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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2015

Tank- und Rastanlage an der Bundesautobahn A 71 „Leubinger Fürstenhügel“

Engere Wahl

Osterwold°Schmidt EXP!ANDER Architekten BDA PartGmbB

Architektur

plandrei Landschaftsarchitektur GmbH

Landschaftsarchitektur

ARTUS.ATELIER

Design

Erläuterungstext

Die neue Tank und Raststätte vereint in sich die Dynamik von Bewegung und Geschwindigkeit mit Wegweisung.
Aufsteigend von der ankommenden Richtung windet sich die keilförmige Wand zur Überdachung der Tankstelle, um in nochmaliger Umkehr ein Raumvolumen zu umfassen und wiederum zur anderen Seite als Wegerampe gen Fürstenhügel in die Wegeführung zu münden. Die Symbolik der schlichten eleganten Faltung birgt in sich vertraute Motive wie die wohlbekannte großflächige Tankstellenüberdachung und die geneigte Ebene zum Erreichen eines Hoch- oder Aussichtspunktes – sozusagen als codierte Sinnbilder für Pause und Versorgung einerseits und Ausflugsziel andererseits. Gleichzeitig sorgt die Dimension der Konstruktion trotz der filigranen Anmutung von Papierfalttechnik für weithin sichtbare allseitige Präsenz. Auch ist ein Richtungshinweis aus der Form zu lesen. Er bildet eine Einheit mit der Wegeformation, die sich letztlich zwischen dem Leubinger Fürstenhügel und der Tank- und Raststätte verspannt. Auf diese Weise wird der Fürstenhügel für flüchtige, zufällige und interessierte Besucher von der Autobahn angebunden und somit zum besonderen Alleinstellungsmerkmal dieser Raststätte, aber eben auch im Umkehrschluss die Raststätte zum potentiellen Ausflugslokal für Radler, Wanderer, Reiter oder sonstig nicht motorisierte Besucher, die den Weg von Norden nehmen.
Die Konzeption konzentriert sich ökonomisch effektiv auf diese Wegeschneise zwischen Raststätte und Leubinger Fürstenhügel – sozusagen als Zeitschneise oder Zeitreise zwischen den Jahrtausenden der Geschichte mit ihren Veränderungen in Kultur, Gesellschaft, Brauchtum, Vegetation und Landschaft. Damit wird im doppelten Sinne das Panorama auf die Thüringer Kulturlandschaft aufgespannt. Es soll erfahrbar werden durch die Aussicht von unterschiedlichen Höhen – vom Dach, von der Terrasse, aus dem Fenster, vom Steg, vom Weg, in der Erdskulptur, vom Hügel – wie auch wahrnehmbar gemacht werden in den zeitlich verschiedenen Erscheinungen und Wandlungen – Bronzezeit bis heute.
Zu diesem Zweck greift die landschaftliche Gestaltung entlang der Wegeschneise gestalterisch auf das Ried zurück, aus dem zur vormaligen Zeit das Hügelgrab herausragte. Einem Steg gleich durchschneidet der Weg die hohen Halme, erlaubt Quereinstiege vom Parkplatz, die hier mit atmosphärischen Verweilmöglichkeiten für Picknick, Spiel etc. und auch mit Informationselementen bereichert werden. Elegante wie robuste Objektträger nehmen über die Wegestrecke verteilt Informationstafeln auf, die die Zeitreise durch Raum und Landschaft visualisieren – teils mit „klassischen“ Informationen in Bild und Schrift, aber auch mit interaktiven Elementen, die per Eigenaktion und Perspektivwechsel den Blick auf die ursprüngliche Kontur und Kubatur des Leubinger Fürstenhügels ermöglichen. Während am Hügel selbst ein gesicherter und geschützter Screen für Darstellungen des alten Fürstengrabes das archäologische Fenster sinnbildlich übersetzt, nimmt die Dichte der Tafeln in Richtung Raststätte zu, um im Innenraum in einem witterungsgeschützten konzentrierten Ausstellungsteil zu münden – bis hin zum thematischen Themeneröffner noch im Entree- und Verkaufsbereich.
Dieser ureigenste Bereich der Raststätte funktioniert ganz nach seiner pragmatischen Bestimmung – Kasse der Tankstelle (alles unter einem Dach), Shop, Personal-, Gastraum, Restaurant und Sanitärräume. Gleichermaßen findet sich in ihm mit dem Ausstellungsbereich und dem großen Panoramafenster gen Fürstenhügel und Kulturlandschaft die Rückkopplung zur regionalen Besonderheit.
Das Gebäude zeigt sich in reduzierter Auswahl dauerhafter, pflegeleichter, vorteilhaft alternder Materialien, die im Sinne der Langlebigkeit ressourcenschonend sind und ein optimales Live-Cycle-Cost-Verhältnis aufweisen. Wand und Dachelemente bestehen aus Sichtbeton (im Raststättengebäude aus Dämmbeton oder mit Kerndämmung). Die Fassadenelemente sind perforiert, teils geprägt mit dem Motiv des Schilfgrases und sorgen für eine Durchlässigkeit – je nach Lage für Durchwegung, in jedem Falle aber für Licht. Großzügige Verglasungen sorgen im Restaurant- und Shopareal für sofortige Auffindbarkeit, Orientierung und Aussicht (siehe auch grafische Blickfenster).
Die energetische Versorgung wird mittels Erdwärme vorgeschlagen, Flachkollektoren erscheinen bei dieser Grundstücksgröße und –belegung plausibel. Solarthermie und Photovoltaikelemente könnten das Gebäude, E-Zapfsäulen und das Areal der Raststätte autark und direkt energetisch versorgen.

Konzept Freianlagen
Der Leubinger Fürstenhügel - als Grabstätte aus der frühen Bronzezeit liegt in einer weiten, von Ackerbau geprägten Kulturlandschaft. Der Hügel stellt eine weithin sichtbare Landmarke dar. Die ursprünglichen Abmessungen lassen sich heute nicht mehr erkennen, denn durch frühere Abgrabungen am Hügel ist dieser heute sowohl in der Höhe als auch in der Grundfläche deutlich kleiner. Im Zusammenhang mit dem Bau der Bundesautobahn A 71 bei Sömmerda und dem damit verbundenen Neubau einer Tank- und Rastanlage, soll der Leubinger Fürstenhügel touristisch erschlossen werden.
Der Entwurf konzentriert sich bewusst auf die Verbindung der Raststätte mit dem Fürstenhügel. So soll die blitzförmige Landschaftsinszenierung die Besucher von der südlich gelegenen Tankstelle und dem Restaurant zum Fürstenhügel im Norden des Bearbeitungsgebiets leiten. Der Besucher wird etappenweise mit Informationen zur Geschichte und der Bedeutung des Ortes auf dem Weg zum Hügel begleitet. Die Landschaftsschneise schneidet sich in ihrem Verlauf leicht in die Landschaft ein und wird von kleineren Böschungsmodellierungen gerahmt. Sich durch die Pflanzung und den Wegeverlauf öffnende und schließende Räume bieten dem Besucher unterschiedliche Blickwinkel und Perspektiven auf den Leubinger Fürstenhügel und die angrenzende Landschaft. Böschungen in Form von großzügigen Geländemodelierungen fangen den Höhenunterschied zwischen dem Landschaftsblitz und dem westlich gelegenen Parkplatz ab. Der Weg verbindet sich mit der Architektur der Rast- und Tankanlage zu einer formalen Einheit und bietet ein umfassendes Erlebnis des Genius Loci.
Ausstattung
Der Entwurf bezieht sich konsequent auf die Verbindung der funktionalen Flächen der Tank- und Rastanlage mit dem archäologisch wertvollen Leubinger Fürstenhügel. Im Fokus steht die Gestaltung der Landschaftsschneise, der eigentliche Parkplatz wird nur mit den notwendigen Beleuchtungsanlagen und einigen Abfalleimern vervollständigt. Auf der Landschaftsschneise können die Besucher sowohl ihren Aufenthalt verbringen, als auch die Ausstellung zum Fürstengrab besichtigen.
Der Weg auf der Landschaftsschneise wird im Hinblick auf die Nachhaltigkeit, das Budget und die Folgekosten aus wassergebundener Wegedecke hergestellt.
Im Bereich der Raststätte und des Parkplatzes wird aufgrund der höheren Nutzungsbelastung gerumpeltes Betonpflaster verwendet. Im Sinne der Barrierefreiheit überwindet der Weg den Höhenunterschied mit einer geringen Neigung von maximal 3%. Einige ebene Flächen bieten Orte zur Rast und erleichtern den barrierefreien Weg zum Fürstenhügel. Der Freisitz des Restaurants mit dem direkt angrenzenden Spielbereich stellt den Auftakt der Wegeverbindung dar. Eine große Sandspielfläche und einzelne punktuelle Spielgeräte bieten vielfältige Spielangebote für Kinder.
Entlang des Weges zum Fürstenhügel und an den Einmündungen der Wege vom Parkplatz verteilen sich kleine Aufenthaltsplätze mit Sitzgelegenheiten und Tischen für die Besucher, die hier zum Picknick rasten wollen.
Die Beleuchtung des Wegs übernehmen gräserartig gebogene LED - Lichtstelen, die sich locker entlang des Wegs verteilen und in kleinen Gruppierungen die Aufenthaltsplätze beleuchten. „Lichtschilf“ setzt weitere feine Akzente.
Der Fürstenhügel selbst wird von einem Rundweg umrahmt, dieser beschreibt etwa die ursprüngliche flächige Ausdehnung des Hügelgrabs. Von Nordosten aus ist der Hügel durch auf der Böschung liegende Stufen begehbar.
Ein Platz an der Landstraße im Norden bietet den Anschluss für Besucher, die nicht von der Autobahn den Weg zum Hügelgrab nehmen. Direkt an der Straße befinden sich fünf Stellplätze. Auf dem Rundweg verteilen sich einige Sitzplätze und Punkte des Informationssystems.
Bepflanzung
Ganz im Sinne der Erlebbarkeit der Vergangenheit des Ortes wird die Wegschneise - in Anlehnung an die bronzezeitlichen Riedlandschaft der Region - mit Gräsern und Hochstaudenfluren bepflanzt. Die Pflanzflächen werden räumlich durch eine freie Anordnung kleinerer Gruppen von Prunus avium ’Plena’ (gefülltblühende Vogelkirsche) gegliedert. Wie auch bei der baulich extensiven Gestaltung. wird bei der Pflanzung auf geringe Herstellungs- und Pflegefolgekosten Wert gelegt.
Sowohl der Landschaftssteg als auch ihre Umgebung sind entsprechend der Forderungen des landschaftspflegerischen Begleitplans bepflanzt und stellen einen Teil der Ausgleichsmaßnahmen dar. So werden Biotope aus Feldgehölzen, Hochstaudenfluren, Einzelgehölzen und auch Extensivgrünland angelegt und bilden den Rahmen der Anlage.

Informations- und Orientierungssystem
Die Region um das heutige Leubingen war im 20. Jahrhundert v.u.Z. durch die damaligen klimatischen Gegebenheiten stark von anhaltender Feuchtigkeit, Wasser, sumpfigem Grund und der damit verbundenen Vegetation (Schilf, Sumpfgras) geprägt. Dies belegt auch die nachgewiesene Schilfabdeckung als Schutz der Grabkammer innerhalb des „Leubinger Fürstenhügels“. Zu jener Zeit war das Gebiet somit schwer durchquerbar und es ist davon auszugehen, das die hier an- sässigen Menschen ihren „Wohlstand“ der Lage am „Wegesrand“, der Schnittstelle der Nord-Süd-Achse zwischen dem heutigen Südharz und Franken verdankten. Hier knüpft die grafische Gestaltung an und thematisiert die Struktur von Elementen des Schilfgrases, welches so stark in die Abstraktion getrieben wird, dass die Assoziationen zu den Themen Fundstelle, Spurensuche, Wegeführung aber auch Bewegung, Dynamik oder Schnittstelle angeregt werden. In Verbindung mit einer klaren, sachlich modernen Typografie und farblicher Differenziertheit entsteht ein ganzheitlicher Ansatz des Kommunikationsdesigns zur Vermittlung von historisch bezogener Informationen, systematischer Orientierungshilfe, Schauwert und Servicequalität.
Die Informationen zu frühgeschichtlichen Inhalten der Fundstelle „Leubingen“ wird anschaulich aufbereitet in einer „Tafelausstellung“ auf freistehenden Elementen (Stelen), beginnend innerhalb des Raststättengebäudes, fortgesetzt in den Außenanlagen, die Wegführung zum originalen „Leubinger Fürstenhügel“ begleitend. Thematisiert werden auf den Ausstellungselementen Inhalte zu den archäologischen Themen ebenso wie touristische und kulturelle Themen – in die Region Nordthüringen weisend. Jedes einzelne Ausstellungselement zeigt einzelne Versatzstücke und macht dadurch neugierig auf die gesamte Anlage.
Durch die gestaltete Hinführung von der Raststätte zum „Hügel“ entlang der Wegeführung entstehen interessante, bebilderte Blickachsen sowie einzelne „Inseln“ mit Angeboten zum Ausruhen und Verweilen bei gleichzeiger Informati- onsvermittlung z.B. mittels klassischer Vermittlung der historischen Inhalte mittels Bild und Text auf Anschauungstafeln. Eine Besonderheit innerhalb der Ausstellungselemente stellt der Corpus „Das archäologische Auge“ dar. Hier wird auf spielerische Weise der Versuch unternommen, über die Beziehungen von Perspektive, Blickachse und Transparenz, die ursprüngliche Dimension des Grabhügels abzubilden und wieder erfahrbar zu machen. Beim „Durchschauen“ des transparent gestalteten „Auges“ sieht man den Hügel „virtuell aufgeschüttet“ in seiner eigentlichen Größe.
Den Auftakt im Raststättenshop bildet eine attraktive „Aufmachergestaltung“ im Eingangsbereich zum Restaurant mit Zitaten der Funde in und um den Leubinger Grabhügel als „Appetitanreger“ auf das Thema.
Die Blickbeziehung des Bauwerks „Raststätte“ zum original „Leubinger Fürstenhügel“ wird innerhalb des Gaststättenbereichs aufgegriffen und durch eine dezente Grafik auf dem großflächigen Glasfenster auf der Nordseite aufgegriffen. Das formale Thema „Schilfgras“ wird hier durchbrochen mittels grafischer „Blickfenster“ die auf die Sichtbe- ziehung zum Hügelgrab fokussieren. Am Zielpunkt der Wegführung von der Raststätte am Fußpunkt des Grabhügels trifft der Besucher auf ein besonderes Angebot. Auf dem Display eines großformatigen Touchscreen-Monitors werden mittels Bild- und Filmmaterial interessante Aspekte zur Thematik des „Leubinger Fürstenhügels“ interaktiv dargestellt. So fungiert der Monitor quasi als ein Fenster in die Vergangenheit und in den Grabhügel zugleich.
Das Orientierungssystem arbeitet mit Pictogrammen, Farben und sachlicher Typografie. Der grafische Duktus der Pictogrammsprache erinnert in seiner linearen, gebrochenen Verknapptheit an die zeichenhaft naive Bildsprache unserer Vorfahren ebenso wie an die technischen Hilfsmittel und Beschriftungen an Grabungsorten und archäologischen Fundstellen zu Dokumentationszwecken. Im Zusammenspiel mit der modernen, sympathischen Sachlichkeit des Schriftfonts „KLAVIKA“ wird die Kommunikation sehr anwenderfreundlich und barrierefrei gestaltet. Der Einsatz von Versalien verleiht dem Auftritt dabei einen plakativen Aspekt bei guter Fernwirkung. Die farbliche Differenziertheit nach thematischen Zuordnungen innerhalb einer bewusst begrenzten Farbwelt aus Grün-, Gelb- und Beige/Brauntönen in Verbindung mit neutralisierendem Grau unterstützt die Orientierung. Die Pictogramme sind anwendungsspezifisch freigestellt linear oder auf farbigem Grund als geschlossener „button“ nutzbar. Der flächige Untergrund kann hierbei auch als Trägerelement der „Schilfgrasgrafik“ dienen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die dynamische, klare Gesamtform des Gebäudeensembles spiegelt die Geschwindigkeit der Bewegung auf der Autobahn wider. Die aufsteigende Rampe entlang der Autobahn und die Torsituation der Tankanlage bilden einen eindrucksvollen Rahmen, der den Blick auf den Fürstenhügel fokussiert. Die Raststätte wird geschickt unter das große Dach geschoben.
Die Wegeführung von der Dachterrasse über die freie Landschaft zum Fürstenhügel und die große Rampe überzeugen räumlich und machen die Tank- und Rastanlage unverwechselbar. Leider versperrt die Rampe auf der Westseite die Sicht auf die Anlage und beeinträchtigt die Verkehrssicherheit bei der Ausfahrt aus der Tankstelle. Zudem sind die Kosten für die Rampe erheblich.
Die Konzentration der Freiflächengestaltung auf eine Wegeverbindung zwischen Tank- und Rastanlage und Fürstenhügel ist nachvollziehbar und gut durchgearbeitet. Dadurch wird der Eingriff in die vorhandene landschaftspflegerische Begleitplanung reduziert.
Aus denkmalpflegerischer Sicht sind jedoch zusätzliche Baumpflanzungen im direkten Umfeld des Fürstenhügels zu vermeiden. Das Schilfmotiv als Assoziation der ehemaligen Riedflächen überzeugt im Landschaftsraum, wirkt aber auf den Wänden der Rampen überzogen.
Der Entwurf für das Kommunikationsdesign ist weder konzeptionell noch formal mit dem Gesamtentwurf verbunden. Er bleibt konventionell und wird der Spezifik des Ortes kaum gerecht.