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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2019

Begräbnisstätte und Erinnerungsort auf dem Friedhof Altglienicke

grundriss 200

grundriss 200

1. Preis

Preisgeld: 5.200 EUR

outside< landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

struber_gruber

Kunst

Erläuterungstext

Erinnern und Gedenken an 1364 Tote

Entwurfsidee:
Unser Entwurf schafft, eingebunden im bestehenden Friedhof, einen kontemplativen Ort für das Totengedenken.
So wie ein Grab mit Grabstein und Totenlicht gestalten wir den Bereich der Urnengräber als großes Grab, auf einer Wand unweit davon sind die Namen, Lebens- und Todesdaten der Menschen zu lesen, deren Asche an dieser Stelle ihre letzte Ruhe gefunden hat.
Erinnern und Gedenken sind Gedanken heute lebender Menschen, die zu Handlungen führen können. Das wollen wir mit unserem Entwurf in besonderem Maß fördern, indem wir viele Menschen in das Gedenken einbinden und so Räume des sozialen Aspekts des Erinnerns eröffnen.

Umsetzung:
Der Bereich der Urnengräber wird von einem 25 cm breiten Streifen aus Baubronze begrenzt, auf dem auf Polnisch und Deutsch zu lesen ist, welche Toten hier bestattet sind. Über die geschichtlichen Umstände dieses Ortes informieren Tafeln aus grünem Email mit weißer Schrift, die zwischen Asphaltweg und Grab situiert sind. Über den Gräbern, innerhalb des Vierecks aus Bronze sind immergrüne Bodendecker (Vinca minor 'Alba') gepflanzt, so dass der Eindruck eines großen Grabes entsteht. In der Verlängerung eines Begrenzungsstreifens wird eine L-förmige Wand mit Stehern aus Baubronze errichtet, die Glastafeln halten. Darauf sind die Namen und Lebens-daten der Toten zu lesen. Die Schrift leuchtet hell auf dunklem Hinter-grund, Sonne und Licht scheinen durch, denn die Namen bilden die Leerstellen eines mittels Siebdruck grün bedruckten Glases, eine matte Folie bricht das durchscheinende Licht und gibt der Schrift Volumen. Um die seit 2015 verstärkten Bemühungen für ein würdiges Totengedenken zu unterstützen schlagen wir vor, für jeden einzelnen der Toten einen Paten zu suchen, der dessen Namen per Hand schreibt. Auf diese Weise gedenkt zumindest während des Schreibens ein Lebender eines Toten und nimmt in besonderer Weise seine Verantwortung wahr. Die erhaltenen Schriftzüge werden in der Folge wie beschrieben auf die Glaswand übertragen. Am Fuß der Wand können Kerzen aufgestellt werden können. Die Wand der Namen bildet zusammen mit den Bäumen einen Raum, in dem genug Platz für Gedenkfeiern bleibt.

Umgang mit dem Bestand:
Wir verstehen unseren Entwurf als die nötige Erweiterung – die Nennung der Namen – der bestehenden Begräbnisstätte unter Respektierung des Bestandes und der Atmosphäre des Friedhofs. Die Friedhofsmauer hinter Grab und Namenswand wird einbezogen in die Gestaltung, sie bildet zusammen mit der in einer ähnlichen Farbe ausgebildeten Oberfläche der wassergebundenen Decke auf nahezu der Hälfte des Grundstücks den Hintergrund zu den Elementen der Begräbnisstätte. Die Farbgebung reflektiert die helle Feierhalle am anderen Ende der Mittelachse. Der Baum auf dem Grab kann erhalten bleiben, die Bepflanzung rund um den Gedenkstein aus dem Jahr 1950, der ebenfalls erhalten bleibt, wird gerodet. Sämtliche Einbauten wie Randeinfassungen, Trittsteine und Mäuerchen werden abgebrochen. Der bestehende Weg aus Asphalt wird gerade geschnitten, so dass mit einfachen Mitteln eine klare Begrenzung für den neuen Bodenbelag geschaffen wird.
Die Gestaltung beruht auf klar strukturierenden Elementen, die das Grab bezeichnen, einen schönen Rahmen für die Namen der Toten bilden, die Verantwortung der Lebenden zeigen und Raum bieten für ein würdevolles Gedenken.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Vorteil dieses Entwurfes ist die klare räumliche Aufteilung und Organisation des Raumes in zwei Bereiche. Die zwei Hauptelemente bilden ein Diptychon, welches einerseits die Urnengrabstellen der Opfer zu einem zur Besinnung anregenden gemeinsamen Grabfeld zusammenfasst, und anderseits individuellem Gedenken sowie Versammlungen vor den Namentafeln Raum gibt.

Die Urnenfelder sind auf gelungene Weise durch einen 25 cm breiten Streifen aus Baubronze zusammengefügt. Der Streifen funktioniert sehr gut als Schriftbahn, versehen mit dem Text, der vermittelt, dass hier die Opfer ruhen. Da der Text umlaufend ist, werden die Besucher auf ein meditatives Gehen entlang des Grabes eingeladen, was auch den Prozess der Reflexion fördert und die verbleibende Rasenfläche in den Fokus rückt. Das Material selbst ist wertvoll, die Schrift gut ausgewählt und monumental. Dazu ist die Bepflanzung gut ausgewählt, immergrün und für die Fläche vegetationstechnisch realistisch. Der Eingangsbereich ist mit zurückhaltenden Infotafeln versehen, wodurch die Hauptinformation des umlaufenden Schriftzuges an Wichtigkeit gewinnt.

Der zweite Bereich des Entwurfs bildet räumlich eine relativ große Fläche, die sich sehr gut für individuelles Gedenken an die Opfer eignet. Dieser Raum bietet zudem genug Platz für Gruppen, Schulklassen und Geschichtsvermittlung. Das Besondere an dem Entwurf ist die Tatsache, dass jeder Name der Opfer auch handschriftlich von unseren Zeitgenossen geschrieben werden soll. Die handgeschriebenen Namen nehmen aktiven Bezug auf die Erinnerungsarbeit und auf Geschichtsaufarbeitung, was als sehr gut bewertet wird. Das partizipative Potential dieses Projekts ist sehr groß und bietet Chancen für die Verankerung des Projekts im Bewusstsein sowohl des unmittelbaren und weiteren Umfelds, als auch für das aktive Gedenken von Angehörigen der Opfer.

Der Entwurf legt besondere Aufmerksamkeit auf die Farbigkeit. Der Farbkanon wird aus der Umgebung entwickelt, was die Würde des Ortes unterstützt. Besonders erwähnenswert scheint, dass sich das natürliche Grün des Friedhofs in den grünen Flächen der Glaswände mit den Namen der Opfer spiegelt, was die meditative Stimmung unterstreicht. Der einheitliche Teppich aus wassergebundener Wegedecke bietet den beiden Hauptelementen sowohl in der Materialität als auch aus gestalterischer Sicht einen angemessenen Rahmen.

Die folgenden kritischen Punkte und Nachteile wurden angesprochen:
- im umlaufenden Schriftzug sollte nicht von Verstorbenen, sondern zum Beispiel von Ermordeten gesprochen werden.
- die Trennung zwischen den Namentafeln und den Urnenfeldern wurde kontrovers diskutiert
- die grelle Farbigkeit der Glastafeln wurde kontrovers diskutiert. Diese, wie auch die allgemeine Ausführung, sollte darauf überprüft werden, keinen kommerziellen Charakter oder solchen konventioneller Ausstattung öffentlicher Räume zu vermitteln.
- das Umgehen des erhöhten Bandes aus Baubronze im Bereich der historischen Friedhofsmauer wird in der derzeitigen Dimensionierung als schwierig erachtet.
- die Möglichkeit der Umsetzung des partizipativen Teils des Entwurfs wurde ebenfalls kontrovers diskutiert.
Perspektive ARGE struber_gruber/ outside< Landschaftsarchitektur

Perspektive ARGE struber_gruber/ outside< Landschaftsarchitektur

schnitt 200

schnitt 200

lageplan 1000

lageplan 1000

perspektive

perspektive

detail wand der namen

detail wand der namen

detail baubronze

detail baubronze