modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Award / Auszeichnung | 07/2018

Peter-Joseph-Lenné-Preis 2018

Engere Wahl

Lucas Reyer

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Konzept:

Die Landschaft in und um Ebersbach-Neugersdorf (EN) ist vielschichtig und vor allem geprägt durch Umgebindehäuser in den Siedlungsbereichen, Mühlen jeglicher Ausprägung und naturnahe Berglandschaften auf deren Bergkuppen sich oftmals eine Bergbaude (Gastwirtschaft) und/oder ein Aussichtsturm befindet. Aber auch die direkt umliegenden Gemeinden sind vielfältig in ihrer Art und können verschiedenartigste Highlights vorweisen. Zum Beispiel die Sommerrodelbahn in Oderwitz, den gusseisernen Turm in Löbau oder die Bockwindmühle in Kottmarsdorf.
Auch die junge Stadt EN soll ein neues Highlight bekommen, das sich in diese Reihe einfügen kann. Es soll sowohl für sich alleine stehend Strahlwirkung besitzen, sich aber auch mit naher und ferner Umgebung verbinden und verweben.
Ausgehend von der Vielfalt der Türme in der Region ist das vom Entwurf vorgesehene neue Hauptelement ein Ringturm auf dem Schlechteberg. Dieser ist im Schnitt 30 Meter hoch und weist einen Umfang und somit eine Lauffläche von ca. 650 Meter auf. Die Form des Turmes lässt sich als Trioval beschreiben und leitet sich zunächst vom Schwung der vorgefundenen Höhenlinien ab. Dass, das Oval drei deutliche Flachseiten hat, ist durch die nahe Umgebung begründet: es grenzen drei Ortsteile an den Schlechteberg an: nördlich der OT Ebersbach, südöstlich der OT Neugersdorf und im Osten der tschechische Nachbar Jirikov. Wenn man den Blick weiter hinaus zoomt, stellt man zudem fest, dass die Flachseiten ebenfalls den Länderrichtungen Deutschland - Tschechien - Polen entsprechen und dadurch auf das innereuropäische Dreiländereck hinweisen, welches sich in knapp 20 km Entfernung, bei Zittau befindet. Drei kann zudem für die drei Spreequellen in EN und Kottmar stehen.
Der Turm besteht hauptsächlich aus zwei Materialien. Holz für den Belag und den 1,10 Meter hohen Handlauf. Stahl für eine stabile und beständige Unterkonstruktion sowie eine Absturzsicherung in Form eines Edelstahlnetzes. Auf den Ring „aufgefädelte“ Würfel lenken den Fokus in Richtung regionaler Highlights und bestehen ebenfalls aus Holz. Diese Highlightwürfel besitzen je drei Öffnungen. Zwei Zugänge und ein Fenster, welches den Blick auf das entsprechende Highlight lenkt.
Der Zugang auf den Ringturm findet über ein neues Informationszentrum statt, welches feste Öffnungszeiten hat und abschließbar ist. Es befindet sich auf der Kuppe des Schlechtebergs und besitzt die Form eines Betonwürfels mit einer Kantenlänge von acht Metern. Seine Innenverkleidung ist überwiegend in Holz gehalten um einen warmen, angenehmen Charakter zu erhalten. Auf Fenster wird verzichtet, um mehr Ausstellungsfläche für Fotografien aus der Umgebung zu erhalten. Diese können symbolisch als „Fenster ins Umland“ betrachtet werden. Die Basisbeleuchtung des Innenraums findet über einen zentralen Lichtschacht statt. Der Informationswürfel leitet die Besucher im Freien über eine zickzackförmige Treppenanlage hinauf auf den Ringturm. Wer sich für Geschichte und für EN interessiert kann beim Aufstieg über Tafeln an Zwischenplateaus Fakten zur Stadtgeschichte und historischen Verbindungen erfahren. Hier wird der Gedanke des Heimatmuseums aufgegriffen und in neuer Form ins Freie verlegt. Es soll kein Ersatz für das Heimatmuseum geschaffen werden, sondern mehr eine Zusammenfassung und „Appetizer“ für das neue Heimatmuseum.
Ein weiterer Gedanke des Heimatmuseums, bzw. des Humboldtschen Gedanken, der den Alpengarten und die naturwissenschaftliche Sammlung auf dem Schlechteberg begründet hat, ist der neue Entdeckerwald. Dieser befindet sich auf der Fläche, die vom Ringturm umbunden wird. In diesem knapp 300 a großen Areal werden unterschiedlichste, real wirkende Tiere der Heimat platziert, die es zu finden gilt. Vom kleinen Waldmaikäfer bis zur großen Hirschkuh, von Vogel bis Amphibie soll es eine möglichst vielfältige Bandbreite an Tieren gefunden werden können. Als Hilfsmittel gibt es eine Entdecker-App, die via Stadt-Wlan im Informationszentrum heruntergeladen werden kann.
Um den Zugang zum Ringturm für alle Personengruppen, vor allem aber für mobilitätseingeschränkte zu gewährleisten, wird ein Lift installiert. Dieser wird direkt neben der Baude errichtet, sodass er diese durch geschickte Anbindung ebenfalls zu einem barrierefreien Gebäude macht.
Die Humboldtbaude selbst soll als Beherbergungsbetrieb ausgebaut werden. Außerdem soll das ursprüngliche Gastlokal mit Angebot von Eis, Kaffee und Mittagstisch, wieder eröffnen, ohne die Grundsubstanz des Gebäudes zu verändern. Um der Herberge einen höheren touristischen Mehrwert zu verleihen werden am oberen Ende des Liftes, direkt unter der Lauffläche des Ringturms, zwei „Panoramakojen“ angebracht. In diesen ist ein Übernachten mit bestem Ausblick über die Oberlausitzer Landschaft möglich. Die einzelnen Kojen haben je eine Grundfläche von ca. 3,00 m x 8,00 m und sollen über Bett, Sanitärbereich und Sitzmöglichkeit verfügen. Die Besonderheit ist, dass man sowohl von Bett, als auch von Sitzecke aus in aller Ruhe und Privatheit visuell mit der Landschaft verbunden ist und diese auf einzigartige Weise genießen kann.
Der Alpengarten, nördliche der Humboldtbaude wird in seiner grundsätzlichen Ausgestaltung und seinem Aufbau belassen, allerdings werden große Rhododendren zurückgeschnitten um eine Belichtung von niedrigeren Alpen-typischer Vegetation zu gewährleisten. Außerdem soll damit die Sichtachse von Baude über Alpengarten und Skihang auf den OT Ebersbach besser akzentuiert werden. Die Gebäude und Technikeinrichtungen des ehemaligen Skihangs werden rückgebaut, da sie weder aktiv genutzt werden noch eine Folgenutzung in Aussicht steht.

Um nun das Areal des Schlechtebergs besser mit dem Umland zu verbinden, werden zwei Sitzelemente entwickelt, deren Form sich vom triovalen Aussichtsrings ableitet. Eine Bank, ebenfalls in Ringform und ein Hocker. Das größere Element, die Bank wird als Zeichen der Verbundenheit an die Partnerstädte überreicht (ggf. zur Einweihung des Turms). Auf der Bank soll nochmal grafisch auf die Verbundenheit zu EN hingewiesen werden. Selbige Bank wird auch an andere Städte/Kommunen überreicht, die in besonderer Verbindung zu EN stehen, bspw. Berlin, da sich hier „das Ende“ der Spree befindet, welche mit zwei der drei Quellen in EN beginnt (In Berlin-Spandau mündet die Spree in die Havel). Die Bank übernimmt zwei weitere Aufgaben im Stadtgebiet selbst. Zum einen markiert sie die örtlichen Highlights (bspw. Bismarckturm oder Barockkirche Ebersbach) zum andren weist sie Flächen und Objekte hin, die es wert sind zu sanieren. Bei zweiterem symbolisiert die Bank neu einkehrendes Leben und soll als „Stolperstein“, Ort zum Innehalten, als Aktivator und Startschuss zur Wiederbelebung dienen.
Der Hocker ist ausschließlich für das Stadtgebiet geplant. Er wird entlang eines neuen Rundwegs als Wegmarke mit Rastfunktion eingestreut. Außerdem kann er von Bürgern oder Touristen als Zeichen der Ortsverbundenheit erworben werden.
Der neue Rundweg überschneidet sich überwiegend mit dem bestehenden „Ebersbacher Rundweg“ und erweitert ihn zu einem gesamtstädtischen Rundweg mit knapp 18 km Länge. Er versucht möglichst viele Highlights im Stadtgebiet miteinander zu verbinden, führt allerdings bewusst nicht über den Schlechteberg. Das Informationszentrum auf dem Schlechteberg soll den Besuchern Informationen bereitstellen, wonach sie entscheiden können, welche Teile des Rundweges für sie interessant sind und entsprechend können sie sich nur in diese Bereiche begeben oder einen freien Einstiegsort wählen, um dann den gesamten Rundweg zu bestreiten.
Falls ein längerer Marsch oder eine längere Radausfahrt geplant ist, kann eine der thematischen Schleifen genutzt werden, die an den Rundweg angeheftet sind und von dort das Umland einbinden. Diese Schleifen binden auch die überregionalen Wanderwege besser an das Stadtgebiet, bzw. den Schlechteberg an, die nicht direkt durch diese führen. Beispielsweise ist das der europäische Fernwanderweg E10 der lediglich den OT Neugersdorf im östlichen Abschluss durchläuft und dann direkt über den Kottmar weiter nach Löbau führt. Am äußeren Punkt jeder Schleife befindet sich ein „Zielort“der durch eine Sehenswürdigkeiten definiert wird, beispielsweise die Kottmarhäuser Bockwindmühle. Auch hier sollte eine Ringbank installiert werden.

Für die Einwohner von EN soll der Schlechteberg als neue gemeinsame Mitte, eingebunden zwischen den beiden Ortsteilen dienen. Sie können hier mit einem Rundumblick nahezu ihr gesamtes Stadtgebiet überschauen. Symbolisch aber auch aus praktischem Nutzen soll die Neugersdorfer Straße, die die Kuppe des Schlechteberg mit dem OT Neugersdorf verbindet, asphaltiert werden um auch hier eine höherwertige und vor allem barrierefreie Verbindung zu schaffen. Diese macht es attraktiver für Radfahrer und vermehrt auch für Pedelecfahrer, auf den Berg hinauf zu fahren. Für zweitere steht eine Ladestation an der Humboldtbaude zur Verfügung.
Elemente der regional typischen Bergbaude, die für einen lohnenden Ausflug nötig sind finden sich auch hier wieder. Gasthaus, Bierausschank und Caféterrasse gibt es in der Humboldtbaude ein Eis für die Kinder im Kiosk des Informationszentrums. Der bergtypische Aussichtsturm wird in Form eines Aussichtsringes realisiert, welcher sich von den anderen Türmen der Region nicht nur in seiner Form (Hybrid aus Turm und Baumwipfelpfad) unterscheidet, sondern auch in seiner Erschließung. Hier wird mit Hinblick auf den demografischen Wandel ein Lift angebracht, der es auch mobilitätseingeschränkten Personenkreisen ermöglicht die Rundum-Aussicht zu genießen.
Um den Ort weiter zu beleben, soll es kulturelle Events geben, die mit dem Ringturm „spielen“. Ideen wäre beispielsweise „Sonntagsbrunch auf dem Ringturm“, „Mundartlesung unterm Ringturm“ oder ein „Fest der Verbundenheit“ beim Ringturm.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit greift die in der Oberlausitz vorherrschende Architektur der Umgebindehäuser und den einstigen Haupterwerbszweig, die Weberei, auf. Darauf aufbauend sollen vom Schlechteberg ausgehend Verbindungen zu den touristischen Potenzialen in der Stadt wie auch in der Region hergestellt werden.
Ein „Ring“ um den Schlechteberg erschließt diese Traditionen und übernimmt von der Humboldtbaude die Entdeckung der Vielfalt der Natur und der Geschichte. Mit den gewählten Elementen und Materialien der Gestaltung entsteht ein außergewöhnliches
Angebot in der Region. Die innerhalb des Ringes geschaffenen Funktionsbereiche informieren / entdecken / sehen“ sprechen verschiedene Zielgruppen an, die hier ihren
individuellen Bedürfnissen nachkommen können. Der damit geschaffene „Weitblick“ wird
mit dem Aussichtsring anstelle eines Turms allen Menschen verdeutlicht. Vorhandenem, wie zum Beispiel der Humboldtbaude oder der Natur bleibt ausreichend Raum, dennoch sind auch neue Angebote, wie Beherbergung, E-Mobilität, Kultur und Gastronomiemöglich.
Dieser Entwurf bietet dem Tourismus in der Region durch seine Verknüpfungen mit regi-
onalen Highlights und Kooperationsmöglichkeiten mit touristischen Dienstleistern neue
Ansätze.
Kritisch anzumerken ist die bauliche Umsetzung des Ringweges. Der Entwurf bietet leider
keine praktischen Lösungsansätze, außer der Vermutung, dass dieser auf Säulen geführt wird. Möglicherweise kann es bei der Umsetzung dieses Vorschlags daran mangeln, dass eine wirtschaftliche Darstellung der Investition an sich wie auch der laufenden Unterhaltung
nicht möglich ist.
Der Entwurf kommt nur in der Gesamtumsetzung zur Wirkung, die auf grund der Rahmenbedingungen fraglich ist. Unstrittig ist der mutige Ansatz zur Herausarbeitung eines Alleinstellungsmerkmales innerhalb der Region.