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Einladungswettbewerb | 03/2015

Neubau „Haus der Kirche“ an St. Marien

Anerkennung

Preisgeld: 2.500 EUR

Reinhard Angelis, Planung • Architektur • Gestaltung

Architektur

barbara willecke planung . freiraum

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Mitarbeiter

Reinhard Angelis - Planung Architektur Gestaltung
Ulrike Wallner
Marcus Heyer

Barbara Willecke - planung.freiraum
Christine Guérard
Ronny Kräft

Konzept
Die öffentlichen, das Selbstverständnis der Kirchengemeinde abbildenden, Funktionsbereiche sind die Basis für die, mehr den privaten Alltagsleben dienenden Wohn- und Praxisetagen. So bildet das Gemeindeleben gleichsam den Grundstein für den individuellen Alltag. Mit dieser durchlässigen Basis etabliert die Gemeinde ein Beziehungsnetz, sie öffnet sich zum Quartier. Foyer, Bibliothek und Mehrzwecksaal werden einerseits mit dem öffentlichen Raum, dem Kirchplatz und auf der anderen Seite mit dem Hof zu einem räumlichen Kontinuum verwoben.

Städtebau
Das Eckgebäude ist in einem guten Sinne alltäglich, ein Baustein für Stadt. Erst auf den zweiten Blick wird seine Besonderheit erkennbar, ein etwas anderer Ausdruck balanciert die Bescheidenheit, es ist nicht nur Haus an einer Straßenecke. Das Mansarddach reagiert auf die Nachbarschaft, die Traufhöhen der Umgebung werden aufgenommen. Das Fassadenmaterial, der Ziegel, stellt eine Verbindung zur Kirche her.

Die Pflanzbereiche um die Kirche werden präziser gefasst, der verkehrsberuhigte Baudriplatz gestalterisch (in Bezug auf Details) leicht überarbeitet. Ziel ist es, Kirche und Platz zu einer Einheit zusammen zu binden, einen klaren formalen Zusammenhang zu etablieren. Diese Überarbeitung kann, in Abstimmung und unter Federführung der Stadt, stufenweise erfolgen. Der direkte Bezug zwischen Kirche und Gemeindezentrum entsteht durch einen Belagteppich sowie einer zum Südportal führenden Rampe.

Bauwerk
Dem Konzept des Gemeindelebens als Basis folgend, befinden sich die Bibliothek und die flexiblen Mehrzweckräume im Erdgeschoß. Darüber angeordnet sind das Pfarrbüro mit Gruppenraum sowie die Büros der Caritas. Das zweigeschossige Foyer bildet ein großzügiges Entre, es verbindet die zusammengehörenden Funktionsbereiche. Das Erdgeschoß ist als ein offenes, fließendes Raumkontinuum gedacht, tauglich für das große Pfarrfest, mit einigen in der Struktur angelegten Andockpunkten, wie auch für kleinteilig organisierte Nutzungsszenarien, die durch Falt- Schiebewände ermöglicht werden. Dieser Saalbereich ist durch große Glasschiebeelemente mit der Kirche / Baudriplatz und dem Innenhof verbunden. So entsteht im Sommer eine attraktive Abfolge von unterschiedlichen räumlichen Angeboten. Aufgrund seiner offenen Raumstruktur kann das Erdgeschoß flexibel an künftige Nutzungsanforderungen angepasst werden.

Die Wandgestaltung der Gemeindebereiche wird aus der kirchlichen Tradition der künstlerischen Glasgestaltung abgeleitet. Eingestanzte, leicht farbig getönte Glasblöcke erzeugen eine gleichsam diaphane Wand als Verweis auf die kirchliche Bestimmung dieses Gebäudeteils. Sie erzeugen ein lebendiges Lichtspiel in den Innenräumen, verweisen auf die Besonderheit des Hauses ohne allzu aufdringlich das Innere zu offenbaren. Eine Balance von Schutz / Intimität und Offenheit entsteht.

Die Pfarr- und Caritasbüros im 1. Obergeschoß sind klar dem Gemeindezentrum zugeordnet und, im Bedarfsfall, unabhängig erschlossen wie auch separierbar. Das Raumgefüge kann entsprechen künftiger Nutzungsanforderungen verändert und angepasst werden.

Im 2. Obergeschoß ist die gewünschte Praxis oder eine Gemeinschaftswohneinheit sowie eine 4-Zimmer Wohnung angeordnet. In den Geschossen darüber befinden sich Wohnungen unterschiedlicher Größe (1 / 2-Zimmer sowie 4 / 5- Zimmer). Dieser Wohnungsmix kann entsprechen Nachfrage verändert werden. Beispielsweise ist ein höherer Anteil an Gruppenwohnungen möglich.

Die erforderlichen Stellplätze sind in einer Tiefgarage angeordnet.

Der Innenhof wird mittels weniger, mehrfach interpretierbaren Ausstattungselementen gestaltet. Ein Plateau dient Sitzpodest oder Bühne, Bäume formen Teilräume und spenden Schatten, die erforderlichen Fahrradständer dienen als Auflager für die große Festtafel. Der Belag zieht sich durch das Gebäude bis auf den Baudriplatz. Dieser Teppich unterstreicht den Zusammenhang von Kirche, Gemeindezentrum und Quartier.

Material
Die Gebäudehülle besteht aus einem hellen Ziegelmauerwerk, kombiniert mit Fenstereinfassungen aus Beton. Fenster- und Türelemente sind in eloxiertem Aluminium gedacht. Die Natursteinbeläge des Foyers und der Gruppenräume stellen einen Bezug zum Platzraum und Hof her, ein transformierter und verfeinerter Straßenbelag. Dieser einfache und robuste Materialkanon wird durch haptisch angenehme Holzdetails sowie durch eine akustisch wirksame Deckengestaltung mit Holzelementen ergänzt.

Die Fußbodenheizung wird als Niedrigtemperatursystem mit einem automatischen Pelletkessel betrieben. Die hoch gedämmte Gebäudehülle verringert den Primärenergiebedarf. Diese Grundkonfoguration kann durch eine solare Brauchwassererwärmung sowie durch eine kontrollierte Raumlüftungsanlage ergänzt werden. Diese ist unabhängig von der gewünschten Lüftungsanlage für die Mehrzweckräume. Für die technische Gebäudeausstattung gilt es, die Investitions- und Betriebskosten sowie die Nutzererwartungen und das Nutzerverhalten zu einer optimalen Synthese zu vereinen. Die Grundlagen für diese Synthese sind gelegt, ihre Detaillierung und Ausgestaltung ist ein wichtiger Aspekt im weiteren Planungsprozess.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebaulich schließt das Haus der Kirche die Ecke mit einem viergeschossigen Block. Die Einhaltung der Traufkanten und der Anschluss an die Nachbarbebauung sind nicht wie vom Verfasser behauptet eingehalten. Der Anschluss zum denkmalgeschützten Nachbargebäude Auguststraße 56 ist, obwohl hierauf mit der Dachform Bezug genommen wird, aus den Plänen nicht klar nachvollziehbar.

Baurechtlich ist das Mansarddach mit den dargestellten Gauben nicht durchsetzbar.

Die Farbwahl des Klinkers in der Fassade in Anlehnung an die Kirche (Verfasser) wird hinterfragt. Auch die vorgeschlagene Ornamentik in der Fassade mit Gussglaselementen wird zwiespältig betrachtet und als teilweise zu überfrachtet und zu verschlossen erachtet. Der hierdurch beabsichtigte Wechsel von intimen und einsehbaren Bereichen wird gleichwohl positiv gewertet. Dies gilt insbesondere für die Raumabfolge Cafe-Mehrzweckraum-Hof im Wechselspiel mit der Bibliothek im Erdgeschoss. Die hieraus entstandenen Blickbeziehungen im Innenraum sind angenehm.

Die funktionalen Zuordnungen im Gebäude hingegen werden bemängelt. Die Funktionsräume im Erdgeschoss nehmen zu viel Raum ein. Eine Trennbarkeit der caritativen und pfarrlichen Nutzung im 1.OG ist nicht geplant, beziehungsweise eine separate Erschließung des Pfarrbüros außerhalb der Öffnungszeiten der Caritas-Nutzungen wäre bei einer Abgeschlossenheit der Caritas-Nutzungen nicht gegeben.

Die Praxisräume im 2.OG sind kompakt und angenehm. Die darüber befindlichen Wohnungen sind zu groß dimensioniert und teilweise in ihrer Nutzung eingeschränkt durch die Dachneigung.

Positiv vermerkt wird der Einbezug der Außenbereiche als Teil des Programms, beispielsweise Fahrradständer als Auflagen für die Festtafel und der Hof mit einer Bühne im Hintergrund.

Der Innenhof wird insgesamt zum gut nutzbaren Freiraum, durch die Zurücknahme des TG-Geschosses ist auch eine wohltuende Baumpflanzung möglich.

Der vorgeschlagene breite ‚Platzteppich’, der das Foyer mit dem Vorplatz der Kirche und dem Innenhof verknüpft, konkurriert dagegen mit dem eigentlichen Kirchplatz und wird daher kritisch gesehen wird.

Positiv vermerkt wird, dass die Arbeit eine vergleichsweise gute Wirtschaftlichkeit in Erstellung und Unterhalt verspricht.

Die Arbeit bietet insgesamt einen wertvollen und pointierten Beitrag zur Lösung der Planungsaufgabe.