modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Offener Wettbewerb | 09/2017

San Riemo - Ein forschendes Bauprojekt zum genossenschaftlichen Wohnen in der Messestadt Riem

1. Preis

Preisgeld: 16.000 EUR

Donet SchÀfer Reimer Architekten GmbH

Architektur

Tanja Reimer

Architektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Haus mit den unterschiedlichen Wohnungen bildet ein einfaches, sechsgeschossiges Volumen entlang der Straße. Der vom Bebauungsplan vorgesehene viergeschossige Teil ist als selbstĂ€ndiger Trakt daneben gesetzt. Er enthĂ€lt im Erdgeschoss eine offene, gedeckte Halle, darĂŒber gemeinschaftliche Nutzungen. Damit macht er das Wesen der Genossenschaft zum Platz hin sichtbar.

Das Erdgeschoss steht in der ganzen LĂ€nge der Straße gewerblichen Nutzungen und der Werkstatt zur VerfĂŒgung. Der Eingang zum Haus liegt am Platz; er fĂŒhrt zur primĂ€ren Erschließung im Inneneck der Anlage: dort fĂŒhrt eine Wendeltreppe und ein Lift zu den LaubengĂ€ngen, welche die ganze LĂ€nge des Hauses einnehmen. Sie sind zum Hof hin offen. An ihrem nördlichen Ende gibt es von der Straße her zugĂ€nglich eine zweite Erschließung, die unterschiedliche Wege durch das Haus bietet und die Bewegungen vor den einzelnen Wohnungen reduziert – die LaubengĂ€nge bilden eher nachbarschaftliche RĂ€ume als reine Erschließungsbereiche. Das Dachgeschoss wird als gemeinschaftlicher Garten genutzt und weist in Aufbauten die dafĂŒr erforderlichen RĂ€ume auf.

Die tragende Struktur besteht aus regelmĂ€ssig gesetzten StĂŒtzen. Der Aussteifung dienen gemauerte Scheiben im Bereich des Laubengangs – das GebĂ€ude verfĂŒgt damit ĂŒber einen plastisch krĂ€ftig ausformulierten «RĂŒcken» zum Hof, an den sich eine leichte Skelettstruktur zur Straße hin anlagert. Das ergibt einen hohen Grad an Freiheit, die verschiedenartigen Wohnformen in die Geschosse einzuschreiben. Die StĂŒtzen sind vermutlich zu schlank gezeichnet, aber sie sind prĂ€zise gesetzt und sie werden in den Wohnungen zu einem rĂ€umlichen Thema.

Die Wohnungen reichen vom Laubengang durch das ganze Haus, weisen also ein große Tiefe auf; ihre Grundrisse sind differenziert in Zonen mit mehr oder weniger Licht gegliedert. Das ergibt die Möglichkeit, die RĂ€ume auf unterschiedliche Weise zu bespielen. Die eher individuell genutzten RĂ€ume liegen zur Straße, die gemeinsam genutzten zum Laubengang und zum Hof; dazwischen liegen Zonen, die sich den einen oder anderen zuordnen lassen. Sie sind durch die offenen RĂ€ume der BĂ€der in unterschiedlicher Weise gegliedert. Diese BadrĂ€ume sind klein, können aber bei Bedarf barrierefrei zusammengefasst werden. Die potentielle Auflösung der Zimmerstruktur bietet Spielraum fĂŒr andere Arten der Aneignung. Das ist vor allem bei den Basiswohnungen der Fall und entspricht der Idee des Wettbewerbes.

Andere Wohnformen weisen diesen Spielraum noch nicht auf. Die Wohnungen mit «Filialen» unterscheiden sich nicht von den Basiswohnungen; die geteilten RÀume werden im viergeschossigen Trakt zusammengefasst und sind allen Bewohnern zugÀnglich. Damit ist eine interessante Umdeutung hinsichtlich einer potentiell starren Differenzierung der drei Wohnformen der Aufgabe angedeutet.

Die LaubengĂ€nge im Hof bringen mit sich, dass die «Schlafzimmer» nach Westen – und zur Straße – liegen, die «Wohnzimmer» nach Osten orientiert sind. Das steht in einem gewissen Widerspruch zur gewohnten Nutzung solcher RĂ€ume im Tagesverlauf. Die Wohnungen weisen aber das Potential auf, solche Gewohnheiten durch eine andere Form der Aneignung der RĂ€ume in Frage zu stellen. Allenfalls zeigt auch die weitere Bearbeitung wie bereits angedacht, eine feste Nutzungszuordnung der RĂ€ume weiter aufgelöst werden kann.

Vor den Wohnungen weitet sich der Laubengang zu Nischen fĂŒr den Aufenthalt im Freien. Die BefĂŒrchtung, hier gewissermaßen «ausgestellt» zu wohnen, scheint dank der zwei Erschließungen wenig begrĂŒndet: es teilen sich nur zwei oder drei Partien das StĂŒck eines Laubenganges. Die rĂ€umliche Gliederung der Wohnungen erlaubt zudem, sich mehr oder weniger nahe davon aufzuhalten.

Das Haus unterscheidet sich entschieden von den anderen Liegenschaften der Straße. Seine Fassaden weisen zur Straße und zum Platz hin zwischen den Geschossen große, geschosshohe Verglasungen auf. Dazwischen zeichnen sich Fenster als zwei- und dreiteilige «Gitter» ab. Das bedeutet, dass man gewissermassen im Schaufenster wohnt, besonders am Abend. Es braucht also bauliche Maßnahmen, die einen gewisser Schutz der Privatheit sicherstellen. Ob solche Fassaden der Bestimmung des Hauses angemessen sind, wird bezweifelt.

Das Projekt stellt einen sehr interessanten Beitrag dar, in dem es das Haus als eine Gemeinschaft versteht. Das kommt sowohl in der Erschließung – die mehr ist als reine FunktionsflĂ€che – zum Ausdruck wie auch im viergeschossigen Seitenbau. Hier werden «Plattformen» fĂŒr verschiedenste gemeinschaftliche Nutzungen geschaffen. Das können sowohl «Filialnutzungen» sein, es aber auch denkbar, dass alle anderen Bewohner daran partizipieren.

Das Haus weist nicht zuletzt deshalb eine große, strukturelle Offenheit in der weiteren Bearbeitung auf. Sowohl die gemeinschaftlichen Bereiche wie auch die Gliederung und Differenzierung der Wohnformen lassen sich bis zum Bau – und darĂŒber hinaus – weiter abstimmen und definieren – der forschende Entwurf kann fortgesetzt werden.