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städtebauliches Workshopverfahren mit hochbaulichem Anteil | 01/2019

Quartiersplanung Winsener Straße/ Eigenheimweg in Hamburg

Blick über die Winsener Straße in die Quartiersmitte

Blick über die Winsener Straße in die Quartiersmitte

2. Rang

Preisgeld: 11.100 EUR

Rohdecan Architekten GmbH

Architektur

Rehwaldt Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Wilstorf
Das neue Quartier besetzt die letzte große Fehlstelle im Harbuger Stadtteil Wilstorf. Die Hauptschlagader des Bezirkes, die Winsener Straße, erhält eine geschlossene Räumlichkeit im Sinne ihres gewachsenen Charakters. Mit dem neuen Treppenviertel in Sichtweite der St.-Franz- Joseph-Kirche setzt sich Wilstorf einen wichtigen Baustein für die urbane Entwicklung seiner Ortsmitte. Die künftige, sehr vielfältige Bewohnerschaft und die neuen Geschäfte werden einen wichtigen Beitrag zur Lebendigkeit des Viertels leisten.

Flusstal
Der Ort verfügt über eine für Hamburg außergewöhnlich bewegte Topografie. Diese wird mit der städtebaulichen Setzung effizient genutzt und räumlich inszeniert. Die Winsener Straße folgt dem Verlauf eines alten Flussbetts. Deutlich wird das Raumprofil beim Blick in Querrichtung entlang des Walter-Koch-Weges. Die Blickachse wird durch das Plangebiet über den Stichweg zum Eigenheimweg verlängert und der gesamte Talschnitt ablesbar. Sie folgt damit dem Prinzip der zentralen Achse in der benachbarten Eisenbahnersiedlung. In deren Mitte wird die Topografie durch eine gestaffelte Treppenanlage inszeniert, die bis in die gegenüber liegende Paul-Gerhardt- Straße wahrnehmbar ist. Mit dem neuen Bezug wird der Zielsetzung einer übergeordneten Vernetzung des Stadtteils Rechnung getragen. Gleichwohl bildet er die Schnittstelle für die phasenweise Entwicklung des Quartiers.

Stadtbalkon
Als zeitgenössische Interpretation der Treppenkaskade in der Eisenbahnersiedlung entwickelt das neue Quartier seine räumliche und gestalterische Hauptadresse an dieser Blickachse. Ein zentraler Erschließungshof erweitert hier den Stadtraum ins Quartier. Über eine repräsentative Freitreppe ist der obere Teil des Hofs vom Straßenraum räumlich abgesetzt und kann so als Stadtbalkon an der groß dimensionierten und verkehrsbelasteten Magistrale bestehen. Die Anlage nutzt so die Topografie um die Parkebenen, die Geschäftsflächen und die Anlieferbereiche gegen das ansteigende Gelände zu legen und die Idee einer höher gelegenen Sequenz aus Wohnhöfen zu ermöglichen. Am Auftakt der Freitreppe befinden sich die Eingänge zu Supermarkt und Drogeriemarkt, sowie ein Zugang zu den Parkhäusern. Parallel dazu sichert ein öffentlicher Aufzug den barrierefreien Zugang zum oberen Erschließungsniveau. Alle Wohngebäude können über die sich von hier entwickelnden Freiräume barrierefrei erschlossen werden.

Grüne Kaskade
Im Kontrast zur gestalteten Kante des Stadtbalkons, seiner Härte und steinernen Prägnanz wird im Rücken des Quartiers der Logik des gewachsenen Geländes gefolgt. Hier wird durch das Einnivellieren der drei Blockschollen ins Gelände ein sanfter Anstieg entlang der ursprünglichen Geländekante geschaffen. Der hier entstehende grüne Anger bietet mit annähernd 3% Anstieg eine barrierefreie Verbindung im Quartier. Mit dem großartigen, vollständig erhaltenen Baumbestand bietet er den Bewohnern der einzelnen Blöcke einen gemeinsamen Freiraum zur Naherholung und den Bezugsort für die Orientierung der Wohnungen. Die Bebauung bildet hier eine lockere, mehrfach gestufte Raumkante und unterstützt so den Charakter des Freiraumes. Hier bietet sich auch die Möglichkeit für das gesamte Viertel zwischen Eigenheimweg und Winsener Straße eine vernetzende Mitte zu schaffen. Sie kann die verschiedenen Wohnformen und Bebauungsdichten selbstverständlich zusammenführen. In der 'Grünen Kaskade' werden gemeinschaftlich nutzbare Freiraumfunktionen eingeordnet, die vor allem den Wohnungen in den Obergeschossen zugute kommen - unter den Bäumen können Spielplätze angeordnet werden. Ferner dient der Grünraum dem Quartiersklima und kann für Konzepte der Wasserrückhaltung herangezogen werden.

Gestalt
Das Quartier baut zur Winsener Straße eine klare Kante auf, um das rückwärtige Gebiet gegen die Schallimission zu schützen und den Straßenraum wieder zu schließen. Die Flucht wird durch die Gliederung in einzelne Häuser mit Zugängen im Straßenraum aufgelockert. Rückwärtig finden sich einzeln stehende Wohngebäude, die locker gestaffelt entlang des neuen Grünraums stehen. Das Gebiet hat so zwei Gesichter: Eine urbane Straßenseite mit städtischen Fassaden und hochformatigen Fenstern und eine sich großzügig öffnende Kaskade entlang des Grünzuges. Hier sorgen große Öffnungen und Loggien nach Südwesten für gesunde Wohnsituationen und solare Gewinne. Die größte Höhe wird um den steinernen Hof des Quartiers aufgebaut - an den Rändern orientieren sich die Gebäudehöhen an den Bedingungen des Bestands ohne jedoch die Klarheit der räumlichen Figur zu verhandeln. Die Fassaden sind um den Platz, zur Hauptstraße und zum Grünzug aus gelb-braunem Backstein. Sie nehmen so den sonnigen Farbkanon der Umgebung auf. Durch Variationen der Steinsortierung werden einzelne Häuser ablesbar.

Wohnen
Der geforderte Wohnungsmix wurde gleichmäßig verteilt im Gebiet umgesetzt. Es gibt alle Größen in allen Lagen. Auch die geförderten Wohnungen sind gleichmäßig unter die freifinanzierten gemischt. Die Mischung der Bewohnerschaft steht im Vordergrund. Auch soll durch die verschiedenen Lagen und Gebäudetypologien eine größtmögliche Vielfalt an Wohnformen und Grundrissen generiert werden. Das städtebauliche Konzept kann auf den anstehenden Planungsprozess flexibel reagieren. Obschon die Zugänglichkeit für die Feuerwehr teils gegeben ist, sind die Treppenhäuser grundsätzlich als Sicherheitstreppenräume ausbaufähig. Die Schallbelastung an der Straße wird durch geringe Gebäudetiefen und entsprechende Orientierung thematisiert. Des Weiteren können verglaste Loggien als 'Pufferräume' für natürliche Belüftung an den Räumen zur Straße angeordnet werden.

Erschließung
Ein umlaufender, befahrbarer Weg verbindet die rückseitigen Gebäudeeingänge und das rückwärtig gelegene Geviert. Hier schließt ein formeller, mit Bäumen im Raster bepflanzter Erschließungshof an den Grünen Anger und bildet eine weitere Adresse. Alle Hauseingänge sind barrierefrei erreichbar. Einige Eingänge liegen direkt an der Hauptstraße und unterstützen die Adressbildung ohne den Anspruch an den Zuschnitt der Ladenflächen zu konterkarieren. Viele Adressen sind um den neuen Platz angeordnet und sollen so durch die Förderung täglicher Begegnungen der Belebung des 'Wilstorfer Balkons' dienen. Um die geforderten Stellplätze unterzubringen wird die Geländetopografie ideal ausgenutzt. Die Gewerbe-Parkplätze werden ebenerdig in den rückwärtigen Hang eingepasst. Darüber finden sich auf einer zweiten Ebene die Parkplätze für einen Teil der Bewohner des ersten Bauabschnittes. Im zweiten Bauabschnitt wird eine zweigeschossige Garage unter dem nördlichen Hof gebaut, um alle benötigten Stellplätze unterzubringen. Eine Durchmischung und Neuzuweisung der Parkbereiche zwischen Einzelhandel und Wohnen ist nach Fertigstellung des Quartieres je nach Bedarf möglich. Das Grundstück kann an der nördlichen und an der süd-östlichen Grundstücksecke angefahren werden. Hier findet sich auch die Anlieferung. Sie verläuft im Gebäude bis hinter den Vollsortimenter. Dort befindet sich die Rampenanlieferung. Die zentrale Ausfahrt liegt mittig unter dem Stadtbalkon im Gegenüber des Walter-Koch-Weges. Fahrräder können je nach Gebäude gesichert im Bereich der Tiefgaragen, oder ebenerdig im Bereich der Hauseingänge abgestellt werden - auch eine zentrale Unterbringung am Platz ist denkbar.

Beurteilung durch das Preisgericht

Durch Setzung von insgesamt drei Blöcken, davon zwei an der Winsener Straße, entsteht ein gelungenes Geflecht aus öffentlichen und halböffentlichen Räumen.

Der Walter-Koch-Weg findet durch eine gut dimensionierte Piazetta sein Gegenüber. Besonders gut gelöst ist der an der südwestlichen Kante der Straßenblöcke entlanglaufende Grünzug. Hier gelingt es, die bestehenden Bäume zu erhalten und über den nördlichen Stichweg eine barrierefreie Verbindung zwischen Winsener Straße und Eigenheimweg anzubieten.

Unverständlich ist die Platzierung der Tiefgaragen- und Anlieferungsausfahrt in der Mittelachse sowie Lokalisierung der Anlieferung im EG – hier erscheint Nachbesserung jedoch möglich. Die Achsen Eigenheimweg und Walter-Koch-Weg sollte frei von Zu- und Abfahrten bleiben. Die obere Garagenebene im nördlichen Block führt zu unbelebten Fassaden und sollte in die Tiefe verlegt werden.

Die Ausformulierung des Freiraums überzeugt und verspricht unterschiedlichste private, gemeinschaftliche sowie öffentliche Nutzungsangebote.
Lageplan

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Modell

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