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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2019

Neubau des Rathauses mit Platzgestaltung in Waldstetten

1. Preis

Preisgeld: 30.000 EUR

Drei Architekten

Architektur

BHM Planungsgesellschaft mbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Idee

Ziel des Entwurfs ist ein moderner und ortsprägender Baustein. Der Rathausneubau setzt sich aus zwei aneinandergereihten Giebelhäusern zusammen. Dadurch wird eine Maßstäblichkeit und ein passender Umgang mit der Umgebungsbebauung erreicht. Das geforderte Raumprogramm wird sinnfällig auf zwei Gebäude verteilt: die Rathausnutzung im Neubau und die Polizeistation Waldstetten im Gebäude des ehemaligen Jugendhauses. Durch die gewählte Stellung des Neubaus entsteht zwischen Rathaus, Polizei und Brennerei der neue Rathausplatz.

Funktion

Über den Rathausplatz betritt man von Osten kommend das Foyer des Neubaus. Von hier aus gelangt man direkt zum Bürgerbüro und in den ans Foyer angeschlossenen Bürgersaal. Dieser liegt gut sichtbar an der Hauptstraße um die Offenheit und Transparenz des Rathauses auch nach Außen zu zeigen. Bei Veranstaltungen auf dem Rathausplatz kann sowohl das Foyer als auch der Bürgersaal zum Platz hin geöffnet werden. Die beiden oberen Büro- und Verwaltungsgeschosse erreicht man über die großzügige Treppenanlage. Die Büros sind so angeordnet, dass die Nutzer entweder zur St. Laurentius Kirche oder Richtung Süden in den Landschaftsraum blicken. Die offenen und einladenden Wartebereiche an der Ostfassade bieten spannende Ausblicke zum darunterliegenden Rathausplatz. Die beiden Dachgeschosse werden für Archiv-, Lager- und Technikflächen genutzt. Die Tiefgarage mit 30 PKW Stellplätzen und einem Fahrradabstellraum nutzt die vorhandene Grundstücksfläche aus. Das bestehende Jugendhaus wird entkernt, Richtung Hauptstraße verlängert und dann die neue Polizeistation Waldstetten beheimaten.

Materialien und Konstruktion

Der Rathausneubau wird mit einfachen, der Aufgabe und dem umgebenden Kontext angemessenen Materialien umgesetzt. Die Fassade und das Dach werden in ein Material gekleidet, um den solitären und repräsentativen Charakter des Hauses zu stärken. Die Fassade der Polizeistation bekommt eine strukturierte Putzfassade. Der Neubau wird in Massivbauweise errichtet. Die Decken sind mit üblichen Spannweiten als wirtschaftliche Stahlbetonflachdecken geplant. Dies bewirkt eine maximierte lichte Geschosshöhe und unterstützt die kollisionsfreie Führung notwendiger Installationselemente. Trennwände werden möglichst als flexible, statisch nichttragende Wände ausgeführt. Die Aussteifung des Gebäudes gegen horizontale Lasten wie Wind und Gebäudeschiefstellung wird durch die Außenwände sowie die Wandscheiben der Treppenhäuser sichergestellt.

Energie und Technik

Passivhaus-Standard und Energieeffizienz
Der Neubau wird als Passiv-Haus konzipiert. Der hohe Energiestandard wird u.a. durch folgende Maßnahmen erreicht:
- kompakte Gebäudehülle
- optimierter Wärmeschutz der Gebäudehülle und moderate Verglasungsanteile
- sehr gute Tageslichtversorgung, sparsame Beleuchtungsleistung und Geräteausstattung
- Fensterlüftung während der Übergangsmonate
- Warmwasserversorgung nur in gezielt ausgewählten Zonen

Raumklima

Der massive Baukörper bildet die optimale Grundlage für ein angenehmes sommerliches Raumklima. Es werden ausschließlich passive Maßnahmen zum sommerlichen Wärmeschutz eingesetzt: - außenliegende Verschattung, fassadenweise und strahlungsabhängig gesteuert
- natürliche Nachtlüftung über regen- und einbruchsichere Öffnungen in Fassaden und Dach, über die der Baukörper mit hohen Luftwechselraten über Nacht auskühlen kann
- Zuluftkühlung in Bereichen, in denen hohe interne Wärmelasten zu erwarten sind (Bürgersaal, Bürgerbüro)
- Betonkernaktivierung ist optional möglich, wo rechnerisch sinnvoll und technisch geeignet

Freiraumkonzept

Der neue Rathausplatz als Platzlandschaft
Das stadträumliche Konzept verfolgt eine „landschaftliche“ Platzverbindung, die das Waldstetter Bachtal vom Malzeviller Platz über den neuen Rathausplatz bis zum Waldstetter Bach und Stoffelbach im Süden des Ortes führt. Zentrale Elemente sind lockere Baumhaine, ein kleiner „Bachlauf“ mit Brunnen und der durchgehende Platzboden, der sich vom Platzeingang unterhalb der Kirche über die Straße bis zum Anfang der Bachverdolung aufspannt. Der Hang zur Kirche bleibt wegen seiner steilen Böschung und dem Vegetationsbestand weitgehend unangetastet. Lediglich am Fuß der Rampe wird die Stützmauer weiter in den Hang verlegt, um entlang der Hauptstraße Platz für Stellplätze und einen Fußweg zu schaffen. Die Stellplätze sind hauptsächlich auf der Nordseite im lockeren Hain verteilt. Dadurch präsentiert sich das neue Rathaus im Süden frei auf einem offenen, fahrzeugfreien Platz platziert. Dieser ist durch Rathaus und Polizeigebäude gefasst und kann gut für Veranstaltungen genutzt werden. Gebäudestellung und der Platz schaffen eine stadträumliche Öffnung in die bestehende Bachlandschaft. Diese landschaftliche Öffnung wird durch einen künstlichen Bachlauf betont, der von Süden auf die Platzfläche weiterführt und zentral auf dem Platz in eine Brunnenanlage mündet. Ohne problematische Öffnung der Bachverdolung bildet der Bachlauf den Waldstetter Bach oben auf dem Platz ab. Das Wasser ist so zum Rathaus auf dem Platz bodeneben und kann wirken. Die niedrige Aufkantung nach Osten ermöglicht es, das Wasser über zwei Seiten fallen zu lassen und so einen attraktiven Blickpunkt auf dem Platz zu schaffen. So wird das Thema Waldstetter Bach in der dritten Dimension erlebbar. Bachlauf und blaue Ablaufkante akzentuieren den Platz und schaffen eine subtile Zonierung an der Ostseite des Platzes – auch für die Zufahrt des Nachbarn. Zwei kleine Brücken spielen mit dem Bachthema und vernähen beide Seiten des Wasserlaufes. Die Verbindung zum Waldstetter Bach wird auch durch wenige Bäume betont, die das Wasser begleiten und schattige Sitzplätze bieten. Das Wasser für den Bachlauf wird im Umlaufsystem betrieben. Die Wassertechnik sitzt im Untergeschoss des Rathauses. Am Auslauf im Süden sorgt ein vorgeschalteter Pflanzenfilter für sauberes Wasser.

Materialität:
Der durchgehende Platzboden wird durch einheitliche Pflasterung erreicht, die in beige-grauer Farbe gehalten ist. Mit ihrer Farbgebung und der hochwertigen Oberflächenbearbeitung wird die Materialität der Rathausfassade aufgenommen und ergänzt. Nördlich der Hauptstraße und an allen Fußwegen wird die Pflasterung als richtungsloser Ellenbogenverband ausgeführt. Auf der Platzsüdseite sind Platten mit größeren Formaten als Bänder, jedoch in gleicher Farbe und Oberflächenbehandlung wie auf der Nordseite vorgesehen. Die Verknüpfung der Platzflächen über die Fahrbahn erfolgt durch einen farblich passenden Farbasphaltbelag. Für die Aufkantung des Bachlaufes und des Brunnens, die Brücken und Stufen sowie Sitzelemente werden hochwertige Kalksteinblöcke vorgeschlagen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Beitrag basiert städtebaulich auf einer präzisen Analyse des Ortes. Die neue Ortsmitte Waldstettens wird dabei ganzheitlich betrachtet und behandelt. Nördlich der Hauptstraße wird der Freiraum neu geordnet und dabei zwischen verkehrsfreien Zonen und konzentrierte PKW-Parkplätzen in direktem Anschluß an die Hauptstraße differenziert. Allerdings müsste für die Unterbringung der äußeren westlichen Stellplätze in den Hang des Kirchbergs eingegriffen werden. Dabei stört die Dichte der Bäume den räumlichen wie visuellen Bezug zur Laurentiuskirche. Auch der nötige Flächenbedarf für das Festzelt ist zu berücksichtigen.

Der neue Rathausplatz öffnet sich großzügig und öffentlichkeitswirksam zur Hauptstraße, der „Hauptschlagader“ der Gemeinde. Der Platz wird vom neuen Rathaus im Westen, dem ehemaligen Jugendhaus im Osten und der Brennerei im Süden gefasst. Ein raffinert gestalteter Wasserlauf erinnert an den Verlauf des Waldstetter Baches, der verdolt im Untergrund verläuft. Die Bushaltestelle ist geschickt vor dem Rathaus untergebracht, wo der Kasseler Bord störungsfrei realisierbar ist.

Der Rathausneubau ist stadträumlich aus zwei aneinandergesetzten Giebelhäusern zusammengesetzt. Das integriert die Kubatur der Architektur wohltuend in sein Umfeld und bleibt dabei selbstbewusst und markant. Die Architektursprache ist der Bedeutung eines Rathauses angemessen. Dabei ist es von besonderer Bedeutung, dass der Neubau mit seinen attraktiven Nutzungen, wie Bürgersaaal und Bürgerbüro im Erdgeschoss für die nötige Bürgernähe sorgt und damit architektonisch die richtigen gestalterischen Akzente setzt. So ist der Bürgersaal an der Ecke zur Hauptstraße und dem neuen Platz positioniert, was sich konsequenterweise in den Fassaden abzeichnet.

Der Haupteingang ist barrierefrei über dem neuen Platz erschlossen. Des Foyer erschließt sinnfälligerweise den Bürgersaal und das Bürgerbüro. Hier findet man orientierungsfreundlich auch das Haupttreppenhaus, von dem aus alle Geschoße erreichbar sind. Allerdings fehlt hier aus brandschutztechnischer Hinsicht der direkte Anschluss ins Freie, die für die Funktionalität des Baus unverzichtbar wäre. Das Bürgerbüro ist hier ebenso gut positioniert. Der Weg zum zweiten Treppenhaus sollte hier allerdings ohne eine Durchquerung des Bürgerbüros möglich sein.

Der Versuch einen durchgängigen Luftraum über alle Geschoße herzustellen ist zwar nachvollziehbar, aber hier leider nicht gelungen. Auf die schmale Öffnung über dem Foyer könnte nach Ansicht des Preisgerichtes verzichtet werden, zumal die damit einhergehende brandschutztechnische Themen den Bau ehr verkomplizieren würden.

Die Büroebenen in den Obergeschossen sowie die Tiefgarage sind orientierungsfreundlich und sinnfällig organisiert.

Die Polizeistation befindet sich in dem ehemaligen Jugendhaus, das nach Norden erweitert wird. Das ist auch empfehlenswert. Allerdings muss für die nördliche Erweiterung auch der nötige Abstand zum Nachbargrundstück nach Osten eingehalten werden.

Die Fassaden des Rathausneubaus entsprechen der schlichten Baukörpergestaltung. Sie setzen die richtigen Akzente in den entsprechenden Richtungen. So öffnet sich der Bürgersaal, das Foyer und das Bürgerbüro im Erdgeschoß mit einer raumhohen Verglasung zur Hauptstraße und zum Rathausplatz, während die Büroräume in den Obergeschoßen mit einer ruhigen Komposition von stehenden Fenstern dem Bau die nötige Souveränität verleihen, die der Bedeutung eines Rathauses Rechnung trägt. Der Bau wird dabei mit einer vorgehängten Natursteinfassade über Wände und Dächern gleichermaßen verkleidet, wodurch er einen monolithischen Ausdruck verliehen bekommt.

Der Entwurf liegt bei den wirtschaftlichen Kenndaten im oberen Bereich.

Der Beitrag schafft es sowohl stadträumlich, gestalterisch sowie landschaftsplanerisch zu begeistern.
Visualisierung

Visualisierung

Lageplan
M. 1:500

Lageplan M. 1:500

Grundriss
M. 1:200

Grundriss M. 1:200

Schnitt Platzbereich
M. 1:50

Schnitt Platzbereich M. 1:50

Detailausschnitt Platzbereich
M. 1:50

Detailausschnitt Platzbereich M. 1:50