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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2013

Renovierung und Umgestaltung der Publikumsbereiche im Erdgeschoss der Amerika-Gedenkbibliothek

Perspektive - Alt und Neu

Perspektive - Alt und Neu

2. Preis

Preisgeld: 2.500 EUR

AV1 Architekten GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Analyse des Vorgefundenen

Betritt man die Amerika-Gedenkbibliothek in ihrem jetzigen Zustand, findet man sich in einem seltsamen, ambivalenten Schwebezustand zwischen der einerseits sehr starken räumlicher Prägnanz des denkmalgeschützten Gebäudes und einer unübersichtlich und konzeptlos wir-kenden Inneneinrichtung wieder. Die einzelnen Räume spiegeln die mangelnde Gewachsenheit der Räumlichkeiten an die heutigen Anforderungen und Kapazitäten der Bibliothek wieder.

Der Möblierung sieht man die Jahre der Nutzung deutlich an. Das Nachrüsten und Ergänzen über lange Zeit hinweg, sowie etliche Notlösungen prägen optisch das Erscheinungsbild. Viele Möbel wirken abgenutzt. Neben den historischen Einrichtungsgegenständen finden sich unterschied-lichste nicht aufeinander abgestimmte Regale, Tische und Sondermöbel späterer Epochen. Ein klares Möblierungskonzept lässt sich nicht ablesen.

Ganz im Gegensatz hierzu steht die gelungene Architektur des Gebäudes, insbesondere des Lesesaals mit seinem, für damalige Zeiten innovati-ven „Open-Plan-Konzept“. Der Lesesaal bietet einen hellen, durch seine stützenfreie Ausbildung, nahezu frei bespielbaren Raum. Die fächerförmige Aufweitung zur vollständig verglasten Südseite und die in der Raumhöhe ansteigenden Tonnendach-Segmente unterstreichen den offenen Raumcharakter des Lesesaals zusätzlich.

Diese Ambivalenz zwischen räumlicher und architektonisch wertvoller Prägnanz und dem sowohl formell als auch konzeptionell unausgereiften Möblierungskonzept gilt es durch das neue Gestaltungs- und Organisationskonzept zu beheben.

Die Bibliothek wird täglich von ca. 4.000 Menschen besucht. Der Nutzerkreis setzt sich aus den verschiedensten Bildungsschichten, Professionen, Ethnien und Altersgruppen zusammen.. Diesen Nutzergruppen soll durch die Neugestaltung der Besucherbereiche eine nutzerfreundliche, ansprechende, leistungsfähige und variabel nutzbare Bibliothek geschaffen werden. Die Amerika-Gedenkbibliothek soll zu einer leistungsfähigen und zukunftsorientierten Bibliothek werden, die ihren historischen Stellenwert in der Bibliothekenlandschaft Berlins behaupten kann.


Grundkonzept

Ziel des Entwurfs ist ein dem historischen Baudenkmal angemessenes und den heutigen Erfordernissen gerecht werdendes Gesamtkonzept, das für alle Nutzergruppen ein gleichermaßen freies und konzentriertes Arbeiten, eine leichte Orientierung und klar definierte und gut nutzbare Funktionsbereiche bietet. Dies wird durch eine eindeutige Strukturierung des Raums in verschiedene Zonen erreicht.

Die einzelnen Funktionsbereiche wie Einzel- und Gruppenarbeitsplätze, Medienbestände und Servicebereiche werden klar voneinander getrennt, um zum einen eine eindeutige Orientierung und eine Beruhigung des Raumeindrucks zu ermöglichen und zum anderen eine leistungsfähige Nutzung der einzelnen Bereiche zu gewährleisten.

Die Medien inklusive der Rücklaufflächen werden in der mittleren Raumzone kompakt verdichtet, die Arbeitsplätze orientieren sich in aufgelo-ckerter aber stringenter Form parallel zu den Glasfassaden des Gebäudes.


Materialität, Form und Farbe

Im aktuellen Zustand fallen vor allem eine Vielzahl verschiedener Oberflächen, Formen, Materialien und Farben ins Auge, die im Zusammenspiel kein stimmiges Gesamtbild ergeben und die historische Bausubstanz nicht wirklich erlebbar machen.

Dieser Entwurf verfolgt den Ansatz, die Möblierung in Materialität, Formensprache und Farbwahl soweit wie möglich zu reduzieren, um die leichte und filigrane Raumsituation des Baudenkmals zu verstärken.

Die weißen Decken und Wände werden durch einen anthrazitfarbenen, leicht marmorierten Linoleumboden ergänzt, der eine stilistische Remi-niszenz zum historischen Gummiboden bildet.

Alle im Sonderbau hergestellten Einrichtungsteile ( Informationstheken, OPAC-Rechercheplätze, Themenbereich, Artothek, etc. ) folgen einer kubisch, reduzierten Formensprache. Diese wird zusätzlich betont durch eine monochrome Farbgebung aus weißen Korpussen auf anthrazitfar-benen Sockeln, welche lediglich durch den Einsatz eines Akzentfarbtons durchbrochen wird. Als Akzentfarbton wird der Türkiston der originalen Trapez-Tische aufgegriffen, dieser wird zur neuen Leitfarbe der Amerika-Gedenkbibliothek.


Historische und neue Möblierung

Die historischen Y-Ständer-Regale werden vollständig weiterverwendet und weitestgehend mit Reproduktionen ergänzt. Die Regale werden aufgrund ihres abgenutzten Zustands aufgearbeitet. Dabei sollte – falls dies aus denkmaltechnischer Sicht möglich ist – über eine Veränderung der Farbbeschichtung der Fachböden nachgedacht werden ( weiß statt beige ), um dem Gedanken einer beruhigteren Farbsprache zu folgen.

Vor allem Sonderregale, wie z.B. Zeitschriftenregale oder Regale für DVDs und Videofilme sollten soweit möglich im gleichen Duktus wie die historischen Regale, auf Basis des Y-Ständers hergestellt werden um ein möglichst homogenes Gesamtbild zu erzeugen.
Die türkis- und anthrazitfarbenen Trapeztische sowie die Wilde & Spieht Stühle werden ebenfalls komplett übernommen und ergänzt.

Alle neuen im Sonderbau hergestellten Möbel (Informationstheken, OPAC-Rechercheplätze, Themenbereich, Artothek, etc. ) werden als weiße, HPL-beschichtete Möbel geplant.


Foyer

Das Foyer wird - soweit möglich - von allen ihm fremden Funktionen ( wie z.B. Computerarbeitsplätzen ) befreit und in seiner ursprünglichen Funktion als Ankunfts- und Kommunikationsort gestärkt.

Die Garderobe wir flächenmäßig halbiert und abgetrennt, um Platz für eine kleine Cafébar zu schaffen. Diese bietet mit einer kleinen Theke mit Auslage und Kühlvitrine und einem rückwärtigen Arbeitsbereich mit Spüle, Handwaschbecken, Kühlschrank, Espressomaschine und Stauraum für Geschirr und Lebensmittel alles was ein kleines Café benötigt.

Das Foyer wird im Bereich der Natursteinwand mit dem Gründungszitat – wie auch die „Leselounge“ für Zeitungen und Zeitschriften – mit einfa-chen, weißen Sitzwürfeln und Tischen ausgestattet. Diese können individuell positioniert werden und laden zum Verweilen und Kommunizieren ein. Das Foyer wird somit zur räumlichen Erweiterung des Cafés.
Die Verbuchungsautomaten verbleiben an Ort und Stelle, ebenso der Arbeitsplatz für das Sicherheitspersonal, welcher jedoch eine neue, funktio-nale Theke erhält.


Lesesaal

Der große Lesesaal bildet das Herzstück der Bibliothek und verdient somit besondere Aufmerksamkeit. Mittelpunkt und zentrale Anlaufstelle des Lesesaals bildet die Hauptinformationstheke mit dem dahinterliegenden, neuorganisierten Themenbereich.

Die niedrige Höhe der neuen Möblierung im Mittelbereich und die geschlossene Flankierung der Bücherregale öffnet dem Eintretenden den Blick durch die verglaste Südfassade ins Grüne und setzt die Achse aus Foyer und Durchgangsbereich im Lesesaal weiter fort.

Die Bücher und Nonbooks inklusive der Rücklaufflächen werden in einem kompakten Mittelblock verdichtet. An diesen „Bücherblock“ lagert sich im Norden die parallel zum Gebäuderiegel laufende Haupterschließung an. Die zur Haupterschließung orientierten „Köpfe“ der Regalreihen nehmen die verschiedenen Service-Funktionen wie Informationstheken, OPAC-Rechercheplätze und Präsentationsflächen der einzelnen The-menbereiche auf.

Nach Süden – parallel zur Glasfassade – lagern sich die Einzelarbeitsplätze an den Bücherblock an und bieten eine räumlich reizvolle und gut nutzbare Arbeitsatmosphäre mit Blick ins Grüne. Die Arbeitsplätze sind in 4er-Gruppen organisiert, um einerseits Kommunikation zuzulassen, andererseits aber auch für eine größtmögliche Privatheit der Nutzer zu sorgen. Die Arbeitsplätze werden in gleichbleibendem Rhythmus von Computerarbeitsplätzen mit Internet-, OPAC- und Datenbankzugang ergänzt.

Den östlichen Abschluss des großen Lesesaals bildet die neugestaltete Artothek, im Westen bildet der Zeitungs- und Zeitschriftenbereich mit angegliederter „Leselounge“ den Schlusspunkt des Lesesaals.


Annex

Am nord-westlichen Ende schließt der Annex an den Lesesaal an. Der Annex bietet sich aufgrund seiner vom Lesesaal leicht abgewandten Lage ideal als Gruppenarbeitsbereich an. Durch eine Schiebewandanlage aus Glas wird eine einfache und effiziente Abgrenzung des Raumbereichs geschaffen.

Der Raum bietet Platz für 40 Gruppenarbeitsplätze, die durch die räumliche, sowie auch physische Trennung vom Lesesaal einen deutlich bes-seren Umgang mit dem durch Gruppenarbeit entstehenden Lärmpegel ermöglichen. Durch die räumliche Abtrennbarkeit ist der Annex prädestiniert für eine multifunktionale Raumnutzung. Durch Umgruppierung der Tische und Stühle bietet er Raum für Lesungen oder Vorträge für bis zu 100 Personen, Konferenzen, Seminare und Diskussionsrunden.

Zwei der historischen Hörkabinen werden durch einen Tisch und ein kleines Einbauregal zu längerfristig anmietbaren Arbeitsplätzen für kon-zentrierte Einzelarbeit wie z.B. Dissertationen, Diplom- oder Magisterarbeiten umfunktioniert. Die dritte Hörkabine wird in den Originalzustand zurückversetzt und dient als historisches Anschauungsobjekt.


Artothek

Kernstück der Artothek bildet eine, der Zonierung des großen Lesesaals folgende, Schiebewandanlage zur Unterbringung des Gemäldebestan-des. Diese bietet auf 32 Gitterschiebewänden mit ca. 100lfm ausreichend Platz für die 250 Kunstwerke aus den Bereichen Malerei, Grafik und Fotografie.

Der mittig platzierte, mit 1,60m x 3,00m großzügig dimensionierte Packtisch ist mittig hinter der Treppe zur Kinderbibliothek platziert und bietet Platz zum Verpacken der Kunstwerke sowie Stauraum für Verpackungsmaterial.

Die 40 Plastiken finden in großformatigen Vollauszügen ebenfalls in diesem Packtisch Platz. Ausgewählte Plastiken werden auf Sockeln parallel zur östlichen Glasfassade inszeniert.


Akustik

Eine ausgewogene Raum-Akustik ist im großen Lesesaal aufgrund der großen schallharten Flächen, des großen Raumvolumens und der denkmalgeschützten Bausubstanz nur sehr schwierig zu realisieren. Schallschluckende Maßnahmen, wie z.B. Akustik-Baffels können aufgrund der starken Beeinträchtigung des historischen Raumeindrucks nicht in Betracht gezogen werden. Auch die historische Möblierung bietet keine Möglichkeiten zusätzliche schallschluckende - oder dämpfende Maßnahmen nachzurüsten.

Die effizienteste – und für den historischen Raumeindruck verträglichste – Schallschutzmaßnahme wäre das Einbringen eines speziellen Akus-tikputzes auf den Tonnendecken. Somit ergäbe sich eine akustische Absorptionsfläche von ca. 1.300 m2.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit überzeugt im ersten Eindruck durch eine klare Strukturierung des Hauptraums und durch ein reduziertes Farb- und Möblierungskonzept, das der Amerika-Gedenkbibliothek angemessen scheint. Im Eingangsbereich wird eine klare Achse aufgespannt, der Blick fällt ungestört über die Theke bis in den Außenraum hinaus. Die Haupttheke erscheint jedoch zu weit nach vorne geschoben, so dass eine Pufferzone in diesem Bereich vermisst wird. Die Selbstverbuchungsgeräte im Durchgangsbereich sind störend, da im Bereich der Rückgabeautomaten Raum für Schlangenbildungen sein muss.

Entlang der Südfassade werden Arbeitsplätze von hoher Aufenthaltsqualität gebildet; der Problematik der Klimatisierung in diesem Bereich wird durch der Anordnung der Tische begegnet. Die Bewegungsfolge der Besucher ist gut organisiert. Die Anordnung der OPACs entlang der Regalreihen erscheint schlüssig. Durch die blockhafte Anordnung der Bücherregale entlang der Mittelachse des Hauptraums erscheint eine Unterteilung in Themenbereiche unproblematisch.

Das Café im Foyer erscheint zwar gut strukturiert, die Lage außerhalb der Bibliothek allerdings weniger attraktiv. Mit dem Verbleib der Musikbibliothek im ehemaligen Auditorium erscheint die Chance vergeben, in der Nähe zum Eingangsbereich eine attraktive Nutzung herzustellen. Der Einblick vom Foyer aus wird durch Bücherregale blockiert; auch beim Zugang vom Hauptraum aus wird der Bewegungsfluss jäh unterbrochen. Die Lage und Strukturierung der Artothek fällt hingegen sehr positiv auf.

Die Gruppenarbeitsbereiche sind im heutigen Annex verortet und durch Schiebewände vom Geschehen im Hauptraum separiert. Diese eigentlich interessante Lösung wird jedoch mit einer Reihe von Nachteilen erkauft. Die Anzahl der Arbeitsplätze erscheint nicht plausibel. Die Nutzung als Multifunktionsraum ist aufgrund der Lage wenig attraktiv. Die im Westen verortete Leselounge lässt eine Nähe zum im Foyer verorteten Café vermissen.

Der Verfasser schlägt vor, die Böden der Bestandsregale weiß zu lackieren. Dies ist aus denkmalpflegerischer Sicht zumindest problematisch. Insofern ist das Farbkonzept des Entwurfs zu überdenken. Der vom Verfasser vorgeschlagene Akustikputz scheint aus bautechnischen Gründen nur schwer realisierbar (Rabitzdecke). Zudem werden die Kosten dieser Maßnahme in den Schätzungen nicht berücksichtigt.
Perspektive - Alt und Neu

Perspektive - Alt und Neu

Perspektive - Haupttheke

Perspektive - Haupttheke

Perspektive - Artothek

Perspektive - Artothek

Grundriss

Grundriss

Schnitt - Großer Lesesaal

Schnitt - Großer Lesesaal