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Einladungswettbewerb | 03/2015

Kirchenstandort Derfflingerstraße

Kirchraum

Kirchraum

2. Preis

Preisgeld: 8.000 EUR

gernot schulz : architektur GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Drei Gebäude – In Beziehung zueinander

Wir schlagen die Setzung dreier Baukörper für die drei Nutzungen vor. Die Nutzungen sind so auf einfachste Weise lesbar. Die Körnung hierbei entspricht – trotz einer relativ hohen Gebäudedichte auf dem Grundstück – insgesamt der Körnung der Umgebung, da die Platzfläche im Westen in die Wirkung des Ensembles einbezogen werden muss.

Wie soll man nun die drei Gebäude in Beziehung zueinander setzen?
Die Antwort auf diese Frage ist zunächst eine bauskulpturale. Wir haben hierfür Eduardo Chillidas Altarskulptur „Gurutz Aldare“ studiert und dies als Ausgangspunkt der entwurflichen Entwicklung der drei Baukörper genommen. Die erste Skizze zeigt noch Kirche und Wohnbau als sich berührende, den Kindergarten als einzelnen Baukörper. Als Weiterentwicklung folgte die bauliche Fassung des Hofs. Ziel dabei ist, eine durchaus wechselnde Lesbarkeit als Ganzes oder als drei Teile zu erzielen. Diese, je nach Position und Nutzungsbeziehung des Betrachters neu zu beantwortende Frage, verleiht dem Ensemble mehr architektonische Kraft und Vielschichtigkeit. Die Beziehung der Gebäude zueinander wird auch in der Entwicklung der Nutzungen – insbesondere des Erdgeschosses – zum Ausdruck gebracht. Hier ist die Kommunikation aller Bereiche von besonderer Bedeutung. Baulich kommt dies im kleinen Hof zum Ausdruck. Dessen Erreichbarkeit durch einen Durchgang, seine bauliche Fassung und „Besetzung“ mit einem Wasserbecken strahlt Sicherheit, Vertrautheit und Intimität aus – ein Ort für Begegnungen: Kinder mit Alten, Eltern mit Eltern, Kirche mit Allen

Der architektonische Ausdruck ist ein archaischer. Aus der „Normalität“ der Umgebung abgeleitet und die Skulpturalität des Ensembles unterstützend wird eine Putzfassade vorgeschlagen. Ein Sockel aus Naturstein leitet über zum Terrain. Dieser springt beim Wohnbau und der KITA leicht hervor, bei der Kirche erfolgt der Einbau bündig zum Putz. Um der Putzfassade Solidität zu verleihen erfolgt ein mehrschichtiger Wandaufbau. Der Putz wird auf eine äußere, zweite Mauerwerksschale aufgetragen und ist ein mehrlagiger Dickputz. Die äußere Schicht wird als sog. Klosterputz aufgetragen. Alle Kanten und Ecken werden in klassischer Handwerksmanier mit Holzlehren (sog. „Lätzchen“), ohne Eck- oder Kantenschutzschienen aufgetragen. Die Putzflächen erhalten somit eine rauhe, leicht wellige Textur, die gerade auch auf größeren Flächen im Wechsel des Tageslichts ein breites Spiel der textuellen Wirkung erzeugt. Auch die Innenräume sind in der gleichen Art verputzt. Im Kircheninnenraum wird dem Putz Marmorbruch (Körnung 0-4mm) beigefügt, welcher das einfallende Licht auch im diffusen Spektrum noch einmal Glanz und Vielschichtigkeit verleiht. Fenster und Türen erhalten, genau wie das Filterspalier, der auf dem Dach wieder verwendeten Glocken des alten Glockenturms, einen Rahmen und Füllungen aus Holz.

Die Kirche ist als zentrisch angelegter Raum entwickelt, um der Kraft, die aus der Versammlung der Gemeinde entsteht, Ausdruck zu verleihen. Dem einfallenden Licht verleiht der Raum aufgrund seiner Mystik Sakralität. Die genaue Weise der Lichtführung bleibt im Verborgenem. Diese ursprüngliche „Erfindung“ des barocken Kirchenbaus wird mit drei Lichträumen auf dem Fach des Gebäudes übersetzt, in welchen das Licht der drei besonnten Himmelsrichtungen (Osten, Süden und Westen) „eingefangen“ wird. Das Licht erhält somit eine räumliche Dimension. Als zusätzlicher Filter zwischen den Lichträumen und dem Kirchenraum ist die Wiederverwendung bestehender Kirchenverglasungen denkbar. Diese Option zeigt die Perspektive.

Durch eine Öffnung im Boden des westlichen Lichtraums wird ebenfalls das Podest belichtet. Die Orte der Liturgie sind leicht erhöht zusammengefasst, der Ort des Wortes ist nochmals über zwei Stufen seiner Bedeutung entsprechend abgesetzt. Taufbecken und Holzkreuz finden Wiederverwendung. Gleiches gilt für die Orgel, welche ein neues Gehäuse und damit verbunden auch die Option der Dämpfung im nunmehr kleineren Raumvolumen als das der Ursprungsauslegung erhält. Über vielfache Optionen sind angrenzende Räume dem Kirchenraum zuschaltbar. Fest installierte Wände nach Norden und temporäre Wände des EG erhalten eine gestalterische Gleichbehandlung aus Holz, so dass der funktionale Mehrzweckgedanke keine gestalterische Ablesbarkeit erfährt. Auch dies trägt zur ruhigen Ausstrahlung des Kirchenraums bei. Der Boden ist aus dunklem Naturstein, um den Raum zu „erden“. Schiefer oder Basaltlava sind die Optionen. Die neuen Elemente des Altarraums entstehen aus hellgrauem Betonwerkstein (Betonfertigteile auf Weißzementbasis mit ausschließlich hellgrauen Flusskieselzuschlägen). Für besondere Anlässe (Gemeindefeiern o.ä.) besteht die besondere Option, den Kirchenraum zum Vorplatz und zum Hof zu öffnen. Die Verbindung der Gemeinde zum neuen Ort wird physisch spürbar und neue Nutzungsoptionen erhalten einen Impuls.

Einige letzte Anmerkungen zum Maß der baulichen Nutzung:
Wir sind uns bewusst, mit unserem Entwurfsvorschlag das vorgegebene Maß der baulichen Nutzung von GRZ = 0,4 und GFZ = 1,2 zu überschreiten. Eine kompaktere, die Nutzungen mehr in einem Gebäude zusammenführende, Bauart hätte ggf. formal zu einer höheren Annäherung an die GRZ und die GFZ geführt. Wir sind jedoch der Meinung, mit dem Vorschlag dreier Gebäude mit Vorplatz, Hof und Garten, der Körnung der Umgebung und dem angestrebten kommunikativen Gemeindeleben auf die vorgeschlagene Weise besser Ausdruck verleihen zu können. Auch wenn die Argumentation keine formal richtige ist, mit der Festlegung des Maßes der baulichen Nutzung wird insgesamt die gewünschte Dichte für ein ganzes Quartier und nicht für ein einzelnes Grundstück definiert. Für die Wirkung des hier vorgeschlagenen Ensembles ist jedoch auch der westliche Vorplatz prägend – auch wenn die Grundstückseigentümerin eine andere ist. Zusammen mit dem Vorplatz wären auch formal die Werte der Grundstücksausnutzung wieder eingehalten.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Entwurfsverfasser präsentieren die Idee die Funktionen Kirche mit Gemeinderäumen, Kindergarten und Wohnen in drei eigenständige Gebäude unterzubringen und dies durch jeweils eigene Zugänge zu betonen. Diese eigenständige Idee wird positiv bewertet obwohl das Zusammenfügen der einzelnen Bauteile an mehreren Stellen für bauliche Unklarheiten sorgt. Die Kirche wird über den Kirchplatz erschlossen. Platz und Innenraum bilden eine großzügige Einheit, die viele Spielmöglichkeiten für die Gemeinde eröffnen.
Der Kindergarten wird über eine Passage zur Derfflingerstraße erschlossen. Der innenliegende Lichthof formuliert einen interessanten Zwischenraum, der auf Grund seiner Lage im Ensemble leider wenig Sonnenlicht zulässt. Die Qualität des Kindergartenzugangs wird kontrovers diskutiert. Das Betreten der Kirche und die Zuschaltung der weiteren Räume an den Kirchraum und auch der Ort für die kleine liturgische Feier sind nicht eindeutig definiert. Die Aufbauten zur Lichtführung in den Kirchraumen erscheinen unverhältnismäßig aufwendig.

Obwohl die Aufteilung der Funktionen in drei ablesbare Bauteile begrüßt wird, gelingt es nicht ein überzeugendes Gesamtbild zu liefern. Die Anbindung des Gebäudes an die Platz- und Grünräume sowie die Erweiterungsmöglichkeiten der Räume in die anliegenden Freiflächen sind sehr gut gelungen.
Lageplan

Lageplan

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Gartengeschoss

Grundriss Gartengeschoss

Schnitt Kirchraum

Schnitt Kirchraum

Schnitt Kita

Schnitt Kita

Ansicht West

Ansicht West

Ansicht Süd

Ansicht Süd

Ansicht Ost

Ansicht Ost

Ansicht Nord

Ansicht Nord

Präsentationsplan 01

Präsentationsplan 01

Präsentationsplan 02

Präsentationsplan 02

Präsentationsplan 03

Präsentationsplan 03