modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 04/2019

Neubau Stadthaus Bergisch Gladbach

Anerkennung / 4. Rang

Preisgeld: 10.000 EUR

Max Dudler GmbH

Architektur

TDB LANDSCHAFT

Landschaftsarchitektur

ZWP Ingenieur-AG

TGA-Fachplanung

Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI AG

Tragwerksplanung

Müller-BBM Building Solutions GmbH

Bauphysik

Erläuterungstext

Mit zwei Hochpunkten an beiden Enden einer klaren Gebäudestruktur bildet das neue Stadthaus in Bergisch Gladbach einen spannungsvollen Auftakt am Eingang zur Stadt. Unser städtebaulicher Eingriff fasst den bisher diffus gebliebenen Bereich als Stadtraum und verleiht ihm seine Identität und Bedeutung als Ort des Ankommens. Mit seiner zeichenhaften Wirkung markiert der Bau für Ankommende von außen den Stadteingang. Gleichzeitig wird er als grundlegende Anlaufstelle für die Bürger Bergisch Gladbachs zum zentralen Ort und so zu einem genutzten und gelebten Mittelpunkt der Stadt.
Angesichts des geforderten Raumprogramms und der städtebaulichen Herausforderung, dem bisher undefinierten Ort ein erkennbares Gesicht zu verleihen, erscheint uns eine starke Aussage an dieser Stelle im Stadtraum notwendig. Der bislang im Nichts endende Gleiskörper wird durch die gewinkelte Kubatur des Neubaus gefasst. Es entsteht ein Raum, der an die Innenstadt mit ihren Einkaufsmöglichkeiten und Fußgängerzonen anschließt. Die Bahnsteige samt den geplanten Grünflächen und ein im Eck des Baukörpers neu entstehender Platz werden zum Teil des öffentlichen Raums des Stadtzentrums. Der Hochpunkt am Ende der Gleise bildet dabei ein Scharnier zwischen dem Bahnhof, als Ort des Ankommens, und dem Zentrum Bergisch Gladbachs. Ein zweiter, etwas niedrigerer Hochpunkt am anderen Ende der Kubatur proportioniert die langgezogene Gebäudefigur. Eine Passage durch das Gebäude vermittelt zwischen der Jakobstraße im Norden und dem südlich gelegenen, neu geschaffenen Stadtplatz. Somit wird der Neubau auch zu einem aktiven und belebenden Teil des alltäglichen Wegenetzes zwischen Innenstadt und nördlichem Stadtgebiet.
Die aus dem Zentrum kommende Jakob-Lindlar-Straße wird durch die Gebäudekante des nordöstlichen Hochpunkts weitergeführt. Mit der Positionierung des Haupteingangs am Platz der Städtepartnerschaft erfährt dieser eine klare Aufwertung und bekommt zentrale Bedeutung als lebendiger Vorplatz des neuen Stadthauses. Von hier aus haben die Bürger der Stadt Bergisch Gladbach direkten Zugang zu allen für sie wichtigen Bürgeramt-Funktionen. Ein zweiter öffentlicher Stadtplatz entsteht am Ende der Gleise und wird von unserem L-förmigen Gebäude an zwei Seiten gefasst. Durch die gerahmte, gewissermaßen geschützte Situation und die neu angelegte Begrünung entfaltet er besondere Aufenthaltsqualität und bietet sich als Außenfläche für die Gastronomie an. Gleichzeitig bekommt er vermittelnde Funktion, da an ihn die unterschiedlichen weiteren öffentlichen Gebäudezugänge angrenzen. Hier befinden sich einerseits die Eingänge zur Tourist-Information und zur Espresso-Bar, andererseits öffnet eine durch das Gebäude gesteckte Passage die Wege zur Stadtbibliothek und zum Mobilitätszentrum. Als wichtiges städtebauliches Element fügt die Passage dem urbanen Gefüge eine zusätzliche Wegeverbindung zwischen Innenstadt und dem Norden der Stadt hinzu.
Alle Funktionen des Bürgerservices verorten wir im Kopfbau des Gebäudes am Platz der Städtepartnerschaft. Hier entsteht somit ein Ort, der alle Anliegen der Bürger an ihr Bürgeramt erfüllt. Ein mittig liegender Erschließungskern vermittelt zwischen den Geschossen und sorgt für eine intuitive Erschließung aller Ämter. Die Bibliothek hingegen erhält ihre eigene Adresse. Der öffentliche Raum geht dank der Lage des Bibliothekseingangs in der Passage fließend von außen nach innen über. Das Veranstaltungszentrum ist als autonom funktionierender Bereich zwischen den Nutzungs-Einheiten von Bibliothek und Stadthaus verortet. Unterschiedliche Eingänge machen den großen Saal wie auch die kleineren Veranstaltungsräume von beiden Seiten zugänglich. Das Stadthaus schließt mit seinem Foyer im 1.OG an das Veranstaltungszentrum an. Auch in der Bibliothek kann im 1.OG am Übergang zum Veranstaltungszentrum bei Bedarf auf unkomplizierte Weise eine Foyer-Atmosphäre geschaffen werden.
Die unaufgeregte und präzise Gliederung der Fassade betont die skulpturale Gebäudefigur. Die Differenzierung der Sockelzone und Sonderbereiche durch ein zurückgesetztes Fassadenrelief gewährt die Ablesbarkeit der Gebäudefunktionen nach außen und macht das Gebäude so verständlich. Ein in Höhe und Ausformulierung variierender Sockel legt sich um das gesamte Gebäude und öffnet es zum Stadtraum. Bedeutende Orte des Gebäudes – der Haupteingang mit seinen um die Ecke gezogenen Kolonnaden, die Passage und der Mitarbeiterzugang – werden durch breit und überhöht angelegte Bereiche hervorgehoben. Überhöht ausgeführte Loggien erweitern das Veranstaltungsfoyer und den Besprechungsraum der Bürgermeisterin/des Bürgermeisters durch attraktive Außenbereiche und machen die dahinterliegenden Funktionen über die Fassade im Stadtbild ablesbar. Besonderen Mehrwert bietet der ebenfalls als Loggia ausgeführte Lesegarten, der den Nutzern der Bibliothek als begrünte Freiluftfläche zur Verfügung steht und sich ebenfalls in Richtung Innenstadt orientiert. Durch die Variationen des Säulen- oder Stützen-Themas zieht sich der Sockel wie ein mäandrierendes Band um das neue Stadthaus und erfährt seine Spiegelung durch die beiden großzügigen Öffnungen der Fassade.

Mitarbeiter: Jan-Martin Schüler, Aysin Soydan, Aleksandra Ciezka, Paul Fabry, Hwa-Jong Park, Han Jun Yi, Oliver Siebe, Jochen Soydan

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser schlagen einen skulpturalen winkelförmigen Baukörper vor, der an seinen beiden Enden durch turmartige Ausbildungen stadträumlich Akzente setzt. Diese großmaßstäbliche und klare Setzung beruhigt den Stadtraum und bietet eine zum Bahnhof hin eindeutige und gefasste Abgrenzung.

Der Winkel zur Jakobsstraße erscheint in seiner Ausformulierung jedoch zu hermetisch und lässt jeglichen Bezug zu den nördlich angrenzenden Quartieren vermissen. Unterstrichen wird dies durch die nicht angemessen erscheinende Höhenentwicklung des westlichen Gebäudekopfes.

Der solitäre Baukörper zeichnet sich hinsichtlich Materialität und Erscheinungsbild durch eine klare und strenge Fensterrasterung aus. Große zweigeschossige Loggien gliedern die Großform und setzen Akzente. Jedoch bleibt der Eindruck, dass das Gebäude nur bedingt mit der Umgebung kommuniziert und auch die vielschichtigen Funktionen im Innenraum nicht angemessen wiederspiegelt.

Die angrenzenden Freiräume sind wenig differenziert dargestellt. Eine Treppe an der südwestlichen Ecke an der Johann-Wilhelm-Lindlar-Straße wird kritisch bewertet. Das skulpturale Baumbeet parallel zur Bahn ist maßstäblich angemessen.

Die Funktionen im Gebäude sind im Wesentlichen schlüssig angeordnet. Besondere Qualitäten verspricht die Bibliothek mit der Leseloggia, jedoch ist der Eingang in der Passage schwer auffindbar. Ähnliches gilt für das Standesamt im zweiten Obergeschoss.

Die Struktur der Verwaltung ist rational organisiert und ermöglicht auf Grund der Gebäudetiefe flexible Arbeitssituationen, allerdings versprechend die Grundrisslösungen nur bedingt lebendige Arbeitswelten. Durch das Fehlen von Achsen wurde das Raumprogramm im Bereich der Büroflächen nicht vollumfänglich nachgewiesen. Problematisch ist zudem die zu geringe Ausweisung von Technik- und Nebenflächen, die nur ca. 40% der geforderten Flächen betragen. Auch die Lage der Technikflächen vermag ebenso wie das gebäudetechnische Konzept nicht zu überzeugen.

Brandschutztechnisch gibt es erhebliche Mängel. Diese betreffen vor allem Fragestellungen der Flucht- und Rettungswege; so fehlt beispielsweise vor dem Feuerwehraufzug im Hochhaus eine Schleuse sowie der zweite Rettungsweg bei Teilen des Versammlungsbereichs im ersten Obergeschoss.

Die Arbeit wird unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten als durchschnittlich angesehen.

Der Beitrag wird der von der Jury in seiner Stringenz und Klarheit gewürdigt, wirft aber Fragen nach der Angemessenheit des architektonischen Auftritts in Bergisch Gladbach auf.