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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2014

Neubau eines Ausbildungs- und Seminargebäudes für die Akademie für Internationale Zusammenarbeit (AIZ)

1. Preis / Zuschlag

Preisgeld: 40.000 EUR

Waechter + Waechter Architekten BDA PartmbB

Architektur

Landschaftsarchitektur und Ökologie - Angela Bezzenberger

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Vielfalt und Ordnung

Die Vision eines ‚Lernhauses‘ mit ‚Lernlandschaften‘ ist außerordentlich inspirierend – zumal auf einem Grundstück, das für dieses Konzept den adäquaten Rahmen bildet. Das zunächst ein-engende Baufenster erweist sich als heilsam, weil dadurch die Landschaft in ihren wesentlichen Merkmalen (Waldrand, Alleen, Wiesen und Hecken) erhalten bleibt.

Gesucht wird eine Architektursprache, die die Unruhe des Lernens ausdrückt - das ständige Suchen, Reflektieren, das Ausschweifen, das Neugierige, in alle Richtungen Schauende, dies trotz allem diszipliniert und mit systematischer Ordnung.

Der strukturalistische, netz-/clusterartige Ansatz des Entwurfs drückt diese Vielfalt und Ordnung lebendig aus. Spielerisch fügt sich der Baukörper in das Baufenster ein - durch die Diagonalstellung blickt der Neubau zum Bestand, so dass der gewünschte Dialog entsteht. Die rundum, vielgliedrig gestufte Fassade erlaubt fast überall Ausblicke in 2 oder 3 Richtungen, um das ‚lernende Suchen‘ zu ermöglichen. Von außen jedoch ist die Fassade immer nur mit 1 oder 2, maximal 3 Rastereinheiten wahrnehmbar und wirkt so kleinteilig und maßstäblich.

Die Landschaft wird durch die gestufte, aufgelöste Außengliederung optimal in das Gebäude integriert. Zwei Innenhöfe und Oberlichter im gefalteten Dach stärken den Landschaftsbezug und führen im Inneren zu einer lichtdurchfluteten Atmosphäre. Durch die geringfügigen Höhenmodulationen wird der Außenraum zoniert und dieser Bezug zugleich weiter gestärkt -durch die abgesenkte Höhe erscheint das Gebäude niedriger und integriert sich pavillonartig in den Landschaftsraum.

Der Baukörper ist in der Mitte ‚tailliert‘ – so ergibt sich selbstverständlich der Eingangsbereich mit dem Café-/Pausenbereich in der zweigeschossigen Halle und den Lufträumen um die zwei einläufigen Treppen, die Erd- und Obergeschoss räumlich und funktional verbinden. Die Lernorte sind in beiden Ebenen beidseits der Mitte um Innenhöfe angeordnet, woraus sich klare, kurze und seitlich gut belichtete Rundwege ergeben. Die Durchblicke in die verschiedenen Bauteile und Geschosse sowie die Ausblicke in die Landschaft gewährleisten ein Höchstmaß an Übersichtlichkeit und eine einfache und gute Orientierung. Die Einheiten sind jeweils in 2 Nutzungseinheiten unterteilt, die zusätzlich an Fluchttreppenhäuser angebunden sind.

In der Eingangsebene mit dem Didaktikzentrum ist die Mediathek zum Bestand orientiert. Diese ist als zusammenhängendes Raumensemble konzipiert, untergliedert in 15 Themenbereiche wie zur Landeskunde. Die geforderte natürliche Belichtung und der Innen – Außenbezug (mit vorgelagerten Leseinsel) ist durch die Grundrissfiguration im hohen Maß erfüllt. Um den mittigen Innenhof sind gegenüberliegend, zentral in Eingangsnähe, die 5 Rauminstallationen der Lernreise gruppiert. Die miteinander schaltbaren Seminarräume für den Sprachunterricht sind in den Randzonen geschützt vorgesehen.

Das Obergeschoss bietet eine optimale Anordnung der Cluster der Seminarräume: zwei Rastergrößen (5,5x5,5m und 3,65x5,5m) ermöglichen optimal die verschiedenen Raumgrößen nachzuweisen. Die vorgeschlagene Teilung der Lerncluster ermöglicht ein Höchstmaß an Flexibilität und Schalt- bzw. Kopplungsmöglichkeiten mit verschiedenen Abtrennungen aus mobilen oder flexiblen Trennwandsystemen, um die Räume zu- und miteinander zu verbinden. So entsteht eine vielfach gegliederte multimodale und kommunikationsorientierte Lern- und Seminarlandschaft, die vielfältigen und differenzierten, selbstorganisierten, offenen wie auch abgeschlossenen Wissenserwerb, Lernen und Arbeiten ermöglicht.

Die im Inneren erzielte lichtdurchflutet helle und zugleich heiter, freundliche Atmosphäre der Offenheit und Kommunikation, wie auch der Konzentration ist beste Voraussetzung für entspanntes Lernen. Die Atmosphäre und Anmutung wird wesentlich durch die weiß geölten Oberflächen der Holzbauteile bestimmt. Die filigranen Metallbauteile wie der Geländer in Baubronze mit ihrer im Laufe der Nutzung lebendigen Patina harmonieren gut im reduzierten Material- und Farbkonzept. Sämtliche Oberflächen sind strapazierfähig und so für die Nutzung dauerhaft geeignet – bei der Materialwahl sind die Nachhaltigkeit, Lebenszyklus und die Schonung der natürlichen Ressourcen besonders berücksichtigt, so dass die Zertifizierung nach DNGB selbstverständlich im weiteren Planungsprozess erfüllt wird.

Das klare, über alle Geschosse durchgehende Stützenraster mit wirtschaftlichen Spannweiten und aussteifenden Kernen ist einfach herstellbar. Sämtliche unverrückbare Infrastruktur-einrichtungen (Aufzug, WC, Vertikalschächte) sind in den Kernen zusammengefasst. Die Hauptebenen abtragenden Holzstützen in Kreuzform sind gestaltprägend und ermöglichen einfache Anschlüsse mobiler und flexibler Trennwandsysteme. Alle Stahlbetonflächen werden mit Ihrer Speicherfähigkeit zur Bauteilaktivierung herangezogen. Die dreifach verglasten transparenten Flächen ermöglichen optimale passive Sonnenenergienutzung, durch die großflächigen Formate werden Wärmebrücken reduziert. Vertikale Lärchenholzlamellen im Obergeschoss, Screens im Erdgeschoss stellen den sommerlichen Wärmeschutz sicher.

Durch die vielfältigen Faltungen der mit Holzschindeln gedeckten Dachfläche zu einer ‚Dachlandschaft‘ fügt sich der Baukörper auch in der Aufsicht gut in das Gelände ein. Oberlichter und auch Kollektoren können nicht störend in die Dachgeometrie integriert werden. Die Oberlichter sind nicht nur zusätzliche Lichtspender, sondern ermöglichen auch beim Lernen den Blick nach oben in den Himmel.

Die kompakte Baukörperdisposition gewährleistet energetisch minimale Transmissionswärme-verluste. Die hohe Tageslichtautonomie aller Nutzungsbereiche sowie effiziente Beleuchtungs-komponenten reduzieren den Primärenergiebedarf weiter. Effiziente Anlagentechnik (Wärme-rückgewinnung, Niedertemperatursysteme etc.) unter Verwendung von regenerativen bzw. primärenergetisch günstigen Energieträgern und ein in der Herstellung und im Betrieb wirtschaftliches Haustechnikkonzept ermöglichen den gewünschten Energiestandard.

‚Ordnung und Vielfalt‘, Offenheit und Leichtigkeit soll der Entwurf den Besuchern vermitteln und so als Alleinstellungsmerkmal in Erinnerung bleiben.


Wald und Lichtung

Das Grundstück des AIZ liegt im Landschaftsfenster des Kottenforstes und hat damit einmalige Voraussetzungen für eine Lernlandschaft, die auf viel- und wechselseitige Weise Lernen und Fortbildung im Zusammenhang mit natürlicher und kulturlandschaftlicher Umgebung vermittelt. Die Lage veranlasst, die waldartige Situation als Grundlage für die Gestaltung der Außenräume zu entwickeln. Wald und Lichtung sind ein archaisches Thema der kulturellen Entwicklung. Dieses Thema wird sowohl in der Architektur wie in der Freiraumgestaltung variiert. Lichtungen bilden die Lernorte wie Rückzugsbereiche, während hainartige Wäldchen zwischen den unterschiedlichen Architekturen des Campus vermitteln.
Altbau, Neubau und ein linearer Teich bilden eine kompositorische Einheit, die den neuen Campus charakterisieren. Die Geländeoberflächen werden zur Zonierung der Außenräume und zur Stärkung der Ränder zur Allee sanft moduliert. Langgezogene Schrägen und bequeme Landschaftstreppen zwischen den Eingangsbereichen und Lernorten für Unterricht und dem umliegenden Gelände gleichen die Niveauunterscheide aus.

Landschaft und Außenraum des AIZ verschmelzen. Die Bäume des Kottenforstes werden im Campusbereich zu geordneten Pflanzungen überführt, um die Durchlässigkeit und einen offenen Bewegungsraum zu gewährleisten.

Die Lichtungen werden jeweils aus einem homogenen Belag mit größtmöglich unversiegelten Flächen aus wassergebundener Oberfläche bzw. in besonders stark frequentierten Bereichen, aus Farbasphalt hergestellt, um diese in den Kontext der Lernlandschaft zu stellen. Alle anderen Freibereiche sind als Rasen- bzw. Wiesenflächen weitgehend naturnah gedacht. Das anfallende Oberflächenwasser der Dächer und befestigten Freiflächen kann dem Teich zugeführt werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Bei einem konsequent strukturalistischen Entwurfsansatz fügt sich der differenzierte zweigeschossige Baukörper wohltuend in den Park ein und bildet ein bescheidenes Pendant zur vorhandenen Akademie.

Das Prinzip des Rasters ermöglicht vielfältige, individuelle Raumfolgen und Nutzungsbereiche, die sich gut mit den ungebundenen Landschaftsräumen verzahnen.
Dabei wirken allerdings die großen befestigten Flächen zu monoton und einförmig. Der Entwurf würde hier eine grünere, auch differenzierte Ausformung erwarten lassen. Die Zufahrt der Tiefgarage liegt unspektakulär neben der Straße und ermöglicht dadurch eine ungestörte Fläche zwischen den beiden Gebäuden. Die Anordnung der Lernorte im Grünen ist richtig gewählt, die Ausformung bleibt eher zu schematisch.

Mit der Einhaltung des Baufeldes und der zulässigen Geschossigkeit wird das Planungsrecht eingehalten und ermöglicht eine zeitnahe Umsetzung. Das geforderte Raum- und Funktionsprogramm ist in allen Punkten nachgewiesen, wobei der Schwerpunkt auf offenen und variablen Lernlandschaften liegt.

Das pädagogische Konzept und eine auch zukünftig zu gewährleistende Flexibilität lassen sich in der Gebäudestruktur und dem offenen Raumsystem gut abbilden. Die ausschließliche Festlegung auf mobile Trennwandsysteme ist zwar hochflexibel, lässt aber in dieser Form nicht alle notwendigen Raumkonstellationen zu. Die Holzbauweise mit ihrer freundlichen und leichten Atmosphäre passt zum Ort und den zu erwartende Nutzergruppen.
Um die gewünschte Anmutung zu gewährleisten, verlangt dies eine hohe Kompetenz in Planung und Ausführung und eine sorgfältige Ausformulierung der Details.

Die zeitgemäße Ausprägung und die schlichte, aber vielfältige Erscheinung wirken offen und einladend. Die einprägsame Zeichenhaftigkeit bildet eine gewünschte Adresse als offene Geste für die internationalen Gäste.

Die Arbeit bedarf in den Fragestellungen zum sommerlichen Wärmeschutz einer deutlichen Überarbeitung. Bei den Obergeschossfassaden reicht der starre außenliegende Sonnenschutz aus Lärchenlatten in großem Abstand als einziges System nicht aus.
Die kleinteiligen, teilweise nach Süden ausgerichteten verglasten Dachflächen sind unverschattet. Die beiden vollverglasten Innenhöfe bräuchten auch ein Konzept zum sommerlichen Wärmeschutz. Die Details der Gebäudehülle wären auf den notwendigen Dämmstandard noch deutlich zu überarbeiten. Es gibt keine Angaben zur Gebäudetechnik. In dem großen offenen Holzskelettbau müssten eine Lüftungsverteilung sowie alle Heiz- und Kühlmedien etc. sichtbar und sauber geführt werden.

Die Baukosten liegen im Vergleich zu den weiteren Beiträgen im unteren mit Tendenz zum mittleren Bereich. Als kostenauslösende Punkte werden u.a. die Umsetzung des technischen Ausbaus im Zusammenhang mit einer Gebäudestruktur wie auch einer Erhöhung der Geschosshöhe und die Überarbeitung der Fassaden und Dachöffnung im Hinblick auf den sommerlichen Wärmeschutz gesehen.
Insgesamt spiegelt der vorliegende Entwurf sehr gut das Bewusstsein und die Interessen der
Ausloberin wider und er fügt sich selbstbewusst und gleichzeitig unaufdringlich in die Umgebung ein.