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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2012

Hallig 2050

2. Preis

kessler.krämer Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

JF Architekten + Techniker

Architektur

Ingenieurbüro Mohn GmbH

Bauingenieurwesen

Erläuterungstext

Aufgabenstellung
Im Rahmen des Ideenwettbewerbs Hallig 2050 sollen innovative Lösungen zur Warftverstärkung sowie nachhaltige Optionen zur Erhöhung der Hochwassersicherheit alter und neuer Warftgebäude erarbeitet werden.

Ziele
Eingebettet in verschiedenste bestehende Untersuchungen zu Nachhaltigkeitsstrategien, Einsatz von erneuerbaren Energien, Forschungen zur Sedimentakkumulation, u.a. soll ein Leitfaden erarbeitet werden, der einerseits die wichtige Rolle im Küstenschutz der Halligen über das Jahr 2050 hinaus stärkt und erhält und andererseits über einen Zeitraum bis 2100 eine mögliche Entwicklung und Sicherung der Warften aufzeigt. Exemplarisch wird dies für die Hanswarft auf Hooge und die Tadenswarft auf Langeneß gezeigt.

Grundsätzliche Lösungsansätze
Die nebenstehende Grafik zeigt die unterschiedlichen Lösungsansätze, die angedacht wurden. Die graue Linie zeigt den weiterverfolgten Weg für eine gangbare und angemessene Lösung

Technisch anspruchsvolle Lösungsansätze bergen eine nicht zu unterschätzende Ausfallgefahr. Selbst der Einsatz von redundanten Systemen kann keine vollständige Sicherheit bieten. Ein hoher Aufwand bei Wartung und Instandhaltung sprechen gegen High-Tech bzw. hoch-technisierte Lösungen.
Ziel des vorgelegten Ansatzes ist es deshalb mit einer Kombination bewährter Mittel, vorzugsweise Low-Tech, ein dauerhaftes Schutzsystem zu schaffen. Bewährte Lösungen sind in diesem Fall Maßnahmen des Deichbaues und des Hochwasserschutzes, die seit Jahrhunderten praktiziert und verbessert wurden und deren Funktionsfähigkeit nachgewiesen sind.

Ingenieurtechnischer Ansatz
Der Maßnahmenkatalog bietet 3 Grundkonzepte und 3 Kombinationen der Grundvarianten zur Warftensicherung an. Alle 6 Konzepte ermöglichen eine individuelle Reaktion auf die abgestimmten Ziele einer Warftenentwicklung. Es kann der wirtschaftliche Aufwand gegenüber dem Nutzen spezifisch gewählt werden.
Die Grundvarianten der Konzeptes sind: Warfterhöhung nach außen, Warfterhöhung nach innen und Aufständerung der Gebäude. Eine zeitliche Differenzierung der Maßnahmen, also die Bildung von Bauabschnitten, kann gerade bei großen Warften nach einer Analyse der Bestandsbebauung zu Ihrer noch zu erwartenden Dauerhaftigkeit erfolgen.
Um die notwendige Massenbewegung zu optimieren, ist es möglich, die Wellenschlaghöhe mit einem temporären Schutz aus Dammbalken zu versehen.
Alle Konzepte sollten durch eine Förderung der Sedimentierung auf den Halligflächen unterstützt werden. Bestehende und laufende Untersuchungen (vgl. “Bestimmung der Sedimentaufwachsraten auf den Halligen Hooge, Langeness, Nordstrandischmoor und Süderoog Sedimentakkumulation Halligen (SAHALL),Endbericht”) geben hierfür Ansätze.
Die theoretische Sturmfluthöhe ist mit ca. 7m ü. NN vorgegeben, die zusätzliche Wellenschlaghöhe kann mit ca. 1.5m angenommen werden.

Sozialer Ansatz
Vorgabe der Aufgabe war eine Beibehaltung der vorhanden sozialen Strukturen auf den Halligen. Natürlich muss davon ausgegangen werden, dass der demografische Wandel ebenso und wohl eher verstärkt auch auf den Halligen stattfinden wird. Die Gebäudestruktur muss auf diese sozialen Veränderungen reagieren können. Aufgrund der geringen Flächenkapazitäten einer Warft muss ein Gebäude auf einer Hallig alle Lebenssituationen abbilden können. Flexibilität ist hier Voraussetzung für eine dauerhafte und nachhaltige Architektur.

Ökologischer Ansatz
Die Bewohner einer Hallig sind traditionell aufgrund Ihrer Abgeschiedenheit auf eine Autarkie eingestellt. Heute ist aufgrund verbesserter technischer Bedingungen eine Versorgung vom Festland mit Medien (insbesondere Wasser, Elektrizität und Telekommunikation) gegeben. Dennoch bleibt es wichtig, den Autarkiecharakter der Halligen zu stützen. Die Unabhängigkeit bildet einen wesentlichen Wesenszug des Halliglebens und bildet einen wichtigen Teil des Selbstverständnisses.
Eine energetische Autarkie wieder herzustellen wäre technisch und wirtschaftlich sicherlich unsinnig. Dennoch kann durch den Einsatz regenerativer Energien eine ausgeglichene Energiebilanz erwirtschaftet werden. Eine veröffentlichte Studie zu erneuerbaren Energien (vgl. “Standortanalyse und Machbarkeitsuntersuchung Erneuerbare Energien (Wind- und Solarenergie, Geothermie) auf den Halligen, Endbericht”) zeigt hier die Möglichkeiten auf. Insbesondere können Photovoltaik-Anlagen auf Dächern und Geothermieanlagen als gangbare Wege herausgestellt werden. In Verbindung mit den vorgeschlagenen Konzepten zur Warfterhöhung mit großen Massenbewegungen ist eine gleichzeitige Entwicklung eines Geothermiekonzeptes (ggf. als Nahwärmenetz) ratsam. Eine sinnvolle und ästhetisch wertige Planung der Neubaudächer für Photovoltaik-Anlagen kann ebenso erfolgen.
Der schrittweise Neubau vieler Gebäude wird zwangsläufig eine deutliche Verbesserung des Energiestandards mit sich bringen. Die Planung von Passivhäusern unterstützt den grundsätzlichen Ansatz der Autarkie.
Der Einsatz von Elektroantrieben für alle notwendigen Fahrzeuge erscheint sinnvoll, da fossile Brennstoffe einerseits keine dauerhafte Lösung mehr darstellen und hier insbesondere zusätzlich aufwändig herbeigeschafft werden müssen.

Einen anderen Aspekt der Unabhängigkeit stellt Nutzung von Regenwasser und die Versorgung mit Lebensmitteln dar. Früher bewährte Lösungen zur Regenwassernutzung können aufgegriffen werden und zur Grauwassernutzung herangezogen werden (spülen, waschen, tränken, etc.). Auch hier wäre eine völlige Autarkie aufgrund bestehender Versorgung vom Festland aufwändig und unnötig. Eine Einschränkung des Verbrauches durch zusätzliche Nutzung von Regenwasser erscheint angemessen.
Die alte Tradition Nutzgärten zu unterhalten ist ein weiterer Baustein zur Eigenversorgung. Obst und Gemüse können auf ggf. gemeinschaftlichen Gartenflächen angebaut werden. Alle Generationen sowie Touristen können eingebunden werden.
Aufgrund der aus Küstenschutzgründen notwendigen Viehwirtschaft kann die Versorgung mit Milchprodukten und Fleisch gewährleistet werden.

Wirtschaftlicher Ansatz
Die wichtige Tätigkeit der Halligbewohner im Küstenschutz ist unbestritten und sicher einer der Gründe, warum auf den Halligen auch langfristig Bewohner notwendig sein werden. Dies gilt es durch finanzielle Anreize zu stärken und zu fördern. Aufgrund der Bedeutung der Beweidung der Grünflächen für den Küstenschutz ist in einem eingeschränktem Umfang eine Landwirtschaft auch in Zukunft notwendig. Auch hier ist dies nur mit Hilfe finanzieller Anreize machbar. Die Praxis, Pensionsvieh in den Sommermonaten vom Festland zu holen, kann die Vorhaltung von Raum und Gerät minimieren.
Konzepte für den Tourismus sollten so gewählt werden, dass auch das Angebot für Dauergäste attraktiver gestaltet werden kann. Das Hallig-Typische (ein gemeinschaftliches, von der Außenwelt unabhängiges Leben) soll bewahrt und gestärkt werden. Neue bereits in der Praxis erprobte Konzepte könnten ausgeweitet werden. z.B. Ehrenamt auf Zeit/gespendeter Urlaub. d.h. Urlauber werden in den Alltag eingebunden (einfache Küstenschutzmaßnahmen, Gartenarbeit, Landwirtschaft).

Architektonischer Ansatz
Die Bewahrung des gewohnten, traditionellen Erscheinungsbildes einer Warft soll als Ziel verfolgt werden. Das Gebäude auf einem Hügel, dass sich aus der Ferne im Wasser spiegelt. Bewährte und gewohnte Formen, Materialien und Proportionen ggf. in moderner Übersetzung oder in Kombination mit modernen Elementen sollen einerseits das typische Bild wiedergeben, dennoch aber keine historisierende Museumsarchitektur darstellen, sondern eine eigenständige Halligarchitektur wiederspiegeln. Die Bandbreite der Architektur kann hierbei von traditionell geduckt und geschlossen bis zu offen und transparent reichen.

Die dargestellten Ergebnisse zeigen keine zwangsläufige Entwicklung auf, es sind lediglich Möglichkeiten, die mit Hilfe eines entwickelten Maßnahmenkataloges aufgezeigt werden. Der Weg von der Analyse einer Warft mit ihren Strukturen, ihre Prognosen für die Zukunft, der Umsetzung im Einzelnen, der zeitliche Ablauf bis zum Ergebnis ist ein Prozess, der zwischen vielen Beteiligten abgestimmt und abgewogen werden muss. Auf jede Warft kann mit den angebotenen Konzepten individuell und flexibel reagiert werden.

Barrierefreiheit

Zur uneingeschränkten Nutzung der neu gestalteten und erhöhten Warften mit deren Gebäuden werden alle öffentlichen und privaten Erschließungen den aktuellen, maßgeblichen Grundsätzen der Barrierefreiheit entsprechend ausgeführt. Bei allen neu zu errichtenden Gebäude auf der Hanswarft ist dies ohne weitere Herausforderungen möglich. Auch auf der Tadenswarft können die neuen bodenständigen und aufgeständerten Gebäude und Stege entsprechend gebaut werden. Dort, wo die Umsetzung an der Warft aufgrund der wasserbautechnischen Anforderungen (Warftprofil 1:10 oder steiler) nicht direkt möglich ist, werden zusätzliche spiral- oder serpentinenförmige Erschließungswege mit max. 6% Steigung angelegt.