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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2012

Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie"-Morde

Ankauf

Martin Bennis Architekt

Architektur

Atelier Weidner Händle

Kunst

Lohrberg Stadtlandschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Konzeptionelle Entwurfsgrundlage
Die historische Information zu den Taten, den Tätern und der Nachgeschichte wird an den Standort der ehemaligen Villa in der Tiergartenstraße 4 gebunden. Die Biographien der Opfer bestimmen den Freiraum außerhalb der historischen Grundrissstruktur. Sie besetzen als Streuung den gesamten Freiraum und stellen sich den Besuchern entgegen. Die Art der Informationsverteilung auf der Restparzelle Tiergartenstraße 4 wird damit zu einem prägenden Gestaltungsansatz für den historischen Ort.

Den Biographien sind jeweils radiale Bodentexturen zugeordnet. Diese Zuordnung soll von den Besuchern, als zur Biographie gehörige „Aura“ gedeutet werden. Die räumliche Ausdehnung dieser symbolischen Markierungen bezieht sich nicht nur auf das unmittelbare Wettbewerbsgebiet. Um den exemplarischen Charakter der wenigen, ausgewählten Biographien zu verdeutlichen und um auf die Vielzahl vergleichbarer Schicksale zu verweisen finden sich diese Bodentexturen auch (ohne biographische Stelen) in der angrenzenden Grünfläche. Dabei sollen angeschnittene Kreisbögen in den Randbereichen der Grünfläche die Gesamtstruktur als den Ausschnitt aus einem viel größeren Feld erscheinen lassen. Die Besucher sollen dazu die Vielzahl der Markierungen assoziieren, die erforderlich währen, um der gesamten Verbrechensdimension gerecht zu werden.

Die bestehende Bronzetafel wird in den Bearbeitungsbereich des Wettbewerbs versetzt und soll auch weiterhin bei Kranzniederlegungen die Funktion eines Gedenkortes an der Tiergartenstraße übernehmen.

Barrierefreie Informationsvermittlung
Auf der grafischen Ebene werden sämtliche Ausstellungsinhalte paritätisch im Leicht-Lesen-Format sowie in deutscher und englischer Sprache angeboten. Allen biographischen Stelen sind Mediensäulen zugeordnet, die die Information visuell, taktil und auditiv vermitteln. Ein taktiles Leitsystem unterstützt Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit bei der selbständigen Erschließung des Ortes. Gleichzeitig entsteht durch das Leitsystem ein Netz aus Verbindungslinien das die ausgestellten Biographien und die Besucher miteinander in Beziehung setzt.

Ausstellungselemente
Die Stelen zu den Biographien der Opfer bestehen aus 30 mm Verbundsicherheitsglas (VSG aus 3  x 10 mm TVG) und haben ein sichtbares Format von 2.400  x 1.050 mm. Zur optimalen Lesbarkeit der Texte wird im Glasverbund eine mattierende Folie angeordnet.
Großformatige Glaswände mit einer Höhe von 4,2 m dienen als Informationsträger zur Benennung des Ortes und für den Ausstellungstitel. Ankommenden Besuchern wird diese Information sowohl in Richtung der Tiergartenstraße als auch zum westlich gelegenen Ein-gang der Philharmonie vermittelt. Aus beiden Richtungen muss sich für die Besucher ein sinnvoller Ausstellungsrundgang ergeben. Die Schriftgröße für die Benennung und den Titel ist auf die Lesbarkeit aus einer Entfernung von 30 bis 40 Metern ausgelegt.

Als Hintergrund für die Ausstellungstitel dienen aufgerasterte Ausschnitte der historischen Fotografie der Villa in der Tiergartenstraße 4. Diese stark vergrößerten Bildausschnitte versuchen die Größenverhältnisse im Maßstab 1:1 abzubilden und verdeutlichen, auch durch Ihre Stellung, den Raumeindruck der historischen Villa. Die Glaswände werden so positioniert, dass Sie die Stellung der Außenwände der historische Grundrisskontur der Villa aufnehmen.

Die Gläser (VSG aus 2 / 12 mm TVG) dieser Informationswände werden von einem umlaufenden Rahmen aus T-Stahl (140 mm) gehalten. Aus technischen Gründen muss die maximale Größe der einzelnen Glasscheibe auf 4.200 / 2.342 mm begrenzt werden. Daher sind die Glasflächen jeweils aus zwei oder drei Gläsern aufgebaut. Die Fugen zischen den Gläsern haben eine Breite von 2 mm und sind aus wenigen Metern Abstand nicht mehr sichtbar.
Die Information wird auch bei diesen Gläsern im Siebdruckverfahren aufgebracht. Die Oberfläche mit dem Siebdruck (gedruckt wird spiegelverkehrt auf die Rückseite des vorderen Glases) wird in einem zweiten Arbeitsgang im Glasverbund schützend eingeschlossen.

Ausstellung zu Taten, Tätern und der Nachgeschichte auf dem historischen Grundriss
Die Grundrisszone der ehemaligen Villa ist durch eine Stahlkante und den Farbwechsel in der wassergebundenen Decke markiert. Entsprechend des Gliederungsvorschlags der Inhalte einer Dokumentation am Gedenk- und Informationsort (siehe Auslobungsunterlagen) können die Ausstellungstafeln hier in linearen Strukturen gereiht werden. Auch hier soll sich in der Stellung der Informationseinheiten der Villengrundriss spiegeln. Zur taktilen, auditiven und visuellen Informationsvermittlung werden in diesem Ausstellungsbereich größere Mediensäulen angeboten, die die Inhalte mehrerer Ausstellungstafeln zusammenfassen.

Grafisches Konzept für die Ausstellungselemente
Die Grafik basiert auf einer eindeutigen typografischen Gliederung aller visuellen Elemente. Die verwendeten Schriftarten und Schriftschnitte sind auf optimale Kontrast- und Leseverhältnisse hin ausgewählt. Bilder und Dokumente sind in ausreichender Größe bei best-möglichem Druckbild reproduziert. Die Beschriftungen aller Medieneinheiten erfolgen in erhabener Versalschrift sowie in Brailleschrift entsprechend den Vorgaben für Besucher mit Sehschwächen.

Darstellung exemplarischer Biografien von Opfern
Der Besucher wird bereits aus mittlerer Distanz mit dem Lebens-beginn – ganz oben auf der Glasstele – und dem gewaltsamen Ende – unter-halb der Lesezone – in großer Schrift konfrontiert. Die beiden typografischen Elemente bilden die Klammer um die bio-grafische Erzählung eines Opfers. Sie beinhalten Name, Geburtsdaten, Herkunft einerseits, sowie das Leiden, den gewaltsamen Tod und den jeweiligen Tötungsort andererseits.

Bankreihe
Den Abschluß der Freianlage in Richtung Mattern-Garten bildet eine langgestreckte Bankreihe. Mit der Böschung und der Gehölzkulisse des Mattern-Gartens im Rücken werden die Besucher hier zum Verweilen eingeladen. Die Einschnitte und Unterbrechungen in der Bankreihe sind als Spiegelung der schrägen Linien des taktilen Leitsystems zu verstehen.

Lichtkonzept
Die Ausstellungselemente sind aus transluzentem Glas mit einer mattierenden Folie im Glasverbund konzipiert. Alle Gläser der Ausstellung werden bei Dunkelheit durch entsprechende Bodeneinbaustrahler hinterleuchtet. Die Glasflächen der Informationsträger werden dadurch selber zu Leuchtkörpern, die die Gesamtfläche in ein mattes Licht tauchen.

Vorbereich der Philharmonie
Auch im direkten Vorbereich der Philharmonie kann das Kreis-Motiv
als Bodentextur aufgegriffen werden. Dazu bietet es sich an, die bestehenden Kiefern an der Philharmonie-Fassade in einem Beet zusammenzufassen. Die Konturlinie des Villengrundrisses kann im Vorbereich der Philharmonie durch einfache, eingelegte Stahlkanten weiter-geführt werden.
Alle Vorschläge dieser Arbeit, die sich nicht unmittelbar auf das Wettbewerbsgebiet beziehen, sind als Option bzw. Anregung zu verstehen. Auch ohne Ihre Umsetzung würde die Konzeption für den Bearbeitungsbereich funktionieren.
Blick von der Tiergartenstraße Richtung Matterngarten

Blick von der Tiergartenstraße Richtung Matterngarten

Blick von der Philharmonie auf den Titel des Gedenk- und Informationsortes

Blick von der Philharmonie auf den Titel des Gedenk- und Informationsortes

Ausstellungsbereich Taten, Täter und Nachgeschichte

Ausstellungsbereich Taten, Täter und Nachgeschichte

Lageplan

Lageplan

Längsschnitt A-A

Längsschnitt A-A

Querschnitt B-B

Querschnitt B-B

Nachtplan

Nachtplan

Detail der biografischen Stelen

Detail der biografischen Stelen

Medienstelen

Medienstelen

Biografie Ernst Lossa

Biografie Ernst Lossa

weitere Beispiele für Biografien von Opfern

weitere Beispiele für Biografien von Opfern

Beispiele für Glasstelen im Ausstellungsbereich "Taten, Täter, Nachgeschichte"

Beispiele für Glasstelen im Ausstellungsbereich "Taten, Täter, Nachgeschichte"