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Award / Auszeichnung | 02/2003

Deutscher LandschaftsArchitektur-Preis 2003

1. Preis

Kunst + Herbert Architekten

Architektur

URBAN CATALYST

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

ERLÄUTERUNGEN WETTBEWERB FISCHBEK-NEUGRABEN

Situation:
Die Auslobung sieht vor in Fischbek-Neugraben ein Wohnquartier für 1250 WE entstehen zu lassen, das Vorbild für den Siedlungsbau der Gegenwart sein kann, und alle Aspekte einbezieht, die an die Zukunft des Wohnens gestellt werden.
Das 105ha große Plangebiet liegt zwischen dem Alten Land und Neugraben / Fischbek, nördlich des vorhandenen S-Bahnhofs Neugraben.

Von Fischbek nach Mississippi
Wer von der Fußgängerzone in Fischbek über die lange Brücke auf das P+R Parkdeck der S-Bahn geht, erlebt eine besondere Überraschung: Aus einem typisch peripheren Getose mit Einkaufszentrum, Ausfallstrasse, Dorfrelikten, Tankstelle und Fast-Foodrestaurants kommend, erwarten einen auf der anderen Seite der S-Bahn Lerchengezwitscher und der Blick in eine sorgfältig gepflegte Kulturlandschaft mit linearen Feldstrukturen und Baumreihen, die kulissenhaft einzelne Landschaftsräume aufspannen.
Tatsächlich prallen in Nord-Südrichtung sehr gegensätzliche Welten aufeinander, die durch die S-Bahn scharf getrennt werden: Die parallel verlaufenden Trassen von Bahn und Bundesstrasse führen dazu, dass Bewegungsabläufe und Aktivitäten stark kanalisiert und baulich entkoppelt werden.
In einer dichten Metropolregion wie Hamburg verschärft der Gedanke an die weitere urbane Expansion zwangsläufig den Konflikt zwischen einer landwirtschaftlich genutzten Kulturlandschaft und dem Drang der Stadt nach immer neuen Siedlungsgebieten.
Lässt sich aber eine Landschaft nicht auch besiedeln, ohne sie dabei aufzulösen? Gibt es einen weichen Urbanismus, der sich stärker über Kulturlandschaft als über Stadt definiert? Können Bewohner nicht auch aktiver Teil der Kulturlandschaft sein anstelle von Schlafstädtern?

Identität:
Unser Konzept für Fischbek Mississippi basiert auf der Symbiose zwischen Agroland und Bauland.

Die vorgefundenen landwirtschaftlichen Felder werden mit den geplanten Baufeldern über Zwischenformen miteinander verzahnt. Dies sind domestizierte Felder, Gärten und besondere nutzungsoffene Freiflächen. Sowohl die Landwirtschaft als auch die Siedler und Pioniere der neuen Siedlung werden aus dieser Symbiose nachhaltige Entwicklungsperspektiven ableiten.
Die den Süderelberaum prägende Kulturlandschaft wird in ihrer Existenz langfristig gesichert, indem sie Teil der Siedlungskonzeption wird. Die Siedlung erhält einen unvergleichlichen Kulturraum quasi als \"Vorgarten\".
Die Gespräche, die während der Bearbeitungsphase mit Vertretern der Landwirtschaftskammer und des Berufsverbandes sowie ansässigen Praktikern geführt wurden, um die Grundlagen für die Umsetzung abzusichern, haben gezeigt, dass das Mississippi Siedlungskonzept auch als positive Entwicklungsperspektive für die Gesamtgestaltung dieser urban-landwirtschaftlichen Randzone gesehen wird. (s. Anhang)
Auf den Baufeldern selbst entsteht eine eigene, nachbarschaftliche Identität, da immer zwei Baufelder über eine gemeinschaftlich nutzbare Allmendefläche zu einer Siedlungseinheit zusammengefasst werden. Zugunsten dieser übergreifenden luxuriösen Feldgärten, werden kompakte und flächensparende Bauformen vorgeschlagen, die durch ihre extrem freiraumbezogene Typologie herausstechen.

Das Spannungsfeld zwischen ökologisch bewirtschafteter Landschaft und bewohnter Siedlung schafft einen neuen Lebensraum für unterschiedlichste Bewohner. Die Plus-Angebote gegenüber herkömmlichen Siedlungen liegen vor allem in der Einbeziehung der \"nützlichen\" Landschaft in die Siedlung, die einerseits ein breites, unkonventionelles Nutzungsspektrum für Kinder und Erwachsene anbietet, andererseits auch eine Sensibilisierung für die Abläufe und Bedingungen von Natur- und Ernährungskreisläufen ermöglicht.
Die Symbiose von Kulturlandschaft und Siedlung erzeugt neuartige, lokale Bezugspunkte, an denen sich eine Vielzahl von Identitäten kristallisieren.
Für alle drei Hauptakteure dieser Agrocity gibt es, verglichen mit dem konventionellen Siedlungsbau, große Vorteile:
-Die Bewohner erhalten viel mehr und viel universeller nutzbaren Freiraum als ein privater Garten + öffentlicher Park bieten kann. Nachbarschaft und Geborgenheit im Wohnumfeld ergeben sich ganz selbstverständlich aus dem täglichen Miteinander.
-Die Stadt behält große Flächenanteile in ihrem Besitz, kann aber einen Großteil verpachten, an den Bio-Bauern und den MississippiClub, durch den die Allmendeflächen bewirtschaftet und gepflegt werden. Das heißt, der sonst für einen Park anfallende kostenintensive Pflegeaufwand entfällt. Dennoch sind die Flächen dauerhaft und lebendig bearbeitet.
-Der Bauer übernimmt Flächen, deren Pacht langfristig gesichert werden kann. Er hat eine gesicherte wirtschaftliche Grundlage durch Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen zwischen den Baufeldern. Er kann in der Siedlung direkt vermarkten, und darüber hinaus auch Servicepflege für den Mississippi-Club übernehmen, z.B. Wiesenmahd oder Tierzucht.

Die Siedlungspioniere haben auf den großzügigen, zusammenhängenden Gemeinschaftsfreiflächen die Möglichkeit ihrer ganz persönlichen Obsession nachzugehen: In wirklich großem Stil Gemüse anbauen, Esel züchten, Natur beobachten, Rosen veredeln, Sport treiben, oder sich einfach unter blühenden Kirschbäumen ausruhen.
Über den Mississippi-Club, dem die Bewohner aktiv oder passiv beitreten, können alle aus dieser Lebenslust entstandenen Überproduktionen wie Marmelade, Obstsaft, Honig oder Lammkotelett inklusive \"Mississippi-lifestyle\" direkt vermarktet werden.
Die Siedlung wird so selbst zum vermarktungsfähigen Label, die für das Naturerlebnis der Feldflur, ein aktives Leben in einem Kulturlandschaftsraum und besonders für ein für Familien ideales Lebensumfeld steht, aber ohne Anstrengung auch andere Lebenskonzepte integrieren kann.