modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 12/2010

Studierendenwohnanlage "ENERCASE" auf dem Campusgelände der Universität Trier

3. Preis

Witry & Witry

Architektur

Ingenieurbüro Jürgen Klaus

Energieplanung

Erläuterungstext

Das Konzept des '[ener]case sui generis' verbindet optimale Energie-Effizienz in Form eines Niedrig-Energie-Hauses mit einer klaren, eigenständigen und dynamischen Formensprache, die aus den bestehenden, uneinheitlichen architektonischen Formen auf dem Universitäts-Campus hervorragt. Ökologie und nachhaltiger Umgang mit natürlichen Ressourcen bestimmen das Konzept und werden in eine zeitgenössische architektonische Formensprache umgesetzt. Die Synthese aus Design und Umweltbewusstsein manifestiert sich in Form und Materialität als einzigartige Architektur mit hoher Lebensqualität und Vorbildcharakter.
STÄDTEBAU + LANDSCHAFT
Das Gebäude gliedert sich als 3-geschossiger Riegel entlang einer Nord-Süd-Achse in Bezug auf die topographische Struktur und den örtlichen Windströmungen ein und bildet den neuen Schlussstein des Campus zu den bestehenden Wohnhöfen im Westen. Die Positionierung des Gebäudes am Hang in unmittelbarer Nähe des Campus berücksichtigt einen ökologischen Umgang des Baugrundes.
Mit einer Faltbewegung knickt der süd-östliche Teil im vorderen Bereich aus der Achse und wendet sich dem urbanen Leben der Universität zu, um in die neuen einzigartigen Gemeinschaftsräume zum Lesen, Leben und Lachen einzuladen.
Die Haupterschließung des enercase-Wohnheims knüpft vom zentralen Eingang im Süd-Osten an den kleinen Platz der benachbarten Studentenwohnanlage an und mündet in das bestehende Wegenetz des Universitätscampus.
Ausgehend von den vorhandenen Stellplätzen erfolgt die Erschließung des Grundstücks über einen Weg im Norden, der am überdachten Fahrradstellplatz vorbeiführt, am nord-östlichen Ende des Gebäudes in den Nebeneingang mündet und weiter zum zentralen Vorplatz und Haupteingang des enercase-Wohnheims verläuft.
Die umliegende Freifläche südlich des neuen Gebäudes wird mit Sitzmöbeln ausgestattet und dient als Erweiterung des Gemeinschaftsraums (BookCrossingCenter) in die Landschaft, die besonders in den wärmeren Jahreszeiten zum Treffen, Picknicken, Lesen, Lachen anziehen soll.

INNENRAUMGESTALTUNG
BookCrossingCenter&ChillZonen. Das enercase-Motto 'Leben.Lesen.Lachen' findet seinen Ausdruck vor allem in der Konzipierung des Innenraums. Der helle Gemeinschaftsraum, der die Funktion des 'BookCrossingCenters' erfüllt, ist über eine 3-geschossige Galerie mit den'ChillZonen' der zwei oberen Geschosse verbunden. Diese bieten den Bewohnern des '[ener]case sui generis' als Alternative zum Studentenzimmer eine Möglichkeit zum Zurückziehen, zum Lesen, zum Sonne tanken. 'BookCrossingCenter' und 'Chill.Zonen' bestechen durch Großzügigkeit und eine helle Atmosphäre, sind zum Süden hin verglast und bieten Nähe und Aussicht in die umgebende Naturlandschaft.
Der überdachte Eingangsbereich zum BookCrossingCenter entsteht durch eine weitere Faltbewegung, die in der Süd-Ansicht das charakteristische Profil der Gebäudeform generiert und die Funktion einer einladenden Geste erfüllt. Aus der Dynamik der Form entsteht hier auch zum Einen ein funktionales Element, das zur Verschattung der Gemeinschaftsbereiche dient, zum Anderen formiert die Faltbewegung als Erweiterung der Chillzonen in den Außenbereich Balkone.
58 Micro-Appartments. Die Erschließung zu den privaten Räumen erfolgt über einen überdachten, Sonnenlicht durchfluteten Innenhof, der durch die optimale Tageslichtnutzung zu einem Ort der Begegnung, einem temporären Aufenthaltsort wird, inspiriert an urbanen Gassen und Plätzen.
Die Individualräume sind als Micro-Appartments konzipiert und können durch ein Fenster zum Lichthof auch von Seiten des Gangs vom Tageslicht profitieren. Dieses Fenster kann außerdem als Vitrine für eine individuelle Gestaltung oder einfach als Ablage genutzt werden.

KENNZAHL 178081
Eine vorgefertigte Inneneinrichtung auf Rädern sowie der beidseitige Tageslichteinfall erlauben individuelle und flexible Gestaltung und Multifunktionalität der privaten Wohnfläche. Das Zimmer kann in verschiedene Zonen wie Kochnische, Empfangs-, Arbeits- und Rückzugsbereich geteilt werden.
Die Tiefe der Fassade bietet im Fensterbereich einen gemütlichen Platz mit Ausblick und Bezug zur Landschaft, zum Lesen und Tagträumen.
Die verwendeten Materialien sind im Sinne eines umweltbewussten Energie-Konzepts nachhaltig und Ressourcen schonend. Die Haptik natürlicher Werkstoffe wie Holz und helle Farbtöne verstärken die angestrebte freundliche Atmosphäre.
SOZIALES KONZEPT
Wireless. Die Assoziation des Studentenwohnheims als Ort der Begegnung, des Austausches und der Kommunikation wird durch modernste Kommunikationstechnologie unterstützt. Neben dem Wifi-Netz der Universität im gesamten Gebäude, wird ein BookCrossingWifi eingerichtet, das zum Einloggen und Anschauen digitaler Bücher genutzt werden kann. Das BookCrossingWifi wird mit einem Beleuchtungssystem verknüpft, das mit der Anzahl der eingeloggten User seinen Farbton verändert und auf den Campus hinaus signalisiert, wie die Frequenz der Gäste im BookCrossing aussieht.

ENERGIEKONZEPT+KONSTRUKTION UND MATERIALITÄT
Das Objekt soll die Anforderungen der EnEV 2009 um mindestens 30% unterschreiten. Um die Betriebskosten bei noch moderaten Investitionskosten dauerhaft niedrig zu halten, schlagen wir einen Maximalenergie-verbrauch von 30 kWh/m²a vor. Dafür muss die Gebäudehülle entsprechend gut gedämmt werden und das Objekt mit einer zentralen Lüftungsanlage und einer hocheffizienten Wärmerückgewinnung (>90%) ausgerüstet werden. Für die opaken Bauteile bedeutet dies U-Werte zwischen 0,12 und 0,20 W/m²K und die transparenten Bauteile U-Werte zwischen 0,72 und 0,80 W/m²K. Das Gebäude kann momentan nicht an die Fernwärme der Universität angeschlossen werden. Daher schlagen wir eine Beheizung durch eine Sole-Wasser-Wärmepumpe vor. Die Wärmeübergabe erfolgt mit maximal 35°C Vorlauf über Flächenheizkörper (Fußbodenheizung). Die Aufstellung der kompletten Haustechnik erfolgt auf dem Dach in dem sogenannten 'Spoiler' am Nordende des Objekts.
Es ergibt sich bei einer beheizten Fläche von 2093 m² ein Gesamtenergieverbrauch von circa 62790 kWh pro Jahr für die Beheizung. Dazu kommt dann noch die Warmwasserbereitung im Winter.
Der erdberührende Baukörper wird in Beton ausgeführt, die aufstrebenden Geschosse in Holzrahmenbau, die Außenhülle aus Holz gefertigt. Auf dem Dach wird ein Lichtband über dem Flurbereich ausgebildet und diese große Fläche natürlich belichten zu können. Dieses Band wird in zwei Ebenen ausgeführt um die erhitzte Luft im Zwischenraum abführen zu können ohne den darunterliegenden Flur zu stark zu erwärmen. Eine passive konstruktive Verschattung erfolgt durch das Aufbringen einer transparenten amorphen Photovoltaik. Das Dach wird großflächig mit aufgeständerter und komplett nach Süden ausgerichteter Photovoltaik belegt. Eine entsprechende Fläche Solarthermie für den Warmwasserbedarf des Hauses wird ebenfalls vorgesehen. Ein kleinerer Teil des Dachs wird begrünt.
Der sommerliche Wärmeschutz der großflächigen Verglasungen nach Süden in den Pufferzonen wird durch einen großen auskragenden Schirm erreicht. Er ist so ausgelegt, das kein direktes Sonnenlicht auf die Scheiben fällt.
Die Anlagenleistung der Photovoltaik-Anlage aus aufgeständerten, kristallinen Elementen beträgt bei einer maximal zu bestellenden Dachfläche von 450 m² etwa 42 kWp. Dazu kommt eine transluzente amorphe Photovoltaik-Anlage auf der Verglasung über dem Flur mit 120 m² Fläche. Hier können noch einmal circa 6 kWp angesetzt werden. Bei circa 991 kWh pro kWp ergibt sich insgesamt ein mittlerer Stromertrag von 47500 kWh pro Jahr. Da der Stromertrag bezogen auf kWh bei etwa zweidrittel der benötigten Heizenergie des Objekts liegt kann das Objekt mit der vorgeschlagenen Gebäudetechnik als CO2-neutral angesehen werden. Denn es wird mehr Strom produziert, als durch Wärmepumpe und Lüftungsanlage verbraucht wird. Dabei nicht eingerechnet ist der individuelle Stromverbrauch der Bewohner.
Das Konzept des '[ener]case sui generis' verschmilzt Design und Umweltbewusstsein und manifestiert sich in Form und Materialität als einzigartiges Gebäudes, das der Universität Trier Vorbildcharakter garantiert und den Studenten hohe Lebensqualität bietet.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau und Außengestaltung:
Der Grundgedanke, einen kompakten Riegel als Schlussstein des Campus zu platzieren ist nachvollziehbar. Die parallele Ausrichtung und spangenartige Anbindung an das vorhandene Wohngebäude ist jedoch nicht begründet, der Freiraum kaum behandelt.

Gestaltung:
Die gefaltete Kubatur öffnet sich im Erdgeschoss nach Osten - dort ist der Eingang folgerichtig angeordnet. Kritisch wird die aus der Faltung resultierende Ausbildung eines Rückens nach Westen zum Landschaftsraum gesehen, sowie die Ausbildung der erdgeschossigen Ostfassade, die nicht dem Konzept der Faltung entspricht.

Innere Erschließung:
Grosse räumliche Qualität wird in der Grundrisstypologie mit seiner zentralen Erschließung gesehen. Die versetzt angeordneten Lufträume zonieren den Erschließungsbereich und erlauben vertikale Blickbezüge. Eine Adressausbildung kann stattfinden. So entsteht ein interessanter Raum mit hohen Qualitäten für die Öffentlichkeit.

Book-Crossing-Center:
Positiv wird die Anordnung des Book-Crossing-Center nach Süden gesehen mit seinem separaten Zugang und der Präsenz durch die dreigeschossige Ausbildung. Fragwürdig ist sind allerdings die damit verbundenen Mehrkosten.

Appartements:
Die Organisation der Appartements erscheint fragwürdig, da die Nassbereiche mittig angeordnet sind und somit eine flexible Raumnutzung verhindern. Der Außenbezug und die Belichtung der Appartements sind aufgrund der konventionellen Fensteröffnungen als mässig zu beurteilen.

Ökologisches und wirtschaftliches Konzept:
Der Entwurf hat durch seine kompakte Bauform ein gutes A/V-Verhältnis, welche die Basis für eine hohe Energieeffizienz bildet. Die überwiegende Verwendung von nachwachsenden Baustoffen tragen ebenso zu einer guten Gesamtökobilanz wie der konsequente Einsatz erneuerbarer Energien. Die Verwendung von (teilweise auch transparenten) Photovoltaik-Modulen als konstruktiven Sonnenschutz in Verbindung mit der Holzfassade und einer Dachbegrünung demonstrieren Ökologie und Energieeffizienz auch nach außen.