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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2019

Wohn- und Gewerbeobjekt Staubörnchenstraße 4 in Kaiserslautern

1. Preis

Preisgeld: 10.000 EUR

MIND Architects Collective

Architektur

MMA Manuel Mauder Architekten

Architektur

Erläuterungstext

E1 Grundsätzliche Angaben zur gestalterischen Konzeption

Die unklare Ecksituation zwischen der Staubörnchenstraße und dem untergeordneten Zufahrtsweg wird mit einem Sockel beantwortet, der das gesamte Grundstück besetzt. Die stark reduzierten Öffnungen – nur 3 große Bogendurchgänge sind erkennbar – bewirken eine klare Adressbildung und Öffentlichkeit zur Straße, bei gleichzeitiger Erkennbarkeit der seitlichen Zufahrt.

Das Programm wird auf zwei Gebäude aufgeteilt, die sich auf dem gemeinsamen Sockel die dazwischenliegende Erschließung teilen. Letztere befördert durch Aufweitungen zu Terrassendecks mit Pflanztrögen und Sitzmöglichkeiten auch der Kommunikation und das Gemeinschaftsgefühl unter den Bewohnern – gerade für ältere Menschen eine niederschwellige Möglichkeit im Kontakt zu bleiben.

Ein offen wirkendes EG nimmt neben einem Foyer und dem Personalbereich der Physiotherapie-Praxis das Parken auf – die weitaus wirtschaftlichere Lösung gegenüber einer Tiefgarage. Auch der Gymnastikraum kommt hier zum Liegen und könnte an Wochenenden (oder bei Umnutzung der Praxis) der Hausgemeinschaft für Veranstaltungen zur Verfügung stehen. Der Personalbereich kann als kleine Büroeinheit separat vermietet werden.

Das Gebäude zeigt eine harte, rohe Hülle und offenbart gleichzeitig eine dahinterliegende, transparente Fassadenebene, analog einer Gesteinsdruse, die, geöffnet, eine kostbare Mineralstruktur offenbart und aus einem gewöhnlichen Stein ein begehrtes Objekt macht.

E2 Erläuterungen der TGA

Der Vorschlag verfolgt einen Low-Tech-Ansatz. Ökologische und zukunftsfähige Architektur wird hier als robust, funktional flexibel und daher möglichst unabhängig von Maschinen und Steuerungen verstanden.

Alle Nutzungseinheiten im Vorderhaus können querlüften, im Hinterhaus sorgt der Kamineffekt für einen effektiven Abluft über die Oberlichtkuppeln. Die Abluft der innenliegenden Bäder erfolgt über Ventilatoren, die auch zur zugfreien Unterstützung der Fensterlüftung genutzte werden können und in Verbindung mit Fensterfalzlüftern den Mindestluftwechsel nach DIN sicherstellen.

Das zu beheizende Volumen wird reduziert, indem die Treppe und der Aufzug aus dem Gebäude genommen wird – auch der Bedarf an Kunstlicht wird so verringert. Das Foyer ist als unbeheizter Pufferraum konzipiert.

Großzügige Verglasungen nach Süden und Norden sorgen für tiefen Lichteinfall über den gesamten Tagesverlauf und Grundriss – bei Verwendung von Oberlichtbändern auch in innenliegenden Bädern. Im Winter und der Übergangszeit werden solare Gewinne erzielt; im Sommer bewirken die vorgelagerten Loggien einen effektiven Schutz vor Überhitzung; in der Übergangszeit sorgen außenliegende Vorhänge auf der Südseite für Sonnenschutz und begünstigen eine Erweiterung des Wohnraumes auf die Loggien. Im 1. OG und im Staffelkörper sind Markisen vorgesehen.

Eine Perlite-Schüttung auf den Geschossdecken ermöglicht eine günstige Leitungsführung, erhöht die thermische Speicherfähigkeit und gewährleistet einen guten Schallschutz. Zusammen mit der dampfdiffusionsoffenen Konstruktion mit Massivholzoberflächen erzeugt dies eine hohe Behaglichkeit und ein ausgezeichnetes Raumklima.

E3 Erläuterungen vorbeugender Brandschutz

Die Außentreppe stellt für Vorder- wie Hinterhaus einen sicheren Rettungsweg dar. Ein zweiter Rettungsweg führt im Hinterhaus über eine interne Treppe, im Vorderhaus über das Rettungsgerät der Feuerwehr: die Loggien auf der Südseite können vom öffentlichen Straßenraum aus angeleitert werden.

Bis auf die lastabtragenden Außenwände im Erdgeschoss und den Fahrstuhlschacht (beides Stahlbeton) ist eine Holzkonstruktion aus Brettsperrholz-Elementen vorgesehen. Auch die Brandwände können, beplankt mit Faserzementplatten, aus Holz errichtet werden. Die Bemessung kann bei den scheibenförmigen Bauteilen gut auf Abbrand erfolgen, stabförmige Bauteile lassen sich, falls notwendig, nicht brennbar ummanteln.

E4 Angaben zum Materialkonzept

Die rohe, archaische Sockelwand in Sichtbeton verleiht dem Gebäude eine urbane Robustheit, welche in den Obergeschossen in der Verkleidung aus feuerverzinktem Stahlblech eine Fortsetzung und Variation findet. Die Feinheit der dahinter liegenden Glasfassade kontrastiert diese Rohbauästhetik und veredelt dadurch das Gebäude im oben beschriebenen Sinne.

Analog verhält es sich auf der Rückseite, wo der rohen Beton der Terrassendecks und des Aufzugsschachtes auf die warmen Holzoberflächen der Wohnungen trifft. Die Pflanztröge auf den Terrassendecks und die Intensivbegrünung des Dachgartens auf dem Hinterhaus spielen als dritter Ton in den Akkord.

Im Innern bleiben die Brettsperrholzoberflächen der Wände und Decken sichtbar, lediglich in Bädern und Küchen wird ein weiterer Wandaufbau notwendig.

E5 Angaben zur Wirtschaftlichkeit in Errichtung und Betrieb

Eine einfache und schnelle Bauweise, die mit dem Rohbau bereits fertige Oberflächen aufweist spart Zeit und Kosten und bietet frühzeitig eine hohe Kostensicherheit . Das geringere Konstruktionsgewicht ermöglicht schlanke tragende Innenwände von 90 bis 120 mm und somit mehr vermietbare Fläche. Die Dämmwirkung der Holzkonstruktion ermöglicht eine hochdämmende Gebäudehülle mit geringeren Querschnitten und somit auch bei den Außenwänden einen Raumgewinn.

Der Low-Tech-Ansatz zusammen mit der Reduzierung des beheizten Gebäudevolumens und der günstige, wartungsarme Sonnenschutz sorgen für geringe Unterhaltskosten und ermöglichen die Investition in eine Glasfassade, die ein ansonsten preiswertes Gebäude zu einer gehobenen Adresse aufwertet

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf überzeugt durch eine klare Gliederung in zwei parallele Baukörper, eine fünfgeschossige Blockrandbebauung mit zwei Staffelgeschossen an der Staubörnchenstraße und einem zweigeschossigen Gebäuderiegel an der nördlichen Grundstücksgrenze.

Die Seiten zur Privatstraße im Osten sind in beiden Baukörpern als Brandwände ausgebildet. Verbunden sind die beiden Baukörper über einen geschosshohen Betonsockel, in den an der Privatstraße eine Tordurchfahrt zum Innenhof eingeschnitten ist. An der Staubörnchenstraße gibt es zwei ähnlich große Öffnungen, die eine Art Kolonnade zu den dahinterliegenden Praxisräumen bildet. Die segmentbogenartige Art der Öffnungen kann formal und funktional nicht vollständig überzeugen und sollte gegebenenfalls überdacht werden.

Als einziger Wettbewerbsbeitrag verzichtet der Entwurf auf eine großflächige Unterkellerung des Grundstücks zu Parkzwecken und bietet Parkplätze ebenerdig und wirtschaftlich im rückwärtigen Teil des Grundstücks an. Unterkellert ist nur wie im Vorgängerbau der Bereich des Vorderhauses an der Staubörnchenstraße der die Nebenräume aufnimmt.

Die Wohngrundrisse, die im 2. Obergeschoß des Vorderhauses beginnen, sind klar und offen organisiert. Die Schlaf- und Wohnbereiche orientieren sich zu einer Balkonzone nach Süden zum öffentlichen Straßenraum, die Ess- und Küchenbereiche über geschosshohe Verglasung zum Blockinnenraum und den gemeinschaftlich nutzbaren Freiflächen des offen vorgelagerten skulpturalen Treppenhauselementes.

Größe und Nutzbarkeit des Treppenhauses sowie die mögliche Integrierung des bisher im vorderen Baukörper untergebrachten Aufzugs sollte im Hinblick auf eine mögliche Umsetzung überarbeitet werden.

Eine Besonderheit ist die separate Lage des Gymnastikraumes der ersten Praxis an der zentralen Schnittstelle zwischen Straßenraum und Erschließung, der dadurch als Veranstaltungs- und Aufenthaltsraum der Bewohner genutzt werden könnte.

Insgesamt überzeugt der Entwurf durch eine entschiedene und klare Architektursprache und ein räumlich und funktional gut ausgearbeitetes Nutzungskonzept. Er besitzt die Fähigkeit, den schwierigen und heterogenen Ort räumlich aufzuladen und Impulse für weitere Entwicklungen des Standorts zu initiieren.