. Die Fläche für Außenbestuhlung wird zum Platz hin noch vergrößert und durch eine Stufenanlage als zusätzliche Sitzmöglichkeit ergänzt.

Neben der Fortführung der Ausleuchtung des Straßenraumes durch die vorhandenen Mastleuchten entlang der Bahnhofstraße und entlang der neuen Wegeverbindungen der „Stadterweiterung“, erhält der Bahnhofsvorplatz eine hohe, mehrköpfige skulpturale Lichtstele, die den Ort besonders in den Abend- und Nachtstunden in eine ganz eigene Atmosphäre taucht. Darüber hinaus könnten die Ausstattungselemente wie der Baumhain, der Eyachbrunnen und die Sitzobjekte durch eine Effektbeleuchtung bei Nacht hervorgehoben werden.
Der Bahnhofsvorplatz ist grundsätzlich als autofreier Bereich konzipiert. Lediglich für Taxen ist die Überfahrung am südlichen Platzrand möglich, um die 3 Taxi-Warteplätze vor den neuen Handelseinrichtungen anzufahren. Kurzzeitstellplätze für Bahnreisende und zur Andienung des Hotels im Bahnhofsgebäude werden entlang der Bahnhofsstraße als Längssparker angeordnet. Die notwendigen Stellplätze für das Hotel werden im Parkhaus zur Verfügung gestellt.
Das neue Parkhaus wird durch eine neue östliche Baumbepflanzung entlang des Parkhauses optisch für die vorhandene Villenbebauung verdeckt und rhythmisiert.
Diese Bepflanzung könnte im Bereich des neuen Busbahnhofsdaches später fortgeführt werden und im Zusammenhang mit dem vorhandenen Baumbestand auch dieses strukturieren und mit einem Mehr an Grün aufwerten.
Die neu geschaffenen Innenhöfe der geplanten Bebauung auf dem ehemaligen Holzverladeplatz werden großflächig begrünt. Baumpakete definieren den inneren Freiraum, in dem Aufenthaltsmöglichkeiten für die Bewohner in Form von Plätzen mit verschiedenen Funktionen möglich sind.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser interpretieren den Stadteingang Nord als ein Raumkontinuum mit dem Gemeindezentrum der evangelisch freikirchlichen Gemeinde im Norden, einem attraktiv gestalteten Bahnhofsplatz als Mitte und dem neuen Klöckner Quartier im Süden. Über gut geschnittene Stadtbausteine wird eine Raumfolge zelebriert, die zu einer deutlichen Aufwertung des nördlichen Innenstadteingangs führt. Es entsteht ein Ort mit starker Identität. Das im Norden vorgeschlagene Parkhaus soll langfristig mit der vorgeschlagenen Überdachung des Busbahnhofs zu einer baulichen Kante zusammen gefasst werden, die den Straßenraum der Bahnhofstraße rahmt. Eine gute Idee, die allerdings von der geplanten Realisierungsschritten abweicht. Der lang gezogene Stadtraum endet im Süden vor dem Fahrradparkhaus, das die Trafostation sinnvoll ummantelt und den Bahnhofsplatz mit einem gastronomischen Angebot im Erdgeschoss bereichern soll. Man kann den Verfassern durchaus folgen, wenn sie sich Gedanken über die räumliche Fassung des Bahnhofsplatzes machen. Fraglich ist es allerdings, ob die Sichtverbindung zwischen Busterminal und Bahnhofsplatz aufgegeben werden sollte. Würde nicht der kleine Hain als Membran besser geeignet sein, die Sichtbarkeit des Busbahnhofs zu sichern? Die Verfasser haben sich für einen relativ kleinen Bahnhofsplatz entschieden, der auch im Süden durch ein neues Haus gefasst wird. Ob Zuschnitt und Größe des Platzes ausreichen, wird im Preisgericht intensiv diskutiert. Kritisch gesehen wird auch, dass der denkmalwerte Verbindungssteg von der Geislinger Straße im Rückraum ankommt. Südlich des Bahnhofs werden die baulichen Fragmente mit präzisen baulichen Setzungen ergänzt. Die städtebauliche Figur – eine Folge von Wohnhöfen mit integrierten Handelsflächen – fügt sich wie selbstverständlich in die Umgebung ein. Die zeitgemäße Interpretation eines klassischen städtebaulichen Motivs Balingens wird mit den Bestandsbauten zu einem angenehm geformten Quartier verbunden. Bei der Umsetzung der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Durchwegung wäre allerdings darauf zu achten, dass Konflikte zwischen Privatheit und Öffentlichkeit vermieden werden. Kritisch zu bewerten ist aber vor allem, dass die Verfasser die Wohnhöfe bis an die Grundstücksgrenze heranführen und deshalb die von der Deutsche Bahn AG geforderten Abstände zu den Gleisen unterschreiten. Zu eng dimensioniert sind außerdem einige Gassen im Quartier, die zur Verschattung führen und in frequenzarmen Tageszeiten auch atmosphärische Probleme erzeugen könnten. Mit geschickt in die Topografie hineingeschobenen Handelsflächen erreichen die Verfasser, dass die Innenhöfe eine hohe Qualität erreichen, an der auch die Bewohner der Bestandsgebäude partizipieren können. Das Nutzungskonzept ist standortgerecht entwickelt und tragfähig, der Umgang mit dem Bestand vorbildlich. Die freiräumliche Qualität ist passabel. Die Verfasser beginnen mit einem weiten Blick auf die gestellte Aufgabe, der sie zu einer starken und Identität stiftenden städtebaulichen Konzeption trägt. Die Trennung zwischen Bahnhofsplatz und Busbahnhof und fehlende Abstände zur Bahn führen zu Abstrichen in der Bewertung.
Blick von Süden

Blick von Süden

Strukturplan

Strukturplan

Grundriss Bahnhofsplatz

Grundriss Bahnhofsplatz