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Nichtoffener Wettbewerb | 05/2019

Der Schiefe Turm – Touristische Aufwertung im Bereich der Oberkirche in Bad Frankenhausen

Collage des Innenraums

Collage des Innenraums

Anerkennung

Preisgeld: 4.500 EUR

fischerarchitekten Partnerschaft

Architektur

silvia beretta kastner landscape architect

Landschaftsarchitektur

WSK Ingenieure GmbH

Tragwerksplanung

Erläuterungstext

Leitgedanken zum Gesamtkonzept

Ziel des Entwurfs ist die behutsame Einbindung der neuen Nutzung in das Gesamtensemble der Kirche
„Unserer Lieben Frauen am Berg“ und des „schiefen Turms“ von Bad Frankenhausen.
Der Neubau stellt sich in die Ruine und erhält den solitären Charakter der Kirchen-Anlage. Ein nahezu flaches Dach und Stegbauwerke unterstreichen die Schiefstellung des Turms und stärken ihn als Hauptattraktion des Ensembles.
Die Situation verlangt nach einer gezielten Setzung. Die Zugangsmöglichkeiten des Kirchenschiffs werden genutzt um die unterschiedlichen Besucherströme vor und in dem Gebäude zusammenzuführen.
Eine Struktur aus zwölf Stützen, 11,5 m hoch und im Abstand von 7,25 m gestellt, gliedert das Innere des Kirchenschiffs. Ein lang-gestreckter Baukörper fügt sich auf der Südseite des schiefen Turms in die Struktur ein. Er koppelt Veranstaltungsbereich und Turmbesichtigung. Zudem verbindet er sich über einen über die Schwedengasse gespannten Steg mit dem unmittelbaren Landschaftsraum - ein Panoramablick erweitert diese Erfahrung.
Der Entwurf stellt einen atmosphärisch dichten, flexiblen und einladenden Gebäudekomplex dar. Das vielschichtige Erleben von Kultur, Geschichte und Naturraum wird ermöglicht.

Architektur

Ankunft
Den Besuchern des schiefen Turms bieten sich diverse Möglichkeiten der Durchwegung des Ensembles. Gäste, die sich von Osten aus über den ehemaligen Pest-Friedhof nähern haben in den neu gestalteten Staudenhängen die Wahl - Ihr Weg führt entweder über einen direkt in das 2. Obergeschoss des Besucherinformationszentrums leitenden Steg oder über einen niedriger gelegenen Steg, der die historische Stadtmauer überquert, erlebbar macht und auf den neuen Kirchhof führt.
Von Westen aus führt der Weg über die Stadtpassage an die sich eine Raumfolge bis zum Kirchhof hin anschließt. Abzweigungen ermöglichen den Zugang zum Künstlereingang und auf die öffentliche Straße. Die ehemalige Allee wird zu einem grünen Tunnel. Die barrierefreie Zuwegung ist in allen Fällen gewährleistet.
Erschließung
Das Ensemble kann über insgesamt fünf Zugänge betreten werden. Von diesen sind der Eingang über den Kirchhof und der im 2. Obergeschoss gelegene Zugang über den Steg als Hauptzugänge zu definieren. Der Künstlereingang durch das ehemalige Kirchenportal und der Haustechnik-Zugang an der Nordost-Ecke des neuen Baukörpers sind als Nebeneingänge, bzw. optionale Eingänge zu werten.

Turmbesichtigung
Die Turmbesichtigung findet ihren Auftakt in einem im 2. Obergeschoss gelegenen Foyer. Sowohl die aus Osten kommenden Gäste als auch die über den Kirchhof eingetretenen Personen versammeln sich hier. Die Kasse und der Souvenir-Shop sind räumlich integriert.
Den von unten kommenden Besuchern eröffnet sich nach dem Austritt aus dem Aufzug ein Blick durch ein historisches Kirchenfenster hindurch über Bad Frankenhausen. Den von Osten kommenden Besuchern wird der Ausblick vom Steg aus gewährt. Eine Brücke durchdringt in ca. 6 m Höhe die Turm-Mauer und führt beide Besucherströme in das historische Turmbauwerk.

Veranstaltungen
Der Großteil des Kirchen-Inneren wird zu einer flexiblen Veranstaltungsfläche. Raumhohe Vorhänge, die an die Stützen- und Trägerstruktur angebracht werden, dienen nicht nur der Akustik sondern ermöglichen vielseitige Nutzungen - von Kammerkonzerten über Bankette oder Trauungen bis hin zum Experimentaltheater, immer vor der Kulisse der historischen Mauern. Großzügige Oberlichter schaffen eine helle, freundliche Atmosphäre.
Der Baukörper des Besucherinformationszentrums nimmt die Nebenfunktionen der Veranstaltung im Erdgeschoss sowie 1. Obergeschoss auf. Der Regieraum hat von dort aus direkten Blick über die Veranstaltungsfläche. Der Seminarraum im 2. Obergeschoss kann einstweilen als zusätzlicher Oberrang zugeschaltet werden.
Der Aufzug im Gebäude-Inneren ermöglicht den Personen- und Lastentransport. Eine angehängte Treppe bildet Abkürzungen und stellt den Rettungsweg dar. Sowohl das Erdgeschoss als auch das 2. Obergeschoss können direkt ins Freie entfluchtet werden.

Umgang mit dem Bestand
Die Ost-Wand des Kirchenschiffs wird abgetragen, eine neue Fassade macht das neue Besucherinformationszentrum nach außen hin sichtbar. Die Fußbodenebene wird größtenteils auf ein Niveau eingeebnet. Der Veranstaltungsraum liegt auf Höhe des historischen Kirchenraums, das Besucherinformationszentrum ca. 1 Stufe höher auf dem Niveau der bestehenden Turmumfriedung. Die Kirchenmauern werden überall von Efeu befreit und an brüchigen Stellen geschützt. Die archäologischen Fundstücke können in ein Bodenrelief integriert werden, unter dem auskragenden Dachflächen auf dem Kirchhof oder in den neu geschaffenen Freianlagen aufgestellt werden.

Freiraum
Die Freiraumgestaltung verfolgt ein duales Konzept. Der östliche Teil des Wettbewerbsgebiets sieht eine stark landschaftlich geprägte Gestaltung vor, der westliche Teil wirkt wie eine städtischere Parkanlage und stärkt auch das interne Wegenetz. Im wiederbelebten Kirchhof vereinigen sich die Konzepte. Die Architektur des neuen Besucherinformationszentrums bildet mittels seiner Stege die Schwelle dieser beiden Grünräume. Eine sehr breite Hecke säumt das Grundstück.
Durch den weitgehenden Erhalt des Baumbestandes auf dem Wettbewerbsgebiet sowie einer sensiblen Landschaftsgestaltung wird die Situation eines Gebäudes im Grünen gestärkt. Mit der Neuordnung werden verschiedenartige öffentliche Flächen geschaffen, die anregen und inspirieren. Räume, die anziehen und Identität stiften.
Die geforderten Parkplätze werden entlang der Straße realisiert. Insgesamt finden sich 8+2(barrierefrei) = 10 Stellplätze. Taschen in den Hecken bieten Raum für ca. 30 Mülltonnen.

Materialität und Konstruktion
Im Innenraum wirkt der Kontrast. Leichte Konstruktionen stellen sich den massiven Mauern der historischen Bebauung entgegen. Es dominiert Stahl und Glas. Helle Töne und glatte Oberflächen schaffen zusammen mit den bestehenden Kirchenmauern ein kontrastierendes Raumgefüge. Spiegelnde, dunkle Oberflächen bilden den Bestand ab und wirken zusammen mit flexiblen Vorhängen als Raumabschluss des Veranstaltungsraums.
Die Dachkonstruktion nimmt sich Aspekte der Turmspitze zum Motiv. Das dunkle, schwach geneigte Walmdach, das die unterste Fläche der Spitze bildetw wird zum Vorbild. Viele kleine Dachneigungen ermöglichen eine zweckgemäße Entwässerung der Dachflächen ohne die horizontale Wirkung der Dachkante zu konterkarieren. Gevoutete Träger lassen geringe Dimensionierungen zu und erzeugen im Innenraum spürbar räumliche Gliederungen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Den Verfassern gelingt es, die geforderten Funktionsbereiche in die historische Baustruktur einzuordnen. Die Kirchenruine wird mit einer Flachdachkonstruktion aus Stützen und Trägerrost überstellt. Für die äußere Gestalt entsteht dadurch eine prägnante Figur aus historischen Wänden und abstrakter horizontaler Dachkante. Die originale Bausubstanz bleibt präsent und im Wesentlichen unbeeinträchtigt.

Ein eingestellter Baukörper bietet die gewünschten funktionellen Bausteine als Kasse, kleiner Saal und weiteren Bereichen. Diese Überlagerung aus Konstruktion und Nutzungsanforderungen führt jedoch innenräumlich auch zu einer nicht eindeutigen Situation. 9 Positiv ist festzustellen, dass große Teile des Innenraumes für verschiedene Nutzungen flexibel bespielt werden können.

Die Dachkonstruktion mit den großen Stützlängen lässt einen deutlich erhöhten Aufwand in der Herstellung erwarten.

Die Qualitäten des Freiraumes werden in ihrem besonderen Charakter erkannt und weiter ausdifferenziert, das Wegesystem folgt erkennbaren Hierarchien. Jedoch wirkt die Disposition des nördlichen Vorplatzes relativ monumental.

Insgesamt wird die Arbeit zwar der Aufgabenstellung gerecht, es gelingt ihr jedoch trotz des großen konstruktiven Aufwandes nicht vollständig, eine selbstverständliche, für den Ort angemessene Lösung zu entwickeln.
Lageplan

Lageplan

Wettbewerbsplan 1/3

Wettbewerbsplan 1/3

Wettbewerbsplan 2/3

Wettbewerbsplan 2/3

Wettbewerbsplan 3/3

Wettbewerbsplan 3/3

Ansicht Süd

Ansicht Süd

Querschnitt

Querschnitt