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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2013

Aussenanlagen Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung (SFVV)

2. Preis

SINAI Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH

Landschaftsarchitektur

stoebo - Oliver Störmer & Cisca Bogman

Kunst

Erläuterungstext

Mitarbeit:
Stephanie Braconnier, Sophie Holz, Maja van der Laan, Martin Tietz

Cumulus und Fraxinus

Die Abweichung vom Berliner Blockrand gibt dem Deutschlandhaus zwei sehr verschiedene öffentliche Säume an Anhalter und Stresemannstraße. Über die einfache Pflasterdecke werden sie zu einem einheitlichen Rahmen zusammen-gefasst. Zwei Setzungen, eine bildhauerische und eine gartenkünstlerische, geben aber den verschiedenen Raumcharakteren mit ihren Aufgaben Ausdruck.

Stresemannstraße : Cumulus D3

Raum

Lediglich 5 Meter breit ist der Rücksprung des Europahauses gegenüber der Bauflucht um dem Haupteingang des Dokumentationszentrums Raum zu geben. Die Fläche ist von allen Einbauten und Möblierungen befreit. Der Raum wird bestimmt von einer präzise platzierten und proportionierten Skulptur nördlich des Eingangs. Mit dieser Setzung entsteht ein Merk- und Orientierungs¬zeichen für Besucher und Stadtöffentlichkeit.

Idee

Die Bronzeskulptur Cumulus D3 ist ein, am Computer entworfenes Raummodell eines imaginären Orts, welcher die politischen, gesellschaftlichen und sozialen Aspekte der Themen Flucht, Vertreibung und Versöhnung in plastischer Form zum Ausdruck bringt.
Die drei historischen Grenzen Deutschlands im 20.Jahrhundert, in den Jahren 1918, 1937 und 1990, werden gedanklich aus der kartografischen Fläche zu Raumkörpern extrudierten. Sie werden winkelig zueinander positioniert, so dass alle drei Raumkörper sich in einer imaginären Mitte durchkreuzen. Die jeweiligen Positionswinkel der drei Extrusionsobjekte werden auf einem gedachten Kreis so angeordnet, dass die korrespondierenden Jahreszahlen des Jahrhunderts der Minutenanzeige eines Uhrenziffernblatts entsprechen.
(z.B.: 15 Min. = 1925 / 30 Min. = 1950 / 45 Min. = 1975 / 0 Min. = 1900/2000). Alle Volumina, die nicht Teil der gemeinsamen, räumlichen Schnittmenge aller drei Körper sind, werden verworfen und entfernt. Das verbleibende Restvolumen ergibt einen neuartigen, plastischen Geometriekörper, der die gemeinsame Schnittmenge aller drei Formen repräsentiert.

Ziele

Der, aus diesem Prozess resultierende Raumkörper ist eine vielschichtige und vielansichtige Skulptur, deren unregelmäßige und gebrochene Gestalt bei näherer Betrachtung unterschiedliche Assoziationen hervorruft. Der Ausgangsgedanke, der sich aus der Gestalt territorialer Grenzen ableiten lässt, bleibt je nach Betrachtungswinkel mehr oder weniger zu erahnen, jedoch verliert sich das konkrete Deutschlandbild bei wechselnden Standpunkten zum Objekt und gibt Anlass zur weiteren assoziativen Spekulationsketten über Form und Gestalt. Dabei wirkt die zerklüftete Struktur zunächst so frei und unverfänglich: ein Fels, ein Meteorit, eine Welle, möglicherweise eine Wolke ?

Die Skulptur Cumulus D3 versteht sich nicht als ein kleinster gemeinsamer Nenner, sondern als imaginäre Mitte, als gedanklicher Nukleus einer hypothetischen Vorstellung Deutschlands, welche zwar aus Fakten der Vergangenheit konstruiert ist, aber in der Gegenwart verankert, auf potentielle Möglichkeiten verweist.
Durch die Positionierung zur Eingangsseite der Stiftung werden bewusst Bezüge zum Deutschlandhaus mit der historischen Fassade und zum Schriftzug über dem Portal hergestellt. Das Ensemble Europahaus und Deutschlandhaus wird um eine zusätzliche Facette erweitert.
Die Skulptur Cumulus D3 ist ein mehrdeutiges Spekulationsobjekt, welches bezogen auf den Standort am Eingang der Stiftung dem Betrachter ein Anstoß zum Nachdenken über Flucht, Vertreibung und Versöhnung sein möchte. Dies könnten Reflexionen sein, über die Flüchtigkeit territorialer Grenzen, über die Prinzipien und Veränderlichkeit von Nationalstaatlichkeit und über ihre tragischen Folgen.

Herstellung

Ausgehend von den CAD-Daten des errechneten 3D-Modells, wird ein Formmodell im Maßstab M 1:1 in einem abformbaren Material erstellt (z.B. Styrodur; Polystyrol; SLS). Das Modell wird mit einem Mehrachsenrobotor computergesteuert CNC gefräst. Für den Bronzeguss werden die Einzelteile des zerlegten Modells in Formsand abgeformt und für den Guss aufbereitet. (Sandgussverfahren) Nach dem Guss werden die Schalen zusammengesetzt und verschweißt. Die Oberfläche der Bronzeskulptur wird an den Nähten überarbeitet, ziseliert und Sandstrahl behandelt. Abschließend wird die Skulptur patiniert und gewachst und damit gegen atmosphärische Einflüsse geschützt.

Die Skulptur wird an der vorgesehenen Stelle auf einem Betonsockel (Sichtbeton) platziert und verankert. Der Betonsockel bietet die Möglichkeit die Skulptur auf Augenhöhe zu positionieren, außerdem dient er auch als statischer Massekörper für das Objekt, dessen Aufstellung und Verankerung nach statischen Berechnungen erfolgt.

Technische Angaben

Maße Bronzeskulptur: ca. 300 x 150 x 185 cm (L x B x H)
Maße Betonsockel: ca. 200 x 200 x 100 cm (L x B x H)
Maße gesamt: ca. 280 x 260 x 285 cm (L x B x H)
Gewicht Bronzeskulptur: ca. 2,0 t
Gewicht Betonsockel: ca. 9,6 t
Oberfläche Bronze: patiniert und gewachst

Anhalter Straße : Fraxinus

Die fast dreieckige Fläche an der Anhalter Straße weitet sich bis zu 25 Metern auf. Im Schwerpunkt dieser Fläche entsteht mit den Jahren aus bizarr formierten Einzelpflanzungen eine unverwechselbare Baumgruppe mit einem skulpturalem Geflecht von Stämmen und Ästen. Mit dieser Setzung entsteht ein attraktiver Aufenthaltsort als Treff- und Wartepunkt.

Die Idee geht zurück auf Techniken des klassischen Landschaftsgartens, wirkt im städtischen Raum aber fremd. In der Baumschule werden 7 ein- und doppelstämmige Stammbüsche von Fraxinus americana (Amerikanische Esche) ausgesucht. Sie werden in eine kreisförmige, schildartig überwölbte Fläche mit einem Durchmesser von 10 Metern gepflanzt. Die gerade gezogenen Stämme werden „schief“ mit Außenneigungen bis zu 60 Grad gepflanzt. Durch den pflanzentypischen negativen Geotropismus entwickeln sich die Hauptäste der Kronen von diesem Moment an wieder bevorzugt entgegen der Achse zum Erdmittelpunkt. Die Bäume richten sich in ihrem Wuchs auf den neuen Standort ein, entwickeln auf den schiefstehenden Stämmen aufrechte Kronen und verwachsen im Lauf der Jahre zu einer gemeinsamen Gestalt. Ihre Entwicklungsgeschichte wird in ihrem Habitus aber immer ablesbar bleiben. Der Prozess der Veränderung wird Teil der Gestaltung.

Flächenbelag

Als verbindender Teppich um das Gebäude wirkt eine Decke aus Mosaikpflaster. Das vorhandene Material wird dabei wiederverwendet und der tradierte Duktus des Berliner Gehweges wird aufgegriffen. Fehlmengen in der Größenordnung von 10% werden durch die freie Einstreuung von kontrastierendem Basalt-Mosaik ausgeglichen. Höhenausgleiche wie die Anbindung des Haupteingangs (Gefälle bis 3%) sind mit dem flexiblen Belag gut auszuführen.
Für den funktional bestimmten Ostbereich (wie auch der Zufahrt) wird die Verwendung eines gegrindeten Asphaltbelages mit Basaltzuschlag vorgeschlagen.
Organisation und Ausstattung
Die Eschengruppe als Mittelpunkt des Aufenthaltsbereichs erhält eine leichte, schwebend wirkende Bank aus eloxiertem Streckmetall. Der Außenbereich der Gastronomie wird im Sommer mit Schirmen besetzt, ortsfeste Einbauten oder Bepflanzungen werden vermieden.
Fahrradständer werden als Bügelparker vor der Südfassade (öffentliche) und im Hofbereich (für Mitarbeiter) angeboten. Die Stellplätze im Öffentlichen Bereich liegen an der Zufahrt auf der Pflasterdecke. Sie werden nicht explizit baulich unterschieden, sondern lediglich markiert und gebunden ausgeführt. Die beiden weiteren Stellplätze wie auch der Müllbereich sind im Hofbereich nachgewiesen.