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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2008

Rathauspassage / Georgswall

Anerkennung

100Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Büro für Architektur und Städtebau

Architektur

Erläuterungstext

Situation

Als Bestandteil des Sanierungsgebietes Historische Altstadt Aurich soll der Bereich des Georgswalls und die hier querenden strukturellen Nord-Südverbindungen neu geordnet werden. Im Bestand stellt sich die Situation als heterogenes Anschlussgebiet am Rande der Altstadt ohne eine eindeutige stadttypologische Ausprägung dar. Die sich stark auf die historischen kernstädtischen Straßenräume orientierenden Parzellen nördlich des Georgswalls präsentieren sich zum Wall hin als Rückseite mit punktuellen, ungeordneten Erschließungssituationen. Der gesamte Wallbereich ist räumlich gebrochen und derzeit stark durch PKW-Stellplätze geprägt. Der Bereich zwischen südlichem Georgswall und Fischteichweg ist durch eine historische und bautypologisch heterogene Ansiedelung von überwiegend öffentlichen und sozialen Einzelbauten geprägt. Auch hier überwiegen strukturell improvisierte Querungsmöglichkeiten.


Konzept

Wir schlagen eine Neuordnung der Struktur vor. Der Georgswall liegt bei dieser Neuordnung im Mittelpunkt. Dabei rückt der gesamtstädtische Zusammenhang des Georgswall als Teil der historischen Wallstruktur in den Vordergrund. Durch die Freistellung des Raums erfährt der Georgswall eine Aufwertung als innerstädtischer Grünraum. Der lineare Freiraum der Wallanlage ist in der städtebauliche Hierarchie essentiell; urch die bauliche Definition der nördlichen Kante erhält er eine räumliche Fassung. Die Neugestaltung der nördlichen Lindenallee als Promenade (mit nach geordnetem Anliegerverkehr), sowie die Neudefinition der südlichen Georgswallstraße als Fuß und Radweg unterstreichen die innerstädtische Bedeutung.
Andererseits liegt der Georgswallauch im Mittelpunkt von systematisch neu gestalteten –- Nord-Süd-Verbindungen zwischen Altstadt und Carolinenhof. Diese Verbindungen weisen jeweils mehrere Sequenzen auf, linear, aber mit eindeutigen Wechseln im Raumcharakter.
Zwischen den vorhandenen kommerziellen Schwerpunkten Altstadt mit Marktplatz und Carolinenhof werden drei Bereiche definiert, welche sich strukturell und atmophärisch unterscheiden. Im Einzelnen sind dies: der neugegliederte Blockinnenraum der südlichen Altstadt mit seinen Passagen, Höfen und Gärten, der lineare Grünraum des Georgswalls und der südlich anschliessenden, direkt angebundene Streifen mit seiner Konzentration von solitären öffentlichen Gebäuden.


Entwurf

a) Passagen

In den letzten Jahren wurden Ansätze von öffentlichen Durchquerungen zwischen Georgswall und geschaffen, deren Systematik und Typologie es zu schärfen und erweitern gilt.
Wir schlagen vor, die Passagen als Durchgänge durch den Altstadtkörper systematisch mit Ziegelmauern zu fassen: einerseits als orientierendes Kennzeichen, andererseits, um die diversen Nutzungsqualitäten der entstehenden Innenbereiche zu fassen und zu stärken. Sich wiederholende Nischen können als Zugänge und Einblicke in Höfe oder Gärten genutzt oder mit Vitrinen/Schaufenstern bespielt werden. Trotz der erhöhten öffentlichen Durchwegung kann so der ehemaligen Garten- und Hofcharakter wiederhergestellt werden, oder aber eine individuelle, parzellenorientierte Nutzung des Außenraums erfolgen. Eine spätere Nachverdichtung der Blockinnenräume ist denkbar. Die Mauern verbinden auch die neue südliche Stadtkante mit der Baustruktur an der Fußgängerzone. Die kommerzielle Akzentuierung soll überwiegend am jeweiligen Ende erfolgen und somit auch der Aktivierung der neuen Promenade dienen.

b) Promenade

In den letzten Jahren wurden durch erste Passagen öffentliche Verbindungen zum Georgswall geschaffen. Die ehemalige Gartenseite präsentiert sich jedoch nach wie vor als offene Baustruktur und undefinierte Rückseite. Wir schlagen vor, hier eine neue Stadtkante zu definieren. Eine eng stehende rhythmisch zusammenhängende Punktbebauung definiert eine klare Linie. Ein großzügiger, breiter Gehweg mit einer durchgehenden Lindenreihe ergänzt die bestehenden Linden auf dem Georgswall zur Lindenpromenade und dient als eine Art offenes Entrée vor der Altstadt. Die Einzelbebauung soll für gemischte Nutzungen, überwiegend zum Wohnen erstellt werden. Punktuell an den Zugängen der Passagen ist eine Signal gebende, öffentliche, kommerzielle Nutzung vorgesehen. Die systematische Definition der Stadtkante bei gleichzeitigem Belassen der Öffnungen ermöglicht Zugänge in das Quartierinnere und zu dem neu zu schaffenden System an Querungen: den Auricher Passagen. Die Lindenpromenade verbindet die Passagen untereinander, und schliesst an ihren Enden nahtlos an die Altstadt an (Osterstrasse und Hafenstrasse). Die Passagen sind individuell nur über (halb)private Höfe oder Gärten miteinander verbunden.

c) öffentlicher Park

Die Freiflächen des Georgswalls werden als Teil einer übergeordneten urbanen Struktur verstanden, in welcher, um die Altstadt herum, einzelne Bauten mit überwiegend öffentlicher Funktion solitär in einem parkartigen Grünbereich stehen. Dieser Charakter soll auch für das Planungsgebiet gestärkt werden. Das netzartige Wegesystem mit ergänzenden Querungen – Gänge - zwischen Georgswall und Fischteichweg soll in einem zusammenhängenden Belag ausgeführt werden. Die Südseite des Georgswalls soll in seiner linearen Kontinuität wieder gestärkt werden: In der Breite des vorhandenen Straßenprofils wird hier ein insbesondere für Fußgänger und Radfahrer durchgängiger Wegebereich geschaffen. Dieser führt direkt unter dem Ratssaal des Rathauses hindurch und gibt diesem – ohne die derzeitigen Einbauten im Erdgeschoss nun in den gesamten Park ragend – eine pavillonartige Funktion. Die entstehenden Plätze vor der Ostfriesischen Landschaft, vor der Kirche, und um das Rathaus herum betonen innerhalb des Parks jeweils diese wichtigen Institutionen.
Einzelne Maßnahmen: Landschaftsarchitektur


Georgswall

Der Georgswall in seiner Funktion als Freiraum wird topographisch geformt und als leichte Mulde ausgeführt. Dieses ermöglicht einerseits die Entwässerung der angrenzenden Wegebereiche, vor allem jedoch exponiert es die den Wall querenden Wegeverbindungen bis zu einer maximalen Höhe von etwa 60cm. Die seitlich mit Ziegelmauerwerk gefassten Wege rhythmisieren somit die Länge des Georgswalls, akzentuieren die Querungsmöglichkeiten, verweisen als Andeutung einer Brückengeste auf die historische Wall/Graben Situation – und dienen punktuell für das informelle Sitzen im Park. Entlang der inneren Lindenreihe dient ein breiter, mit wassergebundener Decke belegter Streifen als Aufenthaltschwerpunkt des Parks – die Wallpromenade. Südexponiert sind hier Bänke aufgestellt und der Streifen mit Leuchtstelen rhythmisiert.


Rathausplatz

Das Rathaus wird nach allen Seiten freigestellt und ein homogener Platzbelag (heller Asphalt)
nahtlos bis an die Erdgeschossebene des Rathauses geführt. Wenige, strategisch positionierte Baumgruppen sind in der Platzfläche angeordnet. Auch zum Fischteichweg hin präsentiert sich das Rathaus neu. Die Erschließung hier wird auf wenige Besucherstellplätze und eine auf der Platzfläche angebrachte Vorfahrtsituation zurückgebaut. Nur im östlichen Teil des Rathauses bleibt die vorhandene, fassadenbegleitende Treppenabstufung erhalten. Der geöffnete Durchgang durch das Rathaus unterstützt die zentrale Neuverbindung zwischen Gebäude und Platz. Gleichzeitig wird die gewünschte Durchlässigkeit vom Georgswall zum Carolinenhof unterstützt. Der Rathausplatz wird als offener Platz zu einem Veranstaltungsort. Eine fast den gesamten Platz begleitende Sitzbank mit einer Eibenhecke gibt dem Platz vom Rand her eine ergänzende Fassung und dient als Identität gebendes Element.


Platz vor dem Carolinenhof

Der Platz vor dem Carolinenhof wird in seiner Funktion als Bewegungsraum belassen. Der Vorplatzcharakter über die gesamte Breite und seine Funktion der Querverteilung der Besucherströme wird mit einer schlichten , aber hohen (9,0m) Reihe von Leuchtstelen betont, die die Länge des Vorplatzes betonen und die Gebäudehöhe vermitteln. Der Fischteichweg wird mit mehreren Querungen im Bereich der Gänge und an beiden Enden des Rathausplatzes markiert. Eine Anhöhung der Fahrbahn im Bereich des Rathausplatzes verdeutlicht großflächig die fussgängige Priorität für Fußgänger.


Hafenplatz

Das westliche Ende des Georgswalls soll als großzügige Platzfläche wieder eine deutliche Verteilerfunktion erhalten. Die Erschließung der nördlichen Hafenstrasse, die Zu- und Abfahrt zum Parken am Hafenplatz, der (einspurige) Anliegerzugang zum Georgswall und der Ostwestverkehr für Radfahrer werden hier gemeinsam über eine Platzfläche geführt. Das historisch prägnante Pingelhus und die Ostfriesische Landschaft erhalten eine repräsentative Fläche, die bezugnehmened auf die Geschchte mit Wasserelementen – einem Becken an der Fassade des Pingelhuses und einem dreiteiligen, zentimetertiefen Wasserspiegel vor der Landschaft. Ein abgeschlossener, ruhiger Bereich neben dem Platz wird als Spielplatz ausgebaut.


Materialisierung und Möblierung

Eine einheitliche und zurückhaltende Möblierung und Materialisierung dient der Stärkung der übergeordneten stadträumlichen Zusammenhänge. Jeweils ein Typus an Mobiliar wird eingesetzt. Die Bodenbeläge orientieren sich nördlich des Georgswalls als Pflasterbelag am Bestand in der Altstadt, südlich der Lindenpromenade soll, auf Wegen und Plätzen zusammenhängend ein feiner Belag, zum Beispiel ein heller Asphalt eingesetzt werden.
Einzelne Maßnahmen: Städtebau und Architektur


Passagen

Die hier vorgeschlagenen Mauern 3,60 Meter hohen aus Ziegelmauerwerk erhalten eine architektonische Ausprägung und sollen so als Teil der neuen Stadtkante gelesen werden. Die tragende Idee ist dabei die einer lebendigen Wand. Dies äußert sich einerseits in dem charaktervollen Material des Ziegels, aber auch in einer Bespielung von angelegten Nischen Vitrinen oder Schaufenstern oder durch Zugänge zu Höfen, Gärten oder Tiefgaragen. Dies beihaltet auch die Geste der Transformation.


Städtebauliche Typologie

Die neue südliche Altstadtkante wird durch eine Reihe unterschiedlich großer dreigeschossiger Baukörper definiert. Durch die enge Stellung der Baukörper zueinander definiert sich eine klare Kante, die einerseits die stadttypologische Reihung von Einzelhäusern auf nimmt, aufgrund einer geringeren Baukörpertiefe aber attraktiven Wohnraum in der Stadt schafft. Die Fugen gewähren Einblicke in Gärten und ermöglichen teilweise Zufahrten zu den Höfen. Um einen Kohärenz zwischen den Mauern der Passagen und den Gebäuden zu erzeugen ist die Materialität identisch.
Typologisch schlagen wir abhängig von Lage und Größe der einzelnen Gebäude Stadthäuser mit Wohnungen über drei Etagen und privatem Grün vor, oder Geschoßwohnungen mit Gewerbe im Erdgeschoß. Der Zugang zu der neu gestalteten Rathauspassage nimmt in dieser Reihung eine besondere Situation ein. Der Baukörper zwischen den beiden Passagenzugängen springt Erdgeschoss zurück, so dass räumlich ein großzügiger Zugang entsteht. Gleichzeitig ergibt sich so ein überdachter Außenbereich, der sich an dieser Stelle insbesondere für ein Café eignet.


Rathaus

Der neue Durchgang durch das bestehende Rathaus unterstützt die Freistellung des Gebäudes auf dem neu geschaffenen Rathausplatz. Durch diesen Eingriff eine großzügige Zugangssituation ermöglicht. Darüber hinaus entstehen im Erdgeschoß vom Rathausbetrieb abgekoppelte Flächen, die sich auf Grund ihrer exponierten Lage als städtische Galerie oder öffentlicher Veranstaltungsraum eignen und ihren Beitrag zur punktuellen Akzentuierung der Nord-Südverbindungen leisten..


Verkehr und Erschliessung

Der Verkehr über den Georgswall wird im Süden gänzlich geschlossen (bis auf die Anlieferung der Anlieger). Der Nördliche Georgswall wird einspurig als Anlieger und Erschließungsstrasse im gemischten Verkehr mit den querenden Fußgängern ausgeführt. Der Besucherparkverkehr wird an beiden Enden mit großflächigen Parkmöglichkeiten (z.B. einer Tiefgarage und einem oberirdischen Parken) abgefangen. Das Quartier an der Lindenpromenade erhält ggf. dennoch punktuelle Anliefer- und Parkmöglichkeiten für Anlieger in einzelnen Höfen.


Ergänzendes

Der Rathausplatz kann mit der Ausrichtung eines Wochenmarktes eine attraktive Funktionsmehrung erfahren. Gleichzeitig werden hier funktionelle und räumliche Synergien mit dem Carolinenhof genutzt. Der zentrale Freiraum des Georgswalls sollte von regelmäßigen Veranstaltungen freigehalten werden, außergewöhnliche temporäre Nutzungen können ggf. die Rasenfläche kurzzeitig besetzen und von den seitlichen Wegflächen erschlossen werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Lohnen werden ausgehend von der Fußgängerzone spannungsvoll teils baulich, teils mauerbegleitet ergänzt. Auf eine Hierarchie zu Gunsten der Passage zum Carolinenhof wird der Idee folgend konsequent verzichtet. Durch das Wechselspiel aus Mauern und Bebauung lassen sich entlang der Passagen unterschiedlichen Nutzungen wie Büros und Wohnen realisieren.
Analog dazu wird an der Nordkante des Walles, die heutige Situation aufgreifend eine offene, gleichmäßige Baustruktur gewählt. Im Kontrast zu dieser kleinteiligen baulichen Ergänzungen zwischen Fußgängerzone und Georgswall steht der großzügig belassene Georgwall als zentrale öffentliche Grünfläche.
Zur Betonung der historischen Struktur und der ehemaligen Ausprägung als Graben werden die Nord-Südquerungen ausschließlich als schmale brückenartige Wege ausgebildet, die die Wegeführung der Passagen fortsetzen. Die skulpturale Ausbildung der Rasenflächen als diagonale Vertiefung übersetzt den ehemaligen Graben in eine neue, zu abstrakte Form.
Der Hafenplatz mit dem freigestellten Pingelhaus erscheint an dieser Stelle überdimensioniert. Der Hinweis auf das ehemalige Hafenbecken durch ein schmales vorgelagertes Wasserbecken ist in Lage, Größe und Proportion nicht nachvollziehbar, insbesondere im Verhältnis zu den vorgeschlagenen Wasserspiegeln vor dem Landschaftsgebäude.
Der Freistellung des Rathaussaals zu Gunsten einer durchgängigen Promenade ist nachvollziehbar.
Die Verbindung zum Carolinenhof entlang des Rathauses, begleitet von einer Hecke und Sitzbank ist vor dem Hintergrund der Grundidee konsequent weitergeführt.
Durch seine einfache Anlage und doch hohe Raffinesse ist der Entwurf gut geeignet für eine Stadtreparatur.