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Offener Wettbewerb | 09/2017

Carusallee

1. Preis / 2. Stufe / Zuschlag

Preisgeld: 20.000 EUR

lohrer.hochrein landschaftsarchitekten und stadtplaner gmbh

Landschaftsarchitektur

DAY & LIGHT LICHTPLANUNG

Lichtplanung

Erläuterungstext

Konzept | Ein Quartier im Wandel – Unter dem Leitbild des Bildungscampus befindet sich die ehemalige militärische Liegenschaft inhaltlich in einem lesbaren Wandel hin zu einem zukunftsorientierten Quartier. Der heute bereits erkennbare städtebauliche Maßstabssprung gegenüber den umgebenen Quartieren wird sich durch den Erhalt der denkmalgeschützten Kasernen und die Implementierung von größeren Hochschulbauten auch zukünftig deutlich abzeichnen. Die Abkehr vom Geist der Erbauer und dem tradierten Militärischen findet hochbaulich durch die zeitgemäße und transparente architektonische Sprache der Neubauten ihren Ausdruck.
Die beiden Achsen – Carus Allee und Campusachse - bilden das innere freiräumliche Rückgrat des zukünftigen Quartiers. Mit dem vorliegenden Konzept wird auch im Freiraum die Abkehr von dem Geist der Erbauer angestrebt. Die im militärischen Duktus räumlich ordnende Allee wird als langgestrecktes landschaftliches Bild, als eine Ansammlung freier Baumindividuen interpretiert. Innerhalb des vorgegebenen städtebaulichen Maßstabs entsteht ein Alignement von Gruppen und Solitären in unterschiedlicher Dichte und Weite. Der leichte Hain – das klassische Bild der humanistischen Bildungslandschaft - hält so Einzug in das gewandelte Areal.

Carus Allee | Carl Gustav Carus war nicht nur bedeutender Wissenschaftler sondern auch ein stark von Caspar Davis Friedrich beeinflusster und somit ein eng in der Romantik verwurzelter Maler. Von seinen Bildern von lichtem Wald und malerischen Eichen inspiriert, entwickelt sich die landschaftliche Konzeption der Carus Allee nicht aus dem tradierten linearen Prinzip der regelmäßigen Allee, sondern als ein Nacheinander von unterschiedlichen „Bauminseln“.
Von Osten kommend knüpft die Allee an einen bestehenden breiten Grünzug an und führt ihn weit in das Innere der ehemaligen Kaserne. Die Eiche bildet dabei das vegetative Grundgerüst. Die mit wassergebundener Decke, lockeren Kies, Rasen, bis hin zu Staudenmatten differenzierte Ausbildung des Alleebodens erlaubt es auf schmalem zur Verfügung stehenden Raum vielfältige Bereiche, individuelle Bilder und ansprechende jedoch ausreichend einsichtige Rückzugsnischen zu entwickeln. Dies ermöglicht es, den erforderlichen räumlichen Rahmen für zukünftige Bespielung und unterschiedlichen Anforderungen zu individuelle Aneignung zu entwickeln.
Lesbare Unterbrechungen der Baumlinien bilden Fenster in der Allee und betonen so unter anderem den spannenden Dialog zwischen Kommandanturgebäude und zukünftiger Stadthalle einerseits und offenem Park andererseits.
Clumps von Gräsern gliedern hier subtil den Raum und schlagen mit auslaufenden Inseln die visuelle Brücke zwischen den Teilbereichen. Vor dem Kommandanturgebäude entwickelt sich als bewusster Kontrast zur ehemaligen Funktion aus dem kaligraphischen Bild einer Schärenlandschaft eine abwechslungsreiche Strandlandschaft mit Retentionsbecken, Strandflächen und ergänzenden Rasen.
Am Ende der Allee im Westen bildet ein filigraner wie skulpturaler Treppenturm den akzentuierenden Abschluss der Allee und inszeniert einen spannenden Rund- und RĂĽckblick ĂĽber das neue Areal.

Campus Achse | Die Campusachse entwickelt sich mit der mittigen Bewegungsfläche und den randseitigen Vegetationsbildern invers zum räumlichen Bild der Carusallee.
Locker verteilte Solitäre (im Wesentlichen die blaublütigen Paulownien) gliedern ohne eine zu offensichtliche Richtungsgebung den Raum. Blütenreiche Stauden- und Stauchsäume bilden einen attraktiven Pufferstreifen zwischen den Gebäuden und dem hoch frequentierten öffentlichen Raum. Eingebundene Nischen offerieren einladende Rückzugsbereiche zur Rast und zur Kommunikation en passant.

Platz | Im Kreuzungspunkt überlagern sich die beiden Systeme. Die Belagsstrukturen werden miteinander verwoben. An „Bruchstellen“ tritt Wasser in bodenbündigen, tanzenden Fontänen zu Tage. Randseitig findet sich ein kleiner Pavillon – als Kiosk zur Versorgung in der Pause, als Wartebereich für den Bus und als Technikraum für kleinere Veranstaltungen auf dem Platz.

Oberflächenwasser | In die Allee eingelegt findet sich eine Längszisterne zur Aufnahme der Oberflächenwässer der Allee und umgebenden Dächern. Wasser kann so gepuffert und gefiltert als Grauwasser zur Verfügung gestellt werden. Teile davon werden zudem über eine solargetriebene Pumpe konstant an die Oberfläche gefördert und in dem zentralen Reflecting-Pool als Blickfang und einfache sommerliche naturnahe Badestelle als Teil des „Clarus-Beaches“ inszeniert.

Materialität | Beiden Achsen liegt ein einfaches jedoch funktionell tragfähiges Materialkonzept zugrunde. Ein mineralischer Belag in Feldern unterschiedlicher Körnungen, Durchlässigkeit und Farbigkeit bildet die optisch wahrnehmbare Oberfläche, ergänzt mit Pattern von Rasenflächen, Schotterrasen, Rollkies und wassergebundener Decke. Die erforderlichen befahrbaren Bereiche erhalten einen Asphaltunterbau und eine Possehl-beschichtete Oberfläche so dass sie auch für den Busverkehr funktionell und kostenverträglich in das Gesamtbild eingebunden werden.
Die Ausstattung aus Betonfertigteilen und Stahlmöblierung ist optisch filigran und doch langfristig robust.

Lichtkonzept | Zwischen Inseln und Bäumen der Carus Allee und sind Masten mit frei einstellbaren Strahlern und unterschiedlichen Lichtpunkthöhen locker verteilt. Sie sorgen für eine angemessene Ausleuchtung der Verkehrsbereiche – mit höheren Lichtpunkten und Gleichmäßigkeit im Bereich der Busspur und z.B. für die Skaterbereiche, sowie niedrigere Lichtpunkten und geringerer Beleuchtungsstärke zwischen den Baum- und Aufenthaltsinseln. Durch die freie Verteilung der Masten und Lichtpunkte entstehen den Wege- und Aufenthaltsbereichen angepasste Zonierungen, sowie eine deutlich Dynamik und Lebendigkeit durch den Wechsel von Hell und Dunkel. Im Bereich des Retentionsbeckens und der Strandflächen sollen die Lichtpunkte mit Pollern in 1 m Höhe nur noch eine dezente Wegebeleuchtung schaffen und die Erfahrbarkeit der Nacht erhalten. Dabei bleibt jeweils trotzdem eine Wegeverbindung mit Gesichtsaufhellung in Nähe der Busspuren erhalten.

Das Spiel der amorphen Insel- und Wegeformen soll in manchen Bereichen durch eine spielerische Akzentbeleuchtung, wie z.B. Bankunterleuchtungen oder dezente Baumanstrahlungen unterstützt werden. Eine integrierte Beleuchtung soll auch die Brunnenanlage im Kreuzungspunkt unterstützen, wobei hier im Winter durch Mast-Strahler ergänzend dezente Spotlights gesetzt werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit überzeugt durch einen eigenständigen, kräftig ausformulierten Entwurf, der das Thema der Allee aufgreift, aber auf innovative Weis e weiterentwickelt. Statt gereihter Alleebäume im „militärischen Duktus“ schlägt der Verfass er locker gestellte, mehrstämmige Bäume vor. Diese liegen in geschwungenen „Landschaftsinseln“, also Rasen- und Wiesenflächen, die wiederum von einem Asphaltband gefasst werden, welches sowohl Aufenthalts- und Bewegungsraum bietet als auch (im Norden wie im Süden) Fahrspuren für die Busse enthält. Diese Konzentration auf wenige, aber gezielt eingesetzte Gestaltungsmittel bewirkt eine große Kohärenz der Anlage, in die auch Bushaltestellen und Kioske/WCs gut integriert werden können. Die Carusallee kann als eigenständige Figur wahrgenommen werden. Die Gestaltung mit artifiziellen Grünflächen und unterschiedlichen Asphaltbelägen wird als angemessene Antwort auf den Kasernenstandort gewertet. Die Landschaftsinseln bewirken eine wohltuende Durchlässigkeit sowohl in Längs- als auch in Querrichtung. Durch die Baumstellungen wird eine einladende Atmosphäre geschaffen, die durch das Beleuchtungskonzept geschickt verstärkt wird. Frei verteilte Lichtbänder und – punkte arbeiten individuelle Aufenthaltssituationen heraus. Der Entwurf kommt in der Gestaltung weitgehend ohne Höhensprünge aus und erhält dadurch eine hohe Barrierefreiheit. Die Jury kritisiert eine gewisse Überausstattung der Landschaftsinseln. Andererseits wird die Grundstruktur für flexibel genug erachtet, um auch mit weniger Angeboten auszukommen. Der Verzicht auf größere Spielfelder wird begrüßt, da diese auch im Bereich Willi-Sachs- Stadion angeboten werden und kleinteiligere Spielmöglichkeiten sich besser integrieren las- sen. Das Entwässerungskonzept erscheint schlüssig. Die Funktionsfähigkeit eines Versickerungsbeckens, das auch als dauerbespannte Wasserfläche ( „reflecting pool“) dienen soll, wird nicht nachgewiesen. Die großflächige Oberflächengestaltun g durch Asphalt und Rasen/Wiese lassen geringere Herstellungskosten/m2 erwarten, was allerdings durch die Kleinteiligkeit der Landschaftsinseln und einem erhöhten Herstellungs- und Pflegeaufwand relativiert wird.
Nachtperspektive

Nachtperspektive