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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2012

Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie"-Morde

Perspektive I Visualisierung: Peter Flunkert I © WES LandschaftsArchitektur

Perspektive I Visualisierung: Peter Flunkert I © WES LandschaftsArchitektur

Engere Wahl

WES LandschaftsArchitektur

Landschaftsarchitektur

Hans-Hermann Krafft

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Unter dem Decknamen der Euthanasie „verwaltete“ und organisierte die Zentraldienststelle T4 im Dritten Reich nationalistische Patientenmorde. Letztendlich waren es „Schreibtischtäter“, die sich an diesem Ort der Planung und Vorbereitung der Morde und damit einem schrecklichen Vergehen gegen die Menschlichkeit schuldig machten.

Auf der Suche nach einem Ausdrucksmittel, um diesen „Tatort“ der Dienststellenmitarbeiter heute wieder als „Denkort“ sichtbar zu machen, sind wir auf folgendes Propagandainstrument gestoßen: Als eine der schärfsten Waffen im Kampf um „die restlose Erfassung aller Deutschen mittels der nationalsozialistischen Aufklärung und Lehre“ sah Hitler seine für alle verbindliche, einheitliche Parteisprache;. als Propagandamittel spielte sie eine herausragende Rolle. Damalige Verordnungen, Anordnungen, Begründungen, Meldebögen etc., die im Rahmen der Euthanasie-Verbrechen ihren Einsatz fanden, zeugen von dieser Sprache und Begriffsverwendung bzw. richtiger: einer Begriffsverfälschung und -verschleierung.

Gleich einem Abdruck, der nicht mehr wegzuwaschen ist, schieben sich die einzelnen Begriffe der Sprache des Dritten Reiches wie Zeitzeugen der Verbrechen aus dem Boden. Das Mittel der damaligen Zeit und das Instrument der Schreibtischtäter wird ganz bewusst aufgegriffen und wie eine verspätete Verurteilung für alle sichtbar aus dem „Dunkeln“, aus dem Versteck gehoben. Begriffe wie Tötungsanstalt, Selektion, unwertes Leben, Mord sprechen als stille Zeugen für sich.
Den Erfahrungen und Schrecken der Taten, die im Rahmen des Euthanasieprogrammes begangen wurden, sind die Artikel des Grundgesetzes und der Menschenrechtsverfassung entgegen gestellt worden. Auf diese gesetzliche Grundlage des Zusammenlebens der menschlichen Gesellschaft haben wir uns 1949 (Grundgesetz) geeinigt; auch heute finden sich immer wieder Dinge, die noch ergänzt werden müssen, wie z.B. 1994 das Benachteiligungsverbot von behinderten Menschen (Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes).

Die zwei in Bezug auf die damalige Zeit besonders wichtigen Sätze „Die Würde des Menschen ist Unantastbar“ und „Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich“ bilden den Teppich, die Plattform, die Ebene, in die sich die Taten von damals hineingebrannt haben und jetzt für alle sichtbar gemacht werden sollen.

In einem Fließtext aus hellen Buchstaben in Betonplatten ist der Text auf dem Platz in Deutsch und Englisch zu lesen. Die Anordnung der Buchstaben erinnert an das Setzkastensystem beim Drucken. Die Worte scheinen endlos weiterfließen zu wollen und werden letztlich nur von den Grundstückgrenzen begrenzt. Während der Betrachter den fortlaufenden Text liest, schieben sich auf dem Grundriss der ehemaligen Villa abrupt die Begriffe aus dem „Euthanasieverbrechen“ in dieselbe Zeile. Wir verstehen diese Darstellungsweise als Verweis darauf, dass das Thema keineswegs abgeschlossen ist und immer wieder darüber nachgedacht werden muss, ob wir uns in dem von uns gesteckten gesetzlichen und moralischen Rahmen bewegen, ob dieser geändert oder erweitert werden muss.

Die Schriftzüge im Boden sind bodenbündig und bestehen aus ca. 70 cm x 80 cm großen Betonplatten, auf denen sich helle Buchstaben auf grau-beigem Grund abzeichnen. Zwischen den Zeilen liegen ebenso grau-beige Betonplatten, so dass eine einheitliche Fläche entsteht, auf der die hellen, ca. 60 cm breiten Buchstaben gut zu erkennen sind.
Bei den erhabenen Buchstaben handelt es sich um ca. 260 hellgraue Betonfertigteile, die jeweils 45 cm hoch, 60 cm breit, unterschiedlich lang und zudem mit Blindenschrift versehen sind. Sie werden auf Punktfundamente gesetzt, die durch beige-graue Betonplatten abgedeckt werden.
Der Abstand der Zeilen untereinander ist mit einem Meter so gewählt, dass sich auch Rollstuhlfahrer oder Menschen auf Krücken zwischen den Zeilen bewegen können.

In Erinnerung an die Tätigkeiten im Gebäude T4 sollten die Informationstafeln als multimediale Lesepulte ausgebildet werden, deren Informationen visuell wie auch akustisch vermittelt werden.

Die Informationspulte bestehen aus hochverdichtetem, hellem, sehr glattgeschalten Fertigteilbeton mit einer bündig eingelassenen Betonplatten als Informationsträger von Text und Abbildungen, die im Siebdruckverfahren aufgebracht werden. Die tast- und schallabstrahlenden Platten sind aus Polyethan gefertigt. Die Multi-Media-Pulte sind mit Fotos, Abbildungen, Karten und Texten ausgestattet. Den visuellen Eindruck ergänzen hörbare Texte, die von den Besuchern durch Berühren einer Schaltfläche von ca. 40 x 40 cm aktiviert werden. Die Schaltfläche besteht aus einer bündig mit der Pultoberfläche eingelassenen, durchgefärbten, kratzfesten Polyethanplatte, ist vollständig geschlossen und damit absolut vandalismussicher.
Als Sensor wird ein kapazitiver Näherungssensor benutzt, der ähnlich den bekannten Ampel-Schaltflächen das Berühren der Schaltfläche registriert. Daraufhin setzt der Sensor einen Schaltimpuls zur Auslösung des Abspielvorganges für die Audiobotschaft. Solange die Hand eines Besuchers auf der Fläche verbleibt, spielt der Text ab. Sobald der Besucher die Hand von der Fläche nimmt, endet der Abspielvorgang. Er setzt erneut am Anfang ein, wenn der nächste Impuls erfolgt. Hierdurch werden die Besucher aufgefordert, sich haptisch mit dem Ort zu verbinden und dadurch ihre Konzentration auf den Text entscheidend zu erhöhen.

Zudem werden den Besuchern Sitzwürfel aus hellem Fertigteilbeton angeboten, die teilweise ebenfalls mit Abspieltechnik versehen sind. Die Bezugsachsen werden durch Bronze- oder Edelstahlbänder mit Gravur betont.

Im Nordosten des Grundstückes wird eine Baumpflanzung vorgeschlagen, die die lockere Baumstellung im Umfeld aufgreift, aber in ihrer Art Trauer und Kontemplation vermittelt wie z.B. eine Trauerweide oder eine Trauerbirke. Unter dem Baum ist eine Gedenktafel angeordnet.
Wortfeld I © WES LandschaftsArchitektur

Wortfeld I © WES LandschaftsArchitektur

Wortfeld I © WES LandschaftsArchitektur mit Hans-Hermann Krafft

Wortfeld I © WES LandschaftsArchitektur mit Hans-Hermann Krafft

Lageplan M 1:100 I © WES LandschaftsArchitektur

Lageplan M 1:100 I © WES LandschaftsArchitektur

Lageplan M 1:100 I © WES LandschaftsArchitektur mit Hans-Hermann Krafft

Lageplan M 1:100 I © WES LandschaftsArchitektur mit Hans-Hermann Krafft

Schnitte I © WES LandschaftsArchitektur

Schnitte I © WES LandschaftsArchitektur

Schnitte I © WES LandschaftsArchitektur mit Hans-Hermann Krafft

Schnitte I © WES LandschaftsArchitektur mit Hans-Hermann Krafft