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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2012

Kulturinsel Reußenplatz - Bibliotheks-/Archiv-/Verwaltungsgebäude

ein 2. Preis / Zuschlag

Thomas Müller Ivan Reimann Gesellschaft von Architekten mbH

Architektur

WINTER Beratende Ingenieure für Gebäudetechnik

TGA-Fachplanung

Erläuterungstext

Städtebau
Das Stadtbild Naumburgs ist durch ein dichtes Gefüge von Altbauten geprägt, das an verschiedenen Stellen durch kleinere Brachflächen unterbrochen ist. Das Ziel des Neubaus der Kulturinsel Reußenplatz ist es, das Gesamtensemble der Naumburger Altstadt zu reparieren, zu vervollständigen und zu stärken. In der Kulturinsel sollen die Stadtbibliothek, das Stadtarchiv und das Magazin des Stadtmuseums in einem Gebäude untergebracht und zusammengeführt werden.
Das Entwurfsgebiet befindet sich inmitten der Altstadt Naumburgs; zwischen identitätsstiftenden Orten wie dem Dom, der Wenzelskirche und dem Marktplatz. Im Gefüge dieser kleinteiligen mittelalterlichen Stadtstruktur treffen im Entwurfsgebiet unterschiedliche städtebauliche Räume aufeinander.
Auf diese Rahmenbedingungen reagiert der Bibliotheksneubau mit seiner Gestalt und seiner Kubatur und seiner Materialisierung. in dem im Prinzip zwei Dinge entworfen werden: ein straßenzugschließendes Eckhaus und ein im Hof stehender Pavillon.
Da die engen Gassen, die sich hin und wieder zu kleinen Platzformationen weiten, eine Fernwirkung des Neubaus verwehren, wird ein Bauvolumen entworfen, das sich an den Nachbargebäuden orientiert und somit eher durch die unterschiedlichen Perspektiven von der Badergasse oder dem Reußenplatz her funktioniert. Wie selbstverständlich wird die Ecke zur Badergasse zweigeschossig überbaut und durch eine Dachlandschaft in das städtebauliche System integriert. Die großen Fensteröffnungen nehmen direkten Bezug zu den Straßenräumen auf und laden den Nutzer von verschiedenen Seiten her ins Gebäude. Zeichenhaftigkeit erfährt der Neubau vor allem durch die Ausformulierung dieser Öffnungen. Eingedreht wirkt der Wechsel von Fensteröffnung und Wandfläche wie ein Vexierbild, das je nach Standpunkt unterschiedliche Blicke ermöglicht. Im Sinne des Weiterbauens wird der Hofbereich als etwas eigenes betrachtet und anstatt der repräsentativen Wirkung der Straßenfront, wird hier ein Ort des Zurückziehens und Verweilens vorgeschlagen: eingerahmt von historischen Bruchsteinmauern steht lediglich ein Pavillon in einer durchgrünten Gartenlandschaft.

Architektur
Das architektonische Konzept thematisiert das konglomerative Gefüge des Ortes, in dem ein Neubau entworfen wird, der sich trotz seiner Eigenständigkeit in das Stadtbild einfügt und darüber hinaus in direkten strukturellen Zusammenhang mit den Altbauten gestellt wird. Die Gebäude Reußenplatz 6 und Reußenplatz 9 werden in den Funktionsablauf der Bibliothek integriert. So befindet sich neben der Verwaltung auch ein Lesesaal in dem Haus Reußenplatz 9. Durch die Aufnahme der Geschosshöhen hat der Neubau direkten Kontakt zu den benachbarten Altbauten. Im Erdgeschoss orientieren sich vor allem die öffentlichen Funktionsbereiche wie beispielsweise das Café zum Straßenraum hin. Über ein eingestelltes Tresenmöbel wird der Benutzer an der Ausleihe vorbei in den Bibliotheksbereich geführt. Dieser Gliedert sich in Kinderbibliothek, allgemeiner Bibliothek und Magazinbereiche. Die Kinderbibliothek befindet sich im ersten Obergeschoss des Neubaus und nimmt so den Dialog zum Stadtraum auf. Der Dachraum wird als Depotfläche für Sammlungsstücke und Gemälde verwendet. Eine Räumliche Verbindung dieser verschiedenen Funktionsbereiche wird über einen Lichthof und mehrere Lufträume erzeugt.
Um das Problem der Abstandflächen zu lösen und den Hof als kontemplativen Garten zu nutzen, wird dieser Bereich großzügig unterkellert. Hier im Untergeschoss befindet sich der große Freihandbereich, der über mehrere Oberlichter und ein Atrium belichtet wird. Nach außen hin verweist lediglich der Pavillon auf diesen unterkellerten Bereich. Der Pavillon selbst bietet die Möglichkeit inmitten der Hofgartenanlage zu verweilen und zu lesen. Die äußere Gestalt des Pavillons nimmt mit seiner gefalteten Glasfassade Bezug zum straßenseitigen Neubau auf und stellt sich gleichzeitig in eine Diskussion mit den umliegenden Altbauten.
Umsäumt wird dieser Pavillon von einer Gartengestaltung, in der die von den Mauern gebildeten Teilräume die Kulisse für den Blick von Innen nach Außen bilden. Bodendeckende Stauden und niedrige Heckenvolumen umfangen die Oberlichter und den geschlossenen Bereich hinter dem Lesepavillon. Skulptural wachsende Kleinbäume werden vereinzelt oder in kleinen Gruppen inszeniert. Dazwischen gibt es eher leger eine freie Bestuhlung auf einer wassergebundenen Decke.


Konstruktion
Der Neubau wird als Stahlbetonskelettbau mit unterzugsfreien Flachdecken geplant, die eine flexible Installation ohne störende Unterzüge ermöglicht. Die Untergeschosse werden als Weiße Wanne gegen Grund- und Schichtenwasser ausgebildet. Die Gründung wird als Plattengründung erstellt.
Die Decken der Bestandsgebäude werden instandgesetzt und z.T. umgebaut. Aufgrund von Grundrissänderungen werden teilweise neue Stürze erforderlich.
Die Baugrubensicherung wird unter den Gebäuden als einfach verankerte Unterfangung im Düsenstrahlverfahren hergestellt. In Bereichen ohne Nachbargebäude werden einfach verankerte Spundwände eingesetzt. Die Unterfangungen und Spundwände binden in die Tonsteinschichten ein, so dass eine wasserdichte Baugrubenumschließung gegeben ist. 
Die Wasserhaltung erfolgt dann als innen liegende Entwässerung mit Schwerkraftbrunnen und Pumpensümpfen.

TGA
Die Ausstattung des Gebäudes mit Sanitärobjekten und –accessoires sowie behindertengerechten, barrierefreien Sanitäranlagen wird nach nutzerorientierten Kriterien vorgenommen. Es werden wartungsarme, wassersparende Armaturen vorgesehen. Die Dachentwässerung des Neubaus wird über ein konventionelles Freispiegelsystem vorgenommen und erfolgt über innen angeordnete, gedämmte Fallrohre.
Anfallendes Regenwassers wird anteilig gesammelt und für das Verfahren der adiabaten (Abluft-) Kühlung eingesetzt. Damit kann der Kältebedarf für die Raumlufttechnischen Anlagen minimiert und die Ressource Trinkwasser geschont werden.

Fernwärme ist am Standort nicht verfügbar. Die Nutzung von Geothermie ist aufgrund der zur Verfügung stehenden Fläche als nicht ausreichend anzusehen und würde eine zusätzliche Spitzenlastabdeckung erforderlich machen.
Im vorgeschlagenen Konzept wird daher die Wärmeerzeugung für die Gebäude über einen Gas- Brennwertkessel realisiert. Die statischen Heizflächen werden entsprechend dem erforderlichen niedrigen Rücklauftemperaturniveau ausgelegt.
Im Neubau werden zusätzlich die Geschoßdecken mittels Betonkernaktivierung (BKT) als wärmeübertragende Flächen unter Ausnutzung der Speichereigenschaften des Betons verwendet. Die niedrige Übertemperatur sorgt für eine Verringerung der Bereitschaftsverluste.
Die BKT ermöglichet eine unsichtbare und geräuschlose Wärmeverteilung, die durch geeignete Zonierung die Wünsche nach einer flexiblen Raumgestaltung erfüllt.


Die Be- und Entlüftung der Nutzungsbereiche des Neubaus erfolgt mit Teilklimaanlagen, die bedarfsgerecht gesteuert werden und hocheffiziente Wärmerückgewinnungssysteme verwenden.
Zur Senkung der Betriebskosten werden die Ventilatoren FU- geregelt. Die Ansteuerung wird über Präsenzmelder bzw. eine CO2 Steuerung realisiert.
Durch den Einsatz adiabater Abluftbefeuchtung wird der Aufwand an Kälteenergie minimiert.

Die Kälteerzeugung wird direkt im RLT- Geräten, mittels Direktverdampfer, vorgenommen. Im Zusammenwirken mit einer hocheffizienten Wärmerückgewinnung durch Schichtenspeicher und adiabater Abluftbefeuchtung wird der Primärenergiebedarf auf ein Minimum reduziert.
Weitere Kälteerzeuger (Kältemaschine / Rückkühlwerke) sind nicht erforderlich.
WC werden mit einer zentralen Abluftanlage ausgestattet.
Der Standort der RLT- Zentrale befindet sich im Dachgeschoß des Neubaus. Durch die Anordnung kann auf eine Außen- und Fortluftführung im Gebäude verzichtet werden.
Besondere Berücksichtigung finden die Anforderungen an den Schallschutz.
Magazine / Archiv haben sehr geringen Bedarf an Außenluft und werden mit dezentralen Geräten versorgt. Anforderungen an Feuchtekonstanz werden ebenfalls mit dezentralen Befeuchtern erfüllt.
Die Luftführung in den Nutzungsbereichen wird unter der Maßgabe einer zugluftfreien und geräuschlosen Versorgung als Quellluftsystem geplant.

Die komplette Elektroinstallation wird nach den zurzeit gültigen Vorschriften und Richtlinien sowie den Technischen Anschlussbedingungen (TAB) des örtlichen Energieversorgungsunternehmens (EVU) und den Anforderungen der Stromversorger: hier Vattenfall Deutschland geplant. Als Kabel- und Leitungsmaterial wird von halogenfreien Materialien ausgegangen.
Die Netzversorgung erfolgt aus dem Niederspannungsnetz.
Zur Beleuchtungssteuerung wird eine tageslichtabhängige Steuerung mit dimmbaren elektronischen Vorschaltgeräten herangezogen mit der Zielsetzung der Reduzierung der Betriebskosten. Hierbei steht die vorrangige Nutzung des Tageslichts für die Beleuchtung der Räume unter Berücksichtigung des außen liegenden Sonnenschutzes im Vordergrund.
Es wird vorgeschlagen, Standleuchten (im Gegensatz zum „starren“ System der Decken- Pendelleuchten) für die Arbeitsplatzbeleuchtung einzusetzen. Die gewünschte Variabilität bei der Raumgestaltung wird bei sehr gutem Beleuchtungskomfort sichergestellt. Die Notwendigkeit einer Leerrohrinstallation und –planung entfällt.
Die Fotovoltaiksysteme werden auf dem nach Süden orientierten, geneigten Dach des Neubaus geplant. Bei geringer Eigennutzung des erzeugten Stroms dient das Stromnetz als virtueller Speicher.

Die Liegenschaft wird aus dem TK- Netz der Deutschen Telekom AG T- Com erschlossen.
Das Gebäude wird mit einer flächendeckenden Brandmeldeanlage ausgestattet.
Weitere sicherheitstechnische Anlagen (Sicherheitsbeleuchtung, Elektroakustische Anlagen) werden nach den Erfordernissen aus Brandschutzkonzept, Baurecht sowie etwaigen Auflagen aus der Baugenehmigung geplant.

Der behindertengerechte Personenaufzug im Neubau, mit Haltestellen ab U2, wird nach den zu ermittelnden Personenverkehrsströmen ausgelegt. Zur Reduzierung hochbaulicher Anforderungen wird er ohne eigenen Triebwerksraum geplant.

Die Ausstattung mit Steigleitungen folgt den Vorgaben des Brandschutzkonzeptes sowie den sonstigen öffentlich-rechtlichen Anforderungen.

Neben den Grundanforderungen an die Gebäudeleittechnik richtet sich die Ausstattung des Gebäudes unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte nach den Vorgaben und Anforderungen des Nutzers.

Raumakustik
Die Raumakustik wird durch Verwendung weicher Materialien in für eine Bibliothek angemessenem Maße realisiert. Gewährleistet wird dies durch die Bücher an sich oder durch eine Mikroperforierung der Holzmöbel. Der Bereich der Kinderbibliothek wird zusätzlich mit einem Teppich versehen

Beurteilung durch das Preisgericht

Am Entwurf besonders hervorzuheben ist seine städtebaulich behutsame Einordnung und die Aufnahme der historischen Raumstruktur, die Aufnahme der vorhandenen Traufhöhe sowie ein interessantes, spannungsreiches WandÖffnungsverhältnis der geputzten Lochfassade. Zustimmung finden ebenfalls die gut platzierten und proportionierten
Hauptzugänge, die Dachneigung der neuen Satteldächer entsprechend Haus Nr. 9 und die kompakte Raumstruktur des Eckgebäudes mit offenem Innenhof, der aus allen Ebenen einen Blick auf den Laubengang von Haus Nr. 9 zulässt.
Hinterfragt werden muss der dominante Westgiebel, welcher an Gebäude 6 anschließt und das ungewöhnlich steile Blechdach gegenüber der Badergasse am Schnittpunkt der beiden Hauptdachflächen.
Positiv zu bewerten ist das großzügige Eingangsfoyer mit der Möglichkeit der Nutzung als Café / Ausstellungs- und Veranstaltungsbereich. Im Zusammenhang mit dem Tresen der Bibliotheksausleihe ist dieser Bereich in der weiteren Planung zu konkretisieren. Klar gelöst ist die innere Erschließung mit einer offenen Haupttreppe und zwei entgegen
gesetzt angeordneten Fluchttreppenhäusern, die auch von den beiden Bestandsbauten mitgenutzt werden.
Das eigentliche Hauptthema des Entwurfes – und was ihn von allen anderen Entwürfen abhebt – ist die Einordnung es Freihandbereiches in einem abgesenkten Baukörper, der die gesamte Hoffläche ausfüllt und sein Licht sowohl aus Oberlichtbändern als auch von einem allseits verglasten, über ein zentrales Atrium erschlossenen, Pavillon erhält.