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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2013

EnergiePlusHäuser

SW-Perspektive

SW-Perspektive

Anerkennung

Preisgeld: 1.500 EUR

AMUNT Architekten Martenson und Nagel Theissen

Architektur

rheinpark_r Ralph Röwekamp Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Haus mit Sieben Leben

Die Lebensdauer eines Wohnhauses in Deutschland beträgt etwa 100 Jahre.
Angesichts der sich stetig verändernden Anforderungen an das Wohnhaus während der Lebensphasen seiner Bewohner, stellt sich die Frage nach einer Nachhaltigkeit gänzlich neu.

Ein Haus hat sieben Leben.
Oberstes Entwurfsziel war es ein nachhaltiges Gebäude hinsichtlich der verwendeten Materialien und der eingesetzten Technik zu planen und zudem den gesamten Lebenszyklus der Bewohner und ihrer verschiedenen Nutzungsszenarien mitzudenken. Das Haus mit Sieben Leben bietet seinen Bewohnern mit den unterschiedlichsten Lebensentwürfen Raum, bei nur minimalem Umbauaufwand. Diese Adaptionsfähigkeit ist eine wichtige Komponente zukunftsfähiger Gebäude, die den Bewohnern größtmögliche Freiheiten einräumt.

Kubatur
Das Gebäude ist mit seinem quadratischen Fußabdruck von 8,5 x 8,5m auf verschiedenartigste Grundstückszuschnitte und Orientierungen anpassbar. Ein Hauptbaukörper mit asymmetrischem Satteldach, auf dem die Solar-Anlage integriert ist, wird westlich im Erdgeschoss und im 1. OG durch einen Vorbau erweitert. Man betritt das Haus von Norden über dem vor dem Haus liegenden Hof oder wahlweise durch den Nebeneingang im Westen, wo der Balkon den überdachten Stellplatz für das Elektroauto bildet.

Der große Hauptraum im Erdgeschoss orientiert sich hauptsächlich nach Süden und setzt sich durch eine großzügige, in das Gelände eingeschnittene, hofartige Terrasse im Garten fort. Gefasst wir die Terrasse von dem umgebenden Garten und Hochbeeten an denen z.B. stehend gegärtnert werden kann. Über eine Treppe im Nordosten gelangt man in einen offenen Bereich im Obergeschoss, der sich ebenfalls zum Garten hin durch einen großflächig verglasten Erker und nach Südwesten durch den großen Balkon - das Dach des Carports - erweitert. Je nach Grundstückssituation kann die nutzbare Balkonfläche variieren, damit keine Abstandsflächen ausgelöst werden. Ein Teil des Balkons wird dann als Pflanzenaufstellfläche ausgewiesen.

Im Dachspitz befindet sich ein weiterer, funktionsoffener Raum der z. B. als alternatives Wohn-, Schlaf- oder Arbeitszimmer, als Spielfläche oder für Gäste genutzt werden kann.
Anpassungsfähigkeit: Aus Eins mach Zwei, Drei

Zukunftsfähig und flexibel lässt sich das Haus ohne viel Aufwand in zwei Einheiten mit jeweils separatem Eingang aufteilen. Je nach familiärer oder beruflicher Situation der Bewohner kann das Haus auf sich wandelnde Anforderungen reagieren und mit minimalen Eingriffen neuen Rahmenbedingungen angepasst werden. Die Wandlungsfähigkeit der Grundrisse wird exemplarisch anhand drei markanter Lebensentwürfe gezeigt. Auch in einem Trennungs- oder Erbfall könnte das Haus aufgeteilt werden, um es so halten zu können.

Leben1: Familie mit 1 bis 3 Kindern
Der Hauptlebensbereich befindet sich im Erdgeschoss. Im Süden liegt die große Wohnküche mit einem niedrigeren, intimeren Wohnbereich im Südwesten. Das Zimmer im Nordwesten kann entweder als elterliches Schlafzimmer, als häusliches Arbeitszimmer oder Büro genutzt werden. Begibt man sich in das Obergeschoss öffnet sich der Raum in einem großen Wohn- und Spielzimmer über einen nach Süden ausgerichteten Erker zum Garten. Hier befinden sich 2 weitere Zimmer und ein Zimmer im Dachspitz. Wohnfläche 124 qm

Leben 2: Seniorenehepaar im EG + Kleinfamilie im OG
Die Senioren wohnen barrierefrei im Erdgeschoss (48 qm zzgl. Terrasse)mit separatem Westeingang. Die Trennung der beiden Einheiten erfolgt z. B. über die Schließung des nördlichen Zugangs zum Hauptwohnraum. Die Familie betritt ihre Wohnung (74 qm) über den Nordeingang. Von der Diele aus gelangt über die Treppe direkt in den großzügigen Wohnbereich im OG mit Küche und 12 qm großen Balkon im Westen, wofür lediglich eine reversibel gestaltet Trennwand entfernt werden musste. Das Kinderzimmer liegt ebenfalls im 1. OG und der Schlafraum der Eltern im Dachspitz.

Leben 3: Arbeiten und Wohnen: Büro im EG und Wohnen im OG
Das Erdgeschoß wird z.B. als Grafikbüro genutzt und der Eigentümer wohnt darüber, wie es in alten Handwerkerhäusern üblich war. Hier gelangt man wie bei „Leben 2“ über die Diele und Treppe direkt in den Wohn-/Essbereich mit Küche und 2 Schlafzimmern 1.OG. Das intime Wohnzimmer ist hier eine Etage höher im Dachspitz.

Leben 4: Familie mit 2 Kindern und Aupair- Mädchen
Im Erdgeschoß bewohnt das Aupairmädchen das Einliegerzimmer mit Bad, die Familie in den übrigen Räumen im EG und den Obergeschossen

Leben 5: Pflegebedürftige Person mit 24h Pflegekraft im EG + Kleinfamilie im OG
Im Erdgeschoß kann ein Pflegebett aufgestellt werden. Küche und Bad sind Barrierefrei erreichbar. Im Einliegerzimmer wohnt die Pflegekraft und teilt sich das Bad mit der Hauseigentümerin.

Leben 6: Mitt- dreißiger Wohngemeinschaft (3 Erwachsene) mit gemeinsamen Wohnräumen
Die Bewohner haben jeweils einen privaten Schlafraum im EG/OG oder DG und teilen sich die Wohnräume von denen es zwei größere gibt.

Leben 7: Abbau
Das Haus wird in seine Einzelteile zerlegt und dem Wertstoffkreislauf wieder zugeführt.

Konstruktion
Das Haus mit Sieben Leben als Massivholzbau in Brettsperrholzbauweise geplant. Diese Bauweise ermöglicht durch Ihren hohen Vorfertigungsgrad eine rasche Rohbaumontage, eine trockene Baustelle und eine kurze Bauzeit.
Konsequent zieht sich das Material Holz, das als nachwachsender Rohstoff wegen seiner günstigen Energiebilanz ausgewählt wurde, durch die Konstruktion und Oberflächen im Inneren. Der diffusionsoffener Aufbau der Außenwände und die hygrische und thermische Speicherfähigkeit der Massivholzwände führen zu einem behaglichen Raumklima. Die Fassade ist mit Rauten-Schindeln aus Zinkblech gedeckt, die aufgrund ihrer Nachhaltigkeit in Bezug auf Langlebigkeit, 100-prozentige Recyclingfähigkeit und geringem Primärenergiebedarf bei der Herstellung - ausgewählt wurden.

Energetisches Konzept
Die dichte Hülle des Plus-Energie-Hauses und die notwendige Reduzierung der Lüftungswärmeverluste bedingt eine mechanische Belüftung. Ein Passivhaus- Kompaktgerät mit Fortluftwärmepumpe regelt die mechanische Belüftung, die Raumtemperierung und die Warmwasserbereitung. Eine ergänzende solarthermische Anlage mit Pufferspeicher und etwa 8-10 qm Fläche auf dem nach Südwesten ausgerichteten Pultdach unterstützt sowohl die Warmwasserbereitung als auch die Heizung. Darüber hinaus wird zur Vorkonditionierung der Außenluft ein Erdwärmetauscher eingesetzt, der im Winter die Außenluft vorwärmt und im Sommer kühlt. Durch geschickt angeordnete Dachflächenfenster kann im Hochsommer der Kamineffekt genutzt werden, um das Haus mit Sieben Leben durch die Möglichkeit der freien Fensterlüftung mit kühler Außenluft zu durchspülen. Markisen verschatten im Obergeschoß die großformatigen Fenster. Im Erdgeschoss dagegen kann auf zusätzlichen Sonnenschutz verzichtet werden, da der Fensteranteil nach Osten hin gering ist und im Süden und Westen Erker und Balkon Schatten liefern.
Einen wesentlichen Einfluss auf das Raumklima haben die verwendeten Baustoffe. Als Dämmmaterial wurde deshalb Holzfaserdämmung gewählt, da sie durch ihre hohe Dichte und spezifische Wärmekapazität auch hervorragen als sommerlicher Hitzeschutz geeignet ist.

Beurteilung durch das Preisgericht

Leitthema der räumlichen Konzeption der Wettbewerbsarbeit sind unterschiedliche Nutzungskonstellationen, die sich im Laufe einer Nutzungszeit von ca. 100 Jahren in dem EnergiePlusHaus einstellen könnten. Hierzu werden drei sparsame und räumlich variantenreiche Grundrisse entwickelt. Dieser Entwurfsansatz spiegelt sich in der eher als additiv zu beschreibenden Kubatur und Fassadenentwicklung.

Das Gebäude entwickelt sich über drei Geschosse mit einer kombinierten Satteldach-/
Puldachform. Der heterogene Beukörper erhält den Innenräumen entsprechende Fensterformate und wird durch die durchgehende Zinkschindelfassade vereinheitlicht. Das heterogene Bild des Entwurfs setzt sich auch in der Bearbeitung der Topographie (Absenkung der Gartenterrasse) und dem üppigen Gartenbild wider. Hierdurch ergibt sich abweichend zu anderen Arbeiten auch zur Straße ein abwechslungsreiches Fassadenbild.

Die Erschließung des Gebäudes erfolgt straßenseitig über eine seitlich angeordnete Treppe. Geschossinterne Erschließungsflächen sind auf ein Minimum reduziert und werden z.T. in kommunikative Gemeinschaftsflächen in den Geschossen integriert. Das abgesetzte EG kann (eingeschränkt) barrierefrei über eine Rampe erschlossen werden. Die Orientierung der Hauptnutzräume nach Süden und Westen minimiert den Schalleintrag von Norden. Der Fensterflächenanteil ist eher moderat im Mittelfeld angesiedelt.

Aufgrund der Geschossigkeit wird eine vergleichsweise geringe Grundstücksfläche überbaut und somit wenig Fläche versiegelt. Der Entwurf setzt in der Baukonstruktion auf den nachwachsenden Baustoff Holz im Bereich der Primärkonstruktion wie der Dämmung. Ergänzend hierzu wird die Wetterhaut des Gebäudes aus langlebigem und recyclingfähigem Zink erstellt. Das Energiekonzept kombiniert eine Wärmeversorgung auf Basis von Solarkollektoren und Wärmepumpe. Der spezifische Energiebedarf liegt unter dem Durchschnitt der eingereichten Arbeiten. Die PV-Stromerzeugung ist zur Erreichung des Dortmunder Standards ausreichend und zeigt eine richtig dimensionierte Solaranlage. Zudem wird das geringe A/V-Verhältnis und das relativ geringe BRI/BGF-Verhältnis sichtbar. Das geringe A/V-Verhältnis und der geringe BRI/BGF-Wert spiegeln ein wirtschaftliches Raum- und Baukonzept wider, das auch in der sparsamen Grundrisskonzeption erkennbar ist. Darüber hinaus ist aufgrund der entwickelten Grundrissvarianten eine lange Nutzungsdauer zu erwarten.

Abschließend leistet das Projekt einen interessanten, wenn auch unkonventionellen Beitrag zur zukünftigen EnergiePlus-Alltagsarchitektur.
Grundrisse SiebenLeben

Grundrisse SiebenLeben