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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2017

Freiraum Wedau-Süd | Freiraumkonzept und Freianlagen Südfläche

Anerkennung

Preisgeld: 10.500 EUR

lohrer.hochrein landschaftsarchitekten und stadtplaner gmbh

Landschaftsarchitektur

MVISU

Visualisierung

Erläuterungstext

Leitbild Freiraum | Ein Amalgam von grünen Linien und topographischer Faltung - Freiraum als ein engmaschiges Gewebe dreier Baum-Achsen und einer gefalteten Landschaft – das ist der Leitgedanken für das verbindende Motiv des Freiraums in Wedau Süd.
Dieses Motiv verknüpft die beiden einzigen noch prägenden freiräumlichen Elemente in dem an sich derzeit leergeräumten Areal - die einströmenden Gehölzkulissen und die einprägsame wie beherrschende Topographie des Lärmschutzwalles. Der gesamte Freiraum von Wedau Süd wird als ein elaboriertes Flachrelief aus gefalteten Körpern verstanden. Diese Faltung erhebt sich in einer von West nach Ost sich steigernden Amplitude– beginnend von den Ufern des Sees über die Kanalgräben und die bespielbaren Hügel in den Fugen bis hin zu aufragenden Erdkörper des Walles und dem visuellen Verwies auf den in der Ferne erkennbaren Hangrücken.
Aus diesem Prinzip der Faltung entwickeln sich flache Retentionsbecken, quartiersgliedernde Rippen, barrierefreie Rampen und - so gestalterisch in eine Gesamtkonzept integriert – das durchgehende räumliche Rückgrat des Lärmschutzwalles.

Dieses topographische Flachrelief wird durch drei raumwirksame Grünachsen in Nord-Süd Richtung überlagert – Sie folgen den Erschließungsachsen und greifen mit tanzenden Weiden, stringenten Eichenreihen und artenreichen trockengetönten Feldgehölze das prägende Thema des Umfeldes von Wasserkante, Hauptstraße und Lärmschutzwall in jeweils unterschiedlichen Arten und Raumsequenzen auf. Versatz und Brüche in den Linien werden durch unregelmäßig gesetzte Solitäre und Gruppen betont. Durch die unterschiedlichen Querschnitte und gliedernden Setzung der Gehölzkulisse entwickeln sich in den zunächst funktional erforderlichen Erschließungsachsen lineare, grün geprägte Freiräume von hohem Aufenthaltswert für die Anwohner.

Dieses landschaftliche Amalgam mit seinen wenigen aber durchgehenden Elementen setzt sich lesbar von den privaten Freiräumen mit deren Hecken und der dahinter sich entwickelnden Vielfalt ab. Öffentlicher Raum – das verbindende freiräumliche Netz wird so klar gliedernd wie führend erkennbar. Das Prinzip der Faltung bildet das verbindende Wiedererkennungsmerkmal im Quartier.
Es bildet die Grundlage für die Durcharbeitung der Teilbereich. Es findet bis in die Details – beispielsweise in den Faltungen des Rasens, der der gefalteten Quartiers-Chaiselongue oder in dem für das Quartier entwickelten Pflasterplatte - seinen erkennbaren Niederschlag.

Materialität…| die Materialität lebt vom Kontrast und Dialog mit der üppigen Vegetation. Sie ist betont schlicht – hellgrauer Beton für Stufen und Pflasterplatten, hellgrauer Splittabstreu für wassergebundene Decke und Asphaltbeläge. Der einheitliche Pflasterbelag besteht aus Betonwerkstein aus lediglich zwei unterschiedlichen Formaten, mit denen das Prinzip Faltung ihren zweidimensionalen graphischen Niederschlag findet.

Vegetationkonzept | Die prägenden Gehölzlinien greifen jeweils einen bereichsrelevanten Aspekt auf – entlang des Wassers ein lockeres Spiel von mehrstämmigen Weiden und Erlen, im Straßenraum wärmeliebende ungarische Eichen und entlang des Lärmschutzwalles trockengetönte artenreiche Feldhecken und abgemagerte Trockenrasen. Die Solitäre in den Bruchstellen erweisen wenngleich in einem Maßstabssprung - mit artifiziellen Arten - beispielsweise Paulownien, Lirodendren etc. – der gärtnerischen Vielfalt in den angrenzenden Quartieren ihre Referenz.



Bahn-Park | der extensive Landschaftspark entlang des Lärmschutzwalles bildet allein schon durch seine räumliche Präsenz das kraftvolle Rückgrat des Freiraums in Wedau Süd. Durch ein feingliedriges Spiel mit Höhen, Neigungen, Faltungen und der Überlagerung mit artenreichen Feldgehölzen und wärmegetönte Trockenrasen sowie einem subtil eingelegten Flechtwerk von Rampen und Treppen wird diese Fuge zum linearen Abschlusspark. An den Endstellen der ankommenden Ost-West Fugen wird mit Treppen und Aussichtsplattformen visuell die enge Wechselwirkung zwischen den beiden Strukturen und die Betonung des Abschusspunktes und dem Verweis auf das dahinter anschließende Bahngelände lebendig inszeniert.
Park am Wasserturm | Der zentrale innere Freiraum setzt der visuell einragenden Kraft des Bahndammes eine raumbildende Baumhalle gegenüber. Die bewegten Faltungen laufen im Park aus und bilden dort die erforderliche Abschirmung zur Straßentangente. Die Mitte wird mit Spielrasen belegt, bleibt so räumlich offen und fokussiert so den Blick auf das prägende Element im Park – der Landmarke Wasserturm.
Der Turm wird als witterungsunabhäniger Spiel und Abenteuerturm ausgebaut. Das Gebäude wird von außen entsprechend dem historischen Vorbild saniert. Einige moderne Fenster werden zusätzlich eingeschnitten und erhellen das Innere und geben besondere Ausblicke. Im Inneren entsteht durch eingespannte Netzebenen eine Spiel- und Kletterlandschaft auf mehreren Ebenen.
Diese Spiellandschaft wird durch generationenübergreifende Ausstattung unter den Baumdächern ergänzt. Eisenbahnschienen fassen die schmalen Wege und geben den sanierten und zukünftig als Kulturcafé genützten Stellwerken die erforderliche narrative Verankerung.

Quartiersplatz | Inmitten der Gartenstadt gelegen ist dieser kleine Platz Trittstein im Wegenetz und quartiersbezogener Freiraum inmitten des Privaten zugleich. Mit den Elementen der Gartenstadt – der Hecke und den Bäumen – wird der Raum klar gefasst. Die übergeordnete Wegeverbindung wird freigehalten. Mit einer gemeinschaftlichen langen Bank und einem Spielereich für kleinere Kinder

Traverse | Der schmale Grünfinger entwickelt sich aus einer längsgestreckten Rasenfaltung, die die beiden benachbarten Quartiere lesbar voneinander trennt. Er endet in einer zeichenhaft in einer skulpturalen wie filigranen Treppe, die zu einem Aussichtspunkt auf der Abschlussrippe führt.

Promenade | der Übergang zum Wasser entwickelt sich auf der gesamten Länge aus dem Prinzip der gestuften wie lebendigen Faltung. Im Bereich der Promenade wird dieser Ansatz in eher gebauter Sprache mit Stufen, Rampen und anlaufenden Mauern umgesetzt. In dieser so umschrieben Landschaft entstehen mit Sitzstufen, Nischen, Rücksprüngen, lichten und schattigen Bereichen trotz der sozialsichernden guten Einsichtigkeit eine Vielzahl kleinstrukturierter Aufenthalts – und Rückzugsbereichen mit reizvollem Blick über das Wasser.
Die Stufung von Bewegungsbereich, Rasenfaltungen und Heckenbändern bildet einen gestuften wie geschützten Übergang zwischen belebter Öffentlichkeit und introvertierter Privatheit der angrenzenden Wohnbauten.
Die lockere Stellung der Bäume verdichtet sich einerseits in der Längsrichtung zu einer reizvollen unregelmäßigen Baumhalle – in der Querrichtung – dem Blick aus den randseitigen Wohnungen öffnen sich jedoch eine Vielzahl von Fenstern mit gutem Blick über das Wasser.

Kanalachse | Die inverse Faltung in die Tiefe bildet Senken, flache Gewässer, Rasenstufen mit Blick auf das naturnahe Gewässer. Langsam schwingt das Gelände auf und endet in einer einladenden Sitztribüne am Bahnpark.

Uferpark | Nach der Zäsur durch die Kanalfuge wird entlang des Ufers das Thema der Promenade in Grün aufgenommen und weiträumiger fortgeführt.
Ein licht-transparenter Baumschleier bildet den Übergang von den Baufeldern zur ufernahen, offenen Wiese. Diese bietet freien Spielraum, wohnungsnah intensive Bewegungsangebote und gewässernah die erforderlichen Retentionsmulden mit variablem Einstauvolumen.

Übergang in die Landschaft | Nach Süden hin enden die grünen Bänder am Sportareal. Ein „Glacis der Kleingärten“ mit eingelegten freien offenen Wiesenflächen bildet zusammen mit einströmenden Gehölzbeständen und locker eingestreuten Solitärgruppen den Übergang in die geschlossenen Waldbestände im Süden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Prinzip der Faltung bildet die entwurfsbestimmende Grundidee der Arbeit. Auf dieser Basis entwickeln die Verfasser die grüne und öffentliche Struktur des Quartiers und leiten die gesamte Formensprache und das Gestaltrepertoire aus diesem Raumverständnis ab.

Dabei gelingt es den Verfassern, die Freiräume des neuen Quartiers in das vorhandene Freiraumsystem zu integrieren und bestehende Verbindungen aufzugreifen. Sie integrieren die West-Ost-Verbindungen der Traverse und des Bruchbachs ebenso wie den Park am Wasserturm auf gelungene Weise durch Aussichtspunkte an Schnittstellen mit dem Lärmschutzwall. So gelingt eine sehr selbstverständliche Vernetzung. Die gestalterische Qualität des Parks am Wasserturm, der Traverse und des Wasserkanals ist jedoch nicht überzeugend, da die konsequente Verfolgung der Idee der Faltung ein sensibles Eingehen auf den Städtebau verhindern.

Der Lärmschutzwall, der nach der Vorstellung der Verfasser das verbindende Rückgrat der neuen Quartiersfreiräume darstellt, wird seiner gesamten Länge als Bahnpark entwickelt. Diese Idee widerspricht wegen der durchgängigen Wegeerschließung den Vorgaben der Auslobung und kann daher für eine wirkliche Vernetzungsfunktion nicht genutzt werden.

Der Park am Wasserturm greift als Relikte der ehemaligen Bahnnutzung Schienenelemente auf und nutzt den Wasserturm als Spiel- und Abenteuerturm. Ein Kulturcafé ergänzt das Angebot der Spiel- und Sportflächen im Park. Die narrative Idee der Verfasser kann jedoch mit ihren räumlichen Qualitäten nicht überzeugen.

Die Traverse wird als grüner Finger mit Retentionsfunktion ausgebildet. Auch hier verhindert die dominierende Idee der Faltung ein Eingehen auf die städtebaulichen Setzungen.

Die Uferpromenade greift das Thema der Faltung als steinerne Falten mit Vor-und Rücksprüngen entlang des Ufers auf. So entsteht eine Promenade mit Treppen und Sitzstufen, die durch Baumpflanzungen räumlich gegliedert wird. Über verschiedene Höhenniveaus ermöglicht sie den Zugang zum Wasser. Die atmosphärische Qualität der Promenade ist überzeugend, allerdings gewährt sie zu wenige barrierefreie Zugänge zum Wasser. Die Promenade endet im Seebalkon mit einer Loggia, die einen expressiven Abschluss bildet, jedoch mit dem baulichen Höhepunkt des Solitärgebäudes konkurriert.

Der Wasserkanal wird als grüne Faltung entwickelt und mündet in den Uferpark, der zahlreiche Spielmöglichkeiten anbietet und Retentionsflächen vorhält. Besonderes Gestaltungselement ist der Quartiersbalkon, der Bewegungslinie und Gliederungselement ist und Spielflächen beinhaltet.

Die Verfasser versuchen über die entwurfsbestimmende Thematik der Faltung einen einheitlich lesbaren Freiraum zu entwickeln. Dies funktioniert jedoch nur im Ansatz, denn es gelingt nicht, damit den unterschiedlichen Stadträumen und Freiraumtypen gerecht zu werden. Insbesondere bei den linearen Elementen der Traverse und des Wasserkanals erscheint das Prinzip der Faltung übertrieben und aufgesetzt. Das Beharren auf dem Faltungsprinzip wird zum Selbstzweck und nicht immer den Notwendigkeiten der stadträumlichen Situation gerecht.

Es erscheint insbesondere fraglich, ob die Erkennbarkeit der Faltung als Gestaltungsidee für die Nutzer des Quartiers erlebbar sein wird. Die Ausprägung der Faltung an der Seepromenade und die dadurch bedingte Kleinteiligkeit der Gestaltung schränken die Barrierefreiheit und die Nutzbarkeit stark ein.

Die Bau- und Folgekosten erscheinen durch die hohe Gestaltungsintensität und die Kleinteiligkeit des Entwurfs im höheren Bereich zu liegen.

Die Arbeit leistet einen spannenden konzeptionellen Ansatz, der versucht, einen Ortsbezug herzustellen. Leider gelingt es im Detail nicht, diesen Ortsbezug mit der zukünftigen städtebaulichen Idee und Identität des neuen Quartiers in Einklang zu bringen.