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Einladungswettbewerb | 01/2019

Neubau Wohn- und Geschäftshaus Karstadt-Areal in Rüsselsheim

Anerkennung

Preisgeld: 4.000 EUR

bb22 architekten + stadtplaner

Architektur

Erläuterungstext

Städtebauliche Einbindung
Das Ensemble auf dem ehemaligen Karstadt-Areal folgt dem neu definierten innerstädtischen Block. Es reagiert mit den Baukörpern auf die unterschiedlichen Lagen am großzügigen Friedensplatz und an der urbanen Löwenstraße. Der Hochpunkt am Friedensplatz markiert den Eingangspunkt zur Innenstadt. Entlang der Frankfurter Straße folgt die Höhenentwicklung der Blickachse auf die Stadtkirche und schafft in den oberen Geschossen eine attraktive Dachlandschaft mit gemeinschaftlicher Terrasse und charakteristischen Ausblicken auf Innenstadt, Main und Taunus.
Die Nutzungen im Erdgeschoss reagieren ebenfalls auf die unterschiedlichen Stadträume und bilden eigenständige Zugänge für die Wohnadressen aus. Am Friedensplatz schafft so die Gastronomie durch Außenbestuhlung neue Aufenthaltsqualitäten. Das Bürgeramt der Stadt Rüsselsheim ist gut sichtbar an der Frankfurter Straße präsent. Der Einzelhandel erhält in der Erdgeschosszone an der Löwenstraße einen attraktiven Zugang zur Innenstadt.

Wohnen und Arbeiten
Zentrales Element des Entwurfs ist die Durchmischung verschiedener Wohnformen in den Gebäudeteilen gemäß des Raumprogramms. So finden sich innerhalb des Ensembles sowohl Maisonette-Wohnungen für Familien als auch Ein-Zimmer-Wohnungen für Singles. Mittelpunkt des Zusammenlebens ist der gemein- same Wohnhof, über den ein Teil der Wohnungen auch erschlossen wird. Die von der Straße erschlossenen Erdgeschossnutzungen profitieren ebenfalls vom lichtdurchfluteten Innenhof, der so Büro- und Geschäftsräume um eine Qualität ergänzt.
Durch die zentrale Lage in der Stadt und der Region bietet das Projekt die Chance, zum Pilot für neue Wohnformen werden, die den Fokus auf solche gemeinschaftlich genutzten Flächen legen. So werden rund um den großzügigen Wohnhof mit dem zentralen Gemeinschaftsraum weitere flexible Joker-Räume angeboten, die den Bewohnern mehr Flexibilität für besondere Bedürfnisse geben und Nachbarn zu gemeinsamen Aktivitäten einladen. Die Dachterrasse schafft ein zusätzliches Angebot für das gemeinschaftliche Wohnen und bietet zudem attraktive Übernachtungsangebote für Gäste.
Der begrünte Wohnhof und die Dachterrasse schaffen mit ihrer extensiven Begrünung zudem großzügige Retentionsflächen und strahlen trotz urbaner Wohnlage ein angenehmes Mikroklima aus. In der stark versiegelten Innenstadt Rüssels- heims bildet das Ensemble so einen nachhaltigen Kontrast aus.

Erschließung
Drei akzentuierte Eingänge zur Frankfurter Straße bilden die Fußgänger-Erschließung.
Für Fahrradfahrer bietet ein ebenerdiger Raum an der Löwenstraße witterungsgeschützte Abstellplätze, weitere Flächen finden sich direkt an der Tiefgaragenrampe im Untergeschoss. Der MIV ist vollständig in der Tiefgarage untergebracht. Die Bestandshöhe ermöglicht hier ohne große Eingriffe sowohl die Verwendung von Parksystemen wie Doppelparker, als auch von einfachen Parkflächen.
Im ersten Obergeschoss verknüpft ein Wohnhof die Erschließungssysteme und bietet eine zentrale Fläche für gemeinschaftliches Wohnen. Er schafft eine optima- le Vernetzung in alle Richtungen - zur Stadt, Fahrradraum, zur Entsorgung oder zu den gemeinschaftlich genutzten Räumen vom Hof bis zum Dach.

Architekturqualität
Nach unserer Einschätzung kann das Untergeschoss des ehemaligen Kaufhauses lediglich weiter genutzt werden, wenn keine Veränderungen des Tragwerkes erfolgen. Da dies ebenso die Bodenplatte betrifft, schlagen wir vor, das Tragwerk erst in der Decke zum ersten Obergeschoss an die neuen Lasten anzupassen und die Geschossdecke des Wohnhofes entsprechend stärker auszubilden. Die eigenständigen Baukörper am Friedensplatz und der Löwenstraße schließen direkt an den mittleren Baukörper an und ermöglichen hierdurch eine kostengünstige Integration des Bestandes.
Besondere Aufmerksamkeit legen wir auf die Gestaltung der Gemeinschaftsflächen, deren Herrichtung anteilsmäßig wenig ins Gewicht fällt, die jedoch in der Wahrnehmung des Gesamtensembles eine hohe Bedeutung haben.
Die Fassade des monolithischen Ensembles wird im unteren Bereich durchgehend aus hellen Ziegeln erstellt und vermittelt so auch in der Außenwahrnehmung eine wertige Substanz.

Beurteilung durch das Preisgericht

Man kommt nicht umhin, sich im Rahmen der Annäherung an diesen Entwurf mit dem „Gemeinschaftlichen Wohnen“ in der Rüsselsheimer Innenstadt zu befassen. Genau dies ist das Kernthema dieser Arbeit, dem viele anderen Aspekte untergeordnet werden.

Der Beitrag weckt Neugierde. Neugierde auf besondere Wohnangebote in der Innenstadt, die sich unterscheiden von den alltäglichen Mietwohnungen, die sich sonst überall finden. Unterschiedlichen Wohntypologien, von Single-Wohnungen über Familienwohnungen bis hin zu Maisonette-Typen, gruppieren sich um einen gemeinsamen grünen Hof. Zudem: Wohnungen, die sich über zwei Geschosse öffnen und ein großzügiges Raumvolumen vermitteln. All dies hebt diesen Entwurf aus den Wettbewerbsbeiträgen hervor.

Auf dem Dach befindet sich ein Dachgarten, Gemeinschaftsräume und Gästewohnungen. Die beste Lage wird zu einem kollektiven Ort und macht das Ensemble, mitten in der Innenstadt von Rüsselsheim mit Blick auf den Taunus, zu etwas ganz Besonderem. Zudem finden sich immer wieder kleinere Gemeinschaftsräume, Jokerräume genannt, die im Rahmen eines gemeinschaftlichen Wohnens Raum für unterschiedliche Aktivitäten und Nutzungen geben: vielleicht ein Indoor-Spielraum, vielleicht eine gemeinsame Bibliothek, vielleicht ein Arbeits- oder Besprechungsraum.... hier wäre vieles möglich.

Im Detail wirft der Entwurf dann aber doch einige Fragen auf, auf die keine einfachen Antworten gefunden werden können. Maisonettewohnungen, die über 4 Geschosse gehen, ein Erdgeschossgrundriss, der zwar Raum für die geforderten Nutzungsbausteine bietet, aber keine wirkliche Orientierung zulässt, ein Zugang an der Ecke Friedensplatz/Frankfurter Straße, der nur bedingt einladend wirkt, eine Höhenstaffelung bei der man sich fragt, ob es die Erhöhung an der Löwenstraße wirklich gebraucht hätte. Auch die Raumkonfiguration im rückwärtigen Bereich bleibt unklar, vor allem was die Gestaltung von Übergängen und was die Einbindung des neuen Ensembles in den städtebaulichen Kontext betrifft.

Kritisch gesehen werden vor allem die Erdgeschoßzone und die architektonische Ausformung der Fassaden, die viele ernüchtert zurücklässt und es schwer macht, sich für den Entwurf auszusprechen. Die Darstellung trägt nicht dazu bei, die Qualität des Entwurfsansatzes zu vermitteln. Da hilft es nur bedingt, dass sich beim vertiefenden Blick dann doch einige strukturierenden Merkmale erklären, sich aber immer wieder neue Fragen eröffnen.

Grundlegend: Die geforderten Wohnflächen sind ebenso nachgewiesen wie die übrigen Programmflächen. Der Entwurf wäre umsetzbar. Wenn da nicht das ungute Gefühl wäre, dass zu viele Fragen offengeblieben sind: Vor allem bezogen auf die qualitätsvolle Ausgestaltung der Sockelzone wie mit Blick auf die Ausprägung der Fassaden.

Was bleibt, ist die Idee und ist die Konzeption eines außergewöhnlichen Wohnprojektes inmitten der Rüsselsheimer Innenstadt!