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Offener Wettbewerb | 06/2014

Neugestaltung des Innenraums der St. Hedwig-Kathedrale und des baulichen Umfeldes

Hauptkirche und Unterkirche Querschnit b-b I Visualisierung

Hauptkirche und Unterkirche Querschnit b-b I Visualisierung

Anerkennung

Preisgeld: 23.000 EUR

Reuter Schoger Architektur Innenarchitektur Part mbB

Architektur

K+P Ingenieure GmbH

Tragwerksplanung

studio dinnebier+blieske

Lichtplanung

studio-fabian

Visualisierung

Prof. Norbert Radermacher

Kunst

Erläuterungstext

Entwurfsverfasser:
Reuter Schoger Architekten Innenarchitekten BDIA mit Prof. Norbert Radermacher, Berlin

Mitarbeiter:
Patrycja Stal, Peter Rychert, Simone Pfeiffer, Daniel Knörr, Alejandro Baumüller

Beratung Lichtgestaltung und Tageslichtlenkung:
Studio Dinnebier | Dinnebier & Blieske

Beratung Statik und Kosten:
K+P Beratende Ingenieure

Visualisierungen:
Studio Fabian


„Ich bin das Licht der Welt“

Das Licht des Himmels und wie es sinnlich zu erfahren ist zentrales Thema des unseres Entwurfs. Die Architektur der Hedwigs- Kathedrale ist wie ein Gefäß, das dieses Licht fasst und durch seine Öffnungen willkommen heißt. Das Licht wird zum bestimmenden Mittel der Neugestaltung des Kirchenraumes.

Kuppel
Ganz direkt- dem Himmel nahe- geschieht das durch die große Öffnung des Auges im Zenit der Kuppel. Ein klar transparentes Folienkissen dient dem Wetterschutz, lässt den Blick zum Himmel vollkommen frei und das Licht ungehindert und in größter Intensität in den Kirchenraum fallen.

Oberflächen der Architektur
Die durchgängig weißen und hellgrauen raumbildenden Elemente verstärken mit Schlichtheit, Ruhe und Homogenität die Konzentration auf das Thema des Lichtes, die daraus resultierenden Schattenspiele, die bestehenden und neuen Kunstwerke und die architektonische Sensation und Einzigartigkeit der großen Kuppel.

Kirchenfenster
Neben dem zentralen Licht aus der Kuppel erhellen und dämpfen die insgesamt 14 großen neuen Kirchenfenster den sakralen Raum auf besondere Weise. Sie spenden Licht und verhüllen den Blick auf die profane äußere Umgebung. Sie ermöglichen und unterstützen die Hinwendung und Konzentration auf das liturgische Geschehen. Die neuen Kirchenfenster bestehen aus zwei Ebenen. Die äußeren aus Klarglas sind in die bestehenden Fensterleibungen eingebaut. Sie sind Wetterschutz und Lüftungsflügel und betonen mit diskretem Einblick von außen in den Innenraum der Kirche ihre offene und einladende Erscheinung. Im Innenraum sind diesen äußeren Kirchenfenstern frei in den Wandnischen stehende, transluzente Glaselemente vorgestellt. Diese fangen das einfallende Tageslicht und „stellen“ es, vom Boden beginnend, körperlich erfahrbar in den Raum. Und sie reflektieren das Licht in die tiefen, konkaven Leibungen der Fensterbögen. Es entsteht ein fortwährendes, elegantes Spiel von Licht, Lichtreflexen und Schattierungen.

Kreuzweg
Die neuen Kirchenfenster sind auch der Ort der Verkündigung und stellen sich damit in eine Jahrhunderte alte Tradition. In die inneren transluzenten Gläser sind feine Linien eingraviert, die in ihrer einfachen, zeichenhaften Form freie Assoziationen zulassen und als Zeichen für 14 Kreuzwegstationen gelesen werden können. Diese Zeichen wiederholen sich in verkleinerter Form auf den äußeren Kirchenfenstern. Hier sind sie als nach außen reflektierende Glasbeschichtung ausgeführt. Wiederum wird es je nach Lichteinfall und Intensität ein vielfältiges, dem Sonnenstand folgendes Zusammenspiel der beiden Gläser, deren Zeichnungen und Schattenzeichen geben.

Mit diesem Kirchenfensterzyklus erhält die Hedwigs- Kathedrale einen Kreuzweg, der innen wie außen den Rundungen des kompletten Baus folgend, tatsächlich betend und meditierend gegangen werden kann. Als Anstoß dazu dienen die außen jeweils unter den Fenstern in den Brüstungsstein gemeißelten Verben:

verurteilen | ertragen | fallen | begegnen | helfen | trösten | stürzen | weinen | verzweifeln | bloßstellen | foltern | sterben | erlösen | ruhen

die auf die Passion verweisen und zugleich einen Gegenwartsbezug herstellen.

Der Leidensweg Christi, die Passion bekommt einen gewichtigen Platz an diesem Ort, der mit dem Grab von Bernhard Lichtenberg besonders mit den Märtyrern des 2.Weltkrieges verbunden ist. Von Alfred Delp wissen wir, wie viel Kraft und Zuversicht aus den Meditationen des Kreuzweges erfahren werden kann.

Altar

Der Altar ist der Mittelpunkt der liturgischen Handlung. Nach katholischem Verständnis verkörpert er die Anwesenheit von Christus inmitten der Gemeinde. In seiner Form bezieht er sich auf die große Kuppel. Er ist ihr „Abdruck“ in kleinerem Maßstab. So wie die Kuppel den Kirchenraum als Himmelsschale überspannt, so steht der Altar fest auf dem Boden. Christus ist Mensch geworden und hat mitten unter uns gewohnt. Der Altar ist leicht außermittig positioniert, die geometrische Mitte des Kuppelraumes bleibt frei für den senkrechten Lichteinfall aus dem Kuppelauge und für die Kommunion.

Die liturgische Feier als ein Miteinander der ganzen Gemeinde
Diesem Gedanken des Zweiten Vatikanischen Konzils fühlt sich der Entwurf verpflichtet.
Alle drei Gottesdiensträume, Hauptkirche, Unterkirche und Kapelle umschließen mit ihren klaren Formen die Gemeinde und unterstützen das Gefühl der Gemeinschaft. Sie fördern und ermöglichen die Nähe zum Altarraum und die aktive Beteiligung am liturgischen Geschehen. Zugleich sind sie licht und offen, wirken befreiend und erhebend. Die Konzentration liegt deutlich auf den liturgischen Orten, die von allen Plätzen sehr gut optisch wie akustisch wahrgenommen werden können.
Es bleibt Raum für Bewegungen (Lektorendienst, Friedensgruß) und Prozessionen (Gaben- Kommunikationsprozession).
Unabhängig von der Anzahl der teilnehmenden Personen, entsteht niemals das Gefühl der Leere oder Distanz. Die radial angeordneten Bankreihen betonen das Gefühl des Miteinanders und das einer Tischgemeinschaft.
Für die Feier der heiligen Eucharistie wird die Anordnung in Kreisform vorgeschlagen, die von der vorhandenen Raumform unterstützt wird, eine Form, die das Miteinander und Füreinander von Menschen bildhaft zum Ausdruck bringt.
Alle Teilnehmer des Gottesdienstes teilen dieses Aufgehobensein im Rund, wenngleich Bischof mit Domkapitel und Vorsteher mit Ministranten auf der erhöhten Altarinsel in gut sichtbarer Position Platz finden. Altar und seitlicher Ambo stehen dem Halbkreis der Gemeinde an zentraler Stelle gegenüber. Unter dem Zenit begegnen sich Zelebrant und Gläubige, direkt unter der Himmelsöffnung wird bei der Kommunion das Allerheiligste empfangen.

Mittelpunkt Gold
Das Tageslicht fällt aus der Öffnung der Kuppel durch den gesamten Kirchenraum bis auf den Boden der Unterkirche. Es betont die Verbindung von Ober- und Unterkirche. Dort bezeichnet eine kleine Platte aus Gold den Mittelpunkt des Gotteshauses und reflektiert dieses Licht, verwandelt es in ein „Leuchten“. Wie bei dem Goldgrund der Ikonen oder den mittelalterlichen Altarbildern steht dieser Punkt für das unbegreifliche göttliche Strahlen, das die Hoffnung und Zuversicht unseres Glaubens ist.

Orientierung der sakralen Achse
Die mittlere Öffnung des Bodens wird geschlossen.
Als regelmäßiger Rundbau ist der Kirchenraum im Bestand grundsätzlich ungerichtet. Die darin liegende Möglichkeit nutzend, drehen wir die sakrale Achse nach Osten.
Es wird das biblische Wort von der „Umkehr“ im Moment des Betretens des Raumes vom Betrachter architektonisch herausgefordert, wir wenden uns in Gewissheit auf Erlösung nach Osten, versus orientem, versus deum. Die Hinwendung zum Licht und zu Gott ist grundlegend für den Umbau.
Auf dieser Sakralachse liegt der Altar als Konzentrationspunkt der Liturgie im Osten.
In selber Blickrichtung schwebt über der Altarinsel in seiner anrührenden Verletzlichkeit das brandgeschädigte Kruzifix, klar und frei im Raum.
Durch die Ostung wird der Zugang zum Anbau mit der kleinen Kuppel für Besucher frei. Diesen bauen wir zur Kapelle um; sein Zugang liegt nicht länger hinter etwas, sondern öffnet sich sichtbar zur Hauptkirche.

Die Altarinsel wird der Bedeutung des Ortes entsprechend um zwei Stufen erhöht.
Vorsteher und Ministranten sowie Bischof und Domkapitel finden, in Reihen den Kreisbögen folgend, um den Altar Platz. Dem Ambo gegenüber steht das Taufbecken mit Bänken für eine kleine Gruppe von Teilnehmenden. Größere Taufgemeinden können zusätzlich den benachbarten Bankblock nutzen.

Kirchenmusik
Die bestehende Orgel wird als hoher Bestandswert beibehalten und auf den seitlichen Emporen erweitert.

Chor und Orchester als weitere Verkündigungsstimmen bildet bezogen zur architektonischen Achse ein Gegenüber zur Altarinsel. Beim Betreten der Kirche eröffnet sich nach links der Blick auf die Altarinsel und rechts zum Chor. In den Boden über dem heutigen Technikraum werden Hubpodeste eingebaut, die eine Stufeneinteilung und Stellung der Bodenflächen für Chor und Orchester ermöglichen.
Für das Musikschaffen an dieser Stelle wird eine Chororgel mit mobilem Spieltisch vor dem Blindfenster über dem Durchgang zur Seitenkapelle gebaut.

Kapelle
Durch Neubau der Sakristei im neuen Untergeschoss zwischen Hedwigs- Kathedrale und Bernhard- Lichtenberg- Kapelle wird der kleine Kuppelbau frei und als Seitenkapelle, als zweiter, intimer Raum zur Feier der heiligen Eucharistie und zur Anbetung genutzt.
Hier stehen Tabernakel und ewiges Licht, die schon beim Eintritt durch den Haupteingang am Ende der Mittelachse sichtbar sind. Die Innenarchitektur der Seitenkapelle ist ebenso wie die der Hauptkirche nach Osten ausgerichtet. Die Muttergottes mit Kind auf Mondsichel erhält ihren Platz in der Kapelle der Oberkirche, angemessen repräsentativ, jedoch ausreichend intim für ein stilles Gebet.
Das Blindfenster über dem Durchgang zur Hauptkirche dient der erhöhten, untersichtigen Platzierung des hl. Petrus.

Unterkirche
Der Kirchenbau wird von Nebenräumen befreit, insbesondere die Unterkirche wird als Ort vielfältiger Religionsausübung für die Gemeinde kultiviert und frei gehalten.
Die räumliche Wirkung der Kirche in Ihrer „Idealität“ und das in der Rundform bereits angelegte Gemeinschaftsgefühl werden baulich gesteigert.

Die Decke zur Oberkirche wird erneuert und geschlossen; durch eine zentrale, begehbar verglaste Bodenöffnung fällt das Licht der oberen Kuppelöffnung bis auf den Grund der Unterkirche.
Um dieses Licht schließt sich der Altar der Unterkirche als großer, schwebender Ring. Die Gebäudemitte wird auf ihrem Grund zum heiligen Ort, an dem sich Himmel und Erde berühren. Der Eintritt des senkrecht einfallenden Tageslichtes wird auch hier in seiner Konzentration wesenhaft spürbar. Um den Altarring sammelt sich die Gemeinde. Jeder hat teil am Altartisch, an dem der Priester an der Ostseite zelebriert und auf der gegenüberliegenden Seite in der Funktion des Ambos gelesen wird. Die Konzentration jedoch geht für alle zur mit Licht gebauten Mitte nach oben, offen für alle persönlichen Glaubensinspirationen und Empfindungen.

Wir öffnen den Gewölbekranz zur Raummitte zu einem strahlenförmigen Ring aus offenen Seitenkapellen. Der freie Blick in den Gewölbering schafft eine großzügige Atmosphäre in der Unterkirche, die verstärkt wird durch den an der Außenwand durchlaufender Umgang.

In den Gewölbekapellen werden die Skulpturen so positioniert, dass sie vom Betrachter ungeblendet mit Seitenlicht wahrgenommen werden können. Den Skulpturen sind Opferlichtplätze zugeordnet.
Die Unterkirche ist insgesamt ein besonderer Ort für die Gemeinde. Um die ungewöhnlichen Wandstärken und Gewölbe der Unterkirche erfahrbar zu machen, legen wir das Mauerwerk frei.
Und verdichten so den Geist der Unterkirche atmosphärisch. An den sichtbaren Vermauerungen wird die Präsenz der Gräber erfahrbar. Die Decke des zentralen Raumes wird ebenso wie sie neuen Säulen in Weißbeton ausgeführt.
An die Unterkirche schließt sich die Lichtenberg- Kapelle an. In der Mitte der Lichtenberg- Kapelle steht die Pietá. Um sie verläuft ein Ring aus Opferlichtständern. Die offenen Gewölbe der Grabkapellen umschließen ringförmig den Zentralraum mit ebenfalls ringförmig angeordneten Opferlichtstationen und Bänken für Stilles Gebet, Andacht, Rückzug und Gedenken.

Sakristei
Im Rahmen des Neubaus des Bernhard-Lichtenberg-Hauses wird der Hof unterbaut. Aus der südlichen Seitenkapelle führt eine Treppe und eine Aufzug unter dem Kapellenfenster hindurch ins neue UG und hier in die Sakristei.

Erschließung
Die Kirche ruht in besonders gedrehter Lage zum August-Bebel-Platz, von dem aus ihr Niveau über breite Treppen erreicht wird.
Um beim Eintritt in die Kirche gleichzeitig die möglichen Zugänge zu Ober- und Unterkirche zu zeigen, wurde der Vorraum zu einer Treppenhalle umgeplant. Zwei breite Treppenläufe liegen sich gegenüber, weiten den Blick in ihre schalenartige Anordnung und erweitern die Raumhöhe in die Tiefe.
Am Fuß der Treppen steht auf der baulichen Achse mit Blick in die Unterkirche ihre Schutzheilige Hedwig.
Geradeaus führen die bestehenden drei Zugänge weiterhin in die Kirche. Der direkte Zugang aus der Unterkirche in die Vorhalle und die somit möglichen Querverbindungen bietet große Flexibilität der Erschließungsrichtungen.
Die zwei seitlichen Eingänge der Oberkirche sind vom Kirchenraum aus diskret verdeckt. Durch den seitlichen Eintritt geschieht der Zutritt unauffälliger, die Konzentration in der Kirche wird weniger durch Kommen und Gehen gestört.
Aus der Kirche ist die Kapelle nun frei zu erreichen; Auch der hintere Zugang vom Hof aus kann zum direkten Eintritt in die Kapelle geöffnet werden.
Ober- und Unterkirche sind sozusagen am Fuß der Sakralachse über eine in eine Fensternische eingepasste Treppe erschlossen. Eine zweite Treppe gleicher Art ermöglicht den Zelebranten während einer Feier ein Erreichen der Sakristei auf kurzem und unauffälligem Weg.
Beide Treppen sowie der Zugang über Unterkirche und Vorhalle bieten den Zelebranten nach Wunsch und Anlass Wahlmöglichkeiten des Zutritts in die Kirche und der Prozession.

Die Hedwigs- Kathedrale beeindruckt durch ihre Bauform. Der Zentralbau mit Kuppel, das Zitat des römischen Pantheons, repräsentiert antike Idealarchitektur. Unser Entwurf formuliert eine moderne Position für eine lebendige liturgische Praxis, für das stille Gebet und das Gedenken, für die Sehnsucht nach Spiritualität und Transzendenz und die Suche nach Bedeutung, Sinn und Wahrhaftigkeit. Der Umbau stärkt die Aura des Gebäudes und seine Anziehungskraft und mag darüber hinaus ein überzeugendes Bild einer aktuellen katholischen Position geben.
Hauptkirche und Unterkirche Längsschnitt a-a I Visualisierung

Hauptkirche und Unterkirche Längsschnitt a-a I Visualisierung

Musterachse - Kirchenfenster mit Kreuzwegstationen und indirektem Licht auf den gerundeten Bestandsleibungen

Musterachse - Kirchenfenster mit Kreuzwegstationen und indirektem Licht auf den gerundeten Bestandsleibungen

Kirchenfenster mit Kreuzwegstationen von außen

Kirchenfenster mit Kreuzwegstationen von außen

Grundriss Oberkirche mit Hauptkirche und Sakramentskapelle

Grundriss Oberkirche mit Hauptkirche und Sakramentskapelle

Grundriss Unterkirche mit Beichträumen, Gebetgewölben und Grabkapelle

Grundriss Unterkirche mit Beichträumen, Gebetgewölben und Grabkapelle

Bernhard- Lichtenberg- Haus Erdgeschoss Altbau und Erweiterungsbau

Bernhard- Lichtenberg- Haus Erdgeschoss Altbau und Erweiterungsbau

Bernhard- Lichtenberg- Haus Visualisierung Südwest

Bernhard- Lichtenberg- Haus Visualisierung Südwest

Bernhard- Lichtenberg- Haus Visualisierung Südost

Bernhard- Lichtenberg- Haus Visualisierung Südost

Bernhard- Lichtenberg- Haus Visualisierung Sicht vom Bebelplatz

Bernhard- Lichtenberg- Haus Visualisierung Sicht vom Bebelplatz

Bernhard- Lichtenberg- Haus Ansicht Norden 1:200

Bernhard- Lichtenberg- Haus Ansicht Norden 1:200