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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2011

Stadtteileingang Galluswarte

Perspektive Realisierungsteil | Verkehrsinsel

Perspektive Realisierungsteil | Verkehrsinsel

3. Preis

Preisgeld: 2.500 EUR

wörner traxler richter

Architektur

B.A.S. Büro für Architektur + Stadt, Begon + Stürmer

Architektur

Conceptlicht GmbH

Lichtplanung

Erläuterungstext


1 | Städtebau

Der Wartturm ist das prägende Element für das Wettbewerbsgebiet und er ist gleichermaßen identitätsstiftend für den Stadtteil Gallus. Er stand viele Jahre bevor das Gallus entstand mit seinen direkt angrenzenden Nebenbauwerken alleine vor der Stadt als steinernes Bollwerk mitten im Grünen. Gegenwärtig steht er in mitten der Stadt, wird bedrängt von der umgebenden Bebauung, dabei im Besonderen durch das Überführungsbauwerk der Bahntrassen.

Der einstmals als Schutzbauwerk für Eindringlinge gedachte Wartturm muss heute vor der Stadt selbst beschützt werden.

Ein neu gewebter Landschaftsteppich schafft einen stabilen Anker für den verwaisten Turm, bettet ihn fest und selbstbewusst in den Stadtteil ein, verweist mit seiner grünen Künstlichkeit auf den ursprünglichen Ort und schafft gleichzeitig vielfältige Nutzungsangebote für die Bewohner des Gallusviertels.

Die eigentliche Verkehrsinsel beinhaltet auch die Straßenbahnhaltestelle. Für viele Personen, die täglich mit der S-Bahn im Gallus ankommen bildet die Situation unter der Überführung den Stadtteileingang, der einer Aufwertung durch ein klares Konzept bedarf, welches gleichzeitig eine stabile Fassung für das historische Denkmal Galluswarte
bildet.

Dazu ist es wichtig, die zerstückelte Insel im Bereich der Aufweitung der Mainzer Landstraße als ein zusammenhängendes Element erfahrbar zu machen. Das gesamte Gebiet, von der Verkehrsinsel mit dem Wartturm bis zur Haltestelle der Straßenbahn, wird durch einen einheitlichen Bodenbelag zusammengefasst. Vorhandene einzelne Schollen werden wieder zu einem Ganzen gefügt. Im Rückbezug auf die historische Situation, als der Turm in der Landschaft stand, wird dies durch einen artifiziellen Landschaftsteppich erreicht.

Dieser Landschaftsteppich wird in verschiedener Weise bearbeitet. Zunächst erhält er ein Muster, das sich aus der Grundform des Wartturms ableitet. Die kreisrunde Form wird in verschiedenen Größen in einer regelmäßigen Struktur mit dem Teppich verwoben und kann an besonderen Stellen, wie beispielsweise den Stützen unter der Überführung,
den Bäumen und selbstverständlich dem Wartturm reagieren.

Weiterhin wird der Landschaftsteppich in Fahrtrichtung des Nah- und Individualverkehrs bereichsweise aufgeschlitzt und hochgehoben, sodass eine dreidimensionale, gefaltete Skulptur entsteht. Die Anforderungen der Straßenbahnlinien und des Individualverkehrs werden nicht beeinträchtigt. Durch die Auffaltung entstehen Aufenthaltsangebote
um den Wartturm herum, funktionale Bereiche entlang der Straßenbahnhaltestelle und ein wahrnehmbares Objekt am Stadtteileingang, das gleichzeitig ein Portal als auch einen stabilen Sockel für das Denkmal Galluswarte bildet.

Er kann somit neues und altes Wahrzeichen für einen in Transformation befindlichen Stadtteil werden.


2 | Architektur

Die Architektur des Landschaftsteppiches folgt den Leitgedanken aus dem städtebaulichen Konzept. Die artifizielle Landschaft reagiert durch ihre Auffaltung auf alle Anforderungen, sowohl im Bereich um den Wartturm, als auch unter der Überführung.

Der Zugang zum historischen Denkmal wird auf das Eingangsniveau des Turmsockels (2,53m über OK Verkehrsinsel) angehoben, sodass auf die Außentreppe am Sockel verzichtet werden kann. Gleichzeitig wird durch diese Auffaltung Raum für einen neuen Kiosk geschaffen, der in seiner Nutzung den berechtigten Ansprüchen der Bewohner des Gallusviertels Rechnung trägt. Im Bereich zwischen der Verkehrsinsel und der Straßenbahnhaltestelle bleibt der Landschaftsteppich ebenengleich mit dem Straßenniveau und ist lediglich durch eine kleine Fuge von der Mainzer Landstraße getrennt, so dass der Individualverkehr auf subtile Weise auf die Bedeutung des Ortes für den Stadtteil hingewiesen wird.

An der Straßenbahnhaltestelle faltet sich der Landschaftsteppich wieder auf, bildet eine räumliche Fassung der Wartebereiche, die mit Ausnahme der Fußgängerüberwege durch eine Glaswand einen Spritzschutz bietet. Entlang der Warteposition der Straßenbahn reagiert der Landschaftsteppich mit seiner Auffaltung auf die geforderten Zugangshöhen für einen behindertengerechten Ein- und Ausstieg. Die taktilen Streifen werden mit dem Teppichmuster überlagert.

Das Teppichmuster selbst nimmt diverse Funktionen auf. Es lädt zum einen zum Verweilen ein, indem die Kreise sich als Sitzgelegenheit aus dem Teppich erheben. Es ist zum anderen ein narratives Element, indem es als im Boden versenkte Ausstellungsvitrine über den Stadtteil erzählt.
Es können sich beispielsweise hergestellte Produkte der Adlerwerke, z.B. eine Schreibmaschine, darin befinden, oder Bilder von Personen, die zur Geschichte des Stadtteils beigetragen haben oder beitragen werden. Weiterhin unterstützt es die Beleuchtung, ist offen, so dass man hindurchschauen kann oder ist einfach nur Ornament. Der besondere Bereich um den Wartturm wird durch eine kreisförmige Fuge markiert, die sich in das Teppichmuster einfügt. Das gleiche gilt für die Einfassung des bestehenden Baumes im Osten des Turmes.


3 | Beleuchtung

Licht macht einen Ort nicht nur visuell spürbar, es kann auch richtig angewendet und
verteilt eine Bedeutungshierarchie schaffen, die sowohl die Architektur als auch die Nutzung stärkt oder bei falscher Anwendung die vorhandenen Wertigkeiten neutralisieren oder sogar ins Gegenteil verkehren. Während der Übergang und die Straße als Verkehrsfläche eher eine untergeordnete gestalterische Rolle spielen, wird der Landschaftsteppich und die Straßenbahnhaltestelle als Aufenthaltsort stark betont und wahrgenommen werden.
Die Galluswarte wird ebenfalls hervor gehoben und betont.

Die umliegenden Verkehrsflächen der Galluswarte sollen durch Mastleuchten ausgeleuchtet werden. Zusätzlich soll es allerdings weitere Mastpositionen geben, die es ermöglichen die Masthöhe zu reduzieren. Durch Begrenzung der Strahlungswinkel auf maximal 60° Ausstrahlung zur Senkrechten kann Blendung vermieden werden. Dies liegt annähernd unterhalb des wahrnehmbaren Gesichtfeldes eines Menschen, so dass die Leuchten weniger in Erscheinung treten. In Richtung Häuserfassade wird die Strahlung abgeschattet, um störende Lichtkegel auf den Wänden und vor allem Lichtbelästigung der Anrainer zu vermeiden.

Die sehr breite Brückenstruktur erfordert für die darunter befindliche Überführung eine definierte Beleuchtung, die den Raum erfahrbarer macht. Ziel ist es die Eigenwirkung der Leuchten zu reduzieren und das Licht auf den Bodenbereich des Überganges zu lenken. Die Untersicht der Brückenstruktur ermöglicht es die Leuchten zu versenken
und somit unter flachen Erhebungswinkeln verschwinden zu lassen. Durch gezielte Strahlungseigenschaften ist es möglich die Leuchten aus dem Blickfeld zu nehmen und zugleich Schlaglichter an den Stahlträgern zu vermeiden.

Für die Überführung sollen Langfeldleuchten für Leuchtstofflampe mit warmen Lichtton verwendet werden. Die Befestigung erfolgt so, dass die Tragstruktur der Brücke unangetastet bleibt. Zusätzlich soll der Bereich unterhalb der Brücke durch Aufhellung der einfassenden Wände sicherer und klar definiert wirken. Während die im Norden angedachte WC-Anlage aus sich heraus leuchtet, soll die im Süden begrenzende Wand durch Wandfluter aufgehellt werden.

Die Leuchten hierfür werden mit Halogen Metalldampflampen bestückt sein, um die Strahlung scharfkantig bestimmen zu können. Die Wände erhalten, wie auch der Übergang selbst, einen warmen Lichtton.

Der Landschaftsteppich als Klammer des Stadtteileinganges ist der wichtigste Bereich des Überganges mit dem Wartturm als aussagekräftiger Körper. Um dessen Wertigkeit und Vitalität zu stärken, soll die Beleuchtung explizit auf diesen Bereich begrenzt und für den gesamten Teppich ein weißer, frischer Lichtton gewählt werden. Im Bereich unterhalb der Brücke sind Downlights angedacht, die kräftiges definiertes Licht auf dem Teppich erzeugen.

Die Downlights sollen mit Halogen Metalldampflampen versehen sein. Alternativ werden LEDs vorgeschlagen. Im Bereich zwischen Brücke und Wartturm wird der Landschaftsteppich von der Brücke aus beleuchtet, ergänzend soll die Beleuchtung von dem Dachrand des Wartturmes aus erfolgen. Im Westen und Osten des Areals sorgen je eine Mastleuchte für eine gleichmäßige Ausleuchtung. Die in der Landschaft integrierten runden Bodenvitrinen sollen aus sich selbst schimmern. Hierfür wird eine verdeckte LED Beleuchtung vorgesehen.

Durch den Widerschein des Vitrinenbodens, entsteht zusätzlich atmosphärisches Licht. Die Straßenbahnhaltestellen bedürfen aufgrund temporalen Aufenthalts besonderer Beachtung. Die Beleuchtung erfolgt durch Downlights die sich in dem aufgewölbten Dach des Landschaftteppichs befinden. Die Strahlung wird so begrenzt, dass ausschließlich der Wartebereich ausgeleuchtet wird. Für die Downlights werden LEDs mit einem weißen Lichtton verwendet. Für die Form der Leuchten wird analog zu den architektonischen Formen des Landschaftteppichs rund gewählt.

Der Wartturm als bedeutendstes Element soll ebenfalls durch Licht in Szene gesetzt werden, damit eine Fernwirkung aufgebaut wird. Während der untere Sockel aus dem Boden unterhalb des Landschaftteppichs mit Streiflicht versehen wird, erfolgt die Beleuchtung des Turmschaftes aus dem Sockeldach heraus. Das Dach des Turmes erfährt eine rundum Anstrahlung von Leuchten, die sich an der Brücke befinden, im Westen erfolgt die Anstrahlung mittels Leuchtenpositionierung auf dem benachbarten Gebäude.

In dem Ideenteil wird der Wartturm von sich selbst aus beleuchtet. Der oberste Kranz der Umhüllung dient dazu Leuchten aufzunehmen, die den Wartturm, ergänzend zu der Beleuchtung von unten, von oben anstrahlen.

Der Stadtteileingang Galluswarte soll durch Licht erlebbarer werden und zum verweilen einladen. Das Lichtkonzept strebt Klarheit und die Vermeidung visuellen Ballasts an. Das Lichtkonzept genügt allen Belangen des Bundesimmissionsschutzgesetzes obwohl die öffentliche Beleuchtung davon ausgenommen ist. Die Betriebskosten werden möglichst gering gehalten und auf Nachhaltigkeit wird großen Wert gelegt.


4 | Konstruktion und Gestaltung

Der Landschaftsteppich besteht aus einer Stahlbetonschalenkonstruktion, die mit rutschsicherer Parkhausfarbe beschichtet wird. Die Oberseite und die Ränder des Teppiches erhalten einen grünen Farbton, um auf den historischen Zustand der Galluswarte als Warte im Grünen zu verweisen.
Die Unterseite des Landschaftsteppiches wird weiß gehalten, so dass die Aufenthaltsqualität unter dem Teppich durch eine helle Oberfläche erhöht wird.

Die verglasten Bereiche und Absturzsicherungen werden mit Sicherheitsglas versehen. In den Bereichen entlang der Straßenbahnhaltestelle erhalten die Glasflächen im unteren Bereich, der durch Verschmutzung gefährdet ist, einen Siebdruck.

Die Bereiche, die den Landschaftsteppich umgeben werden von den Drängelgittern befreit, und es werden stattdessen Poller aufgestellt, so dass die Werbeflächen um den Landschaftsteppich minimiert werden. Gegenüber von dem neu zu errichtenden leuchtenden WC wird ebenfalls eine geschwungene Wand in vergleichbarer Konstruktion vorgesehen, so dass ein einheitliches Gesamtbild unter der Überführung entsteht.


5 | Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit

Für den Landschaftsteppich werden einfache, kostengünstige und robuste Materialien verwendet. Daher ist im Laufe der Jahre von einem geringen Instandsetzungsaufwand auszugehen.

Weiterhin wird im Besonderen bezüglich der Beleuchtung auf Produkte mit langer Lebensdauer und geringem Stromverbrauch Wert gelegt. Im Falle einer zusätzlichen Nutzung, wie im Ideenteil beschrieben, kann aus dem derzeitigen Unort in nachhaltiger Weise ein belebter und beliebter Stadtteilmittelpunkt werden, der den Investitionsaufwand deutlich übersteigt. Langfristig gesehen erhält die Galluswarte dadurch wieder die Wertigkeit, die ihr als stadtteilprägendes Bauwerk auch zusteht.


6 | Ideenteil

Der Raum unter dem Landschaftsteppich bietet eine multifunktionale Nutzung an. Generell ist die Entscheidung zu treffen, ob an diesem Ort der besondere Bezug zum Stadtteil gestärkt werden soll, und damit sich auf seine Vergangenheit bezieht, oder ob der Ort für die Zukunft ein Treffpunkt im Gallus sein wird, der über seine Stadtteilgrenzen hinaus wirkt und dadurch das Image des Stadtteils innerhalb Frankfurts stärkt.

Im ersten Fall ist beispielsweise ein Stadtteilmuseum mit Stadtteilbüro denkbar. Ergänzend zu den Ausstellungsobjekten in den Bodenvitrinen des Landschaftsteppiches wird die Geschichte des Ortes und seiner Umgebung dargestellt. Unterhalb des Teppiches wird die historische Situation über eventuell vorhandene Fundamentreste der
Galluswarte und seiner angrenzenden Bebauung wieder sichtbar gemacht, ohne dabei eine gewollte Rekonstruktion zu sein.

Im zweiten Fall ist ein Szenetreffpunkt mit Lounge und Discothek eine sinnvolle Lösung, für die es gilt einen Investor zu finden. Die optimale Verkehrsanbindung und unmittelbare Nähe zum Hauptbahnhof sind ideale Voraussetzungen, die zusätzlich durch den besonderen Charakter des Ortes ihren Charme erhält. Oben tobt der Verkehr und unten die Bewohner Frankfurts, nachdem sie vorher über den Landschaftsteppich und dem Zugang am alten Wartturm ihren Weg unter den Teppich gefunden haben.

Insgesamt stehen knapp 1.000m² BGF unter dem vorderen Bereich des Landschaftsteppiches zur Verfügung, die je nach Nutzung und verfügbarem Budget kleiner gewählt werden kann, oder bei einer Ausführung mit Galerieebenen
im Bereich des stark aufgewölbten Teppiches auch vergrößert werden kann.


Mitarbeiter |

Christine Althenn
Felix Becker
Björn Bischoff
Eva Lechermann
Sebastian Pfau
Dorothee Stürmer

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit mit der Tarnzahl 432 ist eine der wenigen Arbeiten, der es gelingt, den Bereich
der Überführung und der Galluswarte mit einer baulichen und räumlichen Struktur zusammenzubinden.

Im Bereich der Überführung wird auf beiden Seiten die wellenförmige Gestaltung der bislang nur auf der Nordseite vorgesehenen Glasbausteinwand vorgeschlagen.
Das Motiv der Wellenstruktur wird für die Idee des Landschaftsteppichs wiederholt.
Die plastischen Gebäudeteile an der westlichen Spitze der Verkehrsinsel bilden ein sehr
harmonisches, zeitgenössisches Ensemble mit der Warte. Die aus der Gebäudestruktur
gebildeten Wartehallenüberdachungen unter der Überführung wirken dagegen als
Fremdkörper in ihrem Kontext.

Die Beleuchtung der Spitze der Galluswarte aus drei Richtungen ist überzeugend. Konzeptionell überzeugend ist die helle Ausleuchtung des Bodenteppichs.
Die Jury sieht für die vorgeschlagene bauliche Struktur eine Begrünung bzw. grüne
Farbgestaltung kritisch. Die Begehbarkeit des Landschaftsteppichs scheint in der dargestellten Form nicht realisierbar – es wird auch infrage gestellt, ob eine Begehbarkeit überhaupt auf der ganzen Fläche notwendig und sinnvoll wäre.

Die Erschließung des Wartturms über den Landschaftsteppich ist gut gelöst. Die Jury
sieht jedoch den baulichen Anschluss der Bodenplatte an das Baudenkmal kritisch.
Die im Ideenteil vorgeschlagene Anordnung einer ca. 1000 qm großen Nutzfläche unter
dem Landschaftsteppich wäre eine interessante Bereicherung des Ortes, eine Realisierbarkeit müsste überprüft werden.

Die plastische Lösung der Landschaftsplatte entwickelt einen sehr innovativen, unverwechselbaren Lösungsansatz, die genaue Ausformung der Wellen müsste jedoch nach funktionalen, gestalterischen und genehmigungstechnischen Kriterien überarbeitet werden. Die Arbeit ist eine spektakuläre, aber aufwändige Lösung.
Plan#1 | Realisierungsteil

Plan#1 | Realisierungsteil

Plan#2 | Realisierungsteil

Plan#2 | Realisierungsteil

Plan#3 | Ideenteil

Plan#3 | Ideenteil