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Mehrfachbeauftragung | 05/2015

ZukunftsDORF

1. Rang

GREENBOX Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Die Gemeinde Legden hat sich im Rahmen des Regionale 2016 Projektes „Älter werden im ZukunftsDORF – Leben und Lernen über Generationen“ zur Aufgabe gemacht, sich mit den Herausforderungen des demografischen Wandels frühzeitig und ganzheitlich zu befassen. Der vorliegenden Entwurf zur Hauptstraße in Legden bietet einen Beitrag für integrative Lösungsansätze und Ideen für den öffentlichen Raum, wie den Bedürfnissen aller Generationen und allen Bürgern - mit und ohne Einschränkungen - begegnet werden kann.

SITUATION
Die Gemeinde Legden, im westlichen Münsterland gelegen, bietet das Bild eines typisch münsterländischen Dorfes mit roten Klinkerfassaden und Klinkerpflaster. Als Dahlien- und Freizeitdorf ist Legden überregional bekannt, kleine und mittlere Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe prägen das wirtschaftliche Leben. Der Projektbaustein „Barrierefreier Ortskern“ befasst sich mit der barrierefreien Umgestaltung der Dorfmitte und damit dem östlichen Abschnitt der Hauptstraße. Der Dorfkern von Legden ist heute durch die bestehende Straßensituation der Hauptstraße als bedeutender Erschließungs- und Versorgungsachse geprägt. Wichtige Einrichtungen wie das neue Gesundheitszentrum, hausärztliche Arztpraxen, aber auch Einzelhandel für den täglichen Gebrauch, wie Bäckerei oder Apotheke, befinden sich hier. Der Bereich vor dem Gasthaus „Alt Legden“ wird von vielen Legdenern als Ortsmitte empfunden, die heutige Situation mit als Parkplatz wird diesem Anspruch aber nicht gerecht. Auf der anderen Straßenseite stellt der vorhandene Brunnen einen beliebten Treffpunkt dar, doch auch dieser kleine Platz wird stark durch die Straßensituation geprägt. Die südliche überwiegend aus historischen Gebäuden bestehende Fassadenseite der Hauptstraße bildet nach Süden die Raumkante zum Kirchplatz, welcher von der Hauptstraße aus nur durch eine enge Gasse neben dem freistehenden schmalen Fachwerkhauses des Verkehrsvereins zu erschließen ist. Der Kirchplatz stellt die Verbindung vom Dorfkern zum Dahliengarten, dem neuen Herzstück Legdens dar und erhält somit eine gesteigerte Bedeutung im Erschließungsgefüge der Gemeinde.

KONZEPT
Ziel des Entwurfs ist es, die Dorfmitte räumlich und funktional zu stärken, besser erfahrbar zu machen und im Sinne der gewünschten Barrierefreiheit für alle Legdener Bürger aufzuwerten. Hierfür schlägt der Entwurf einen durchgehenden Materialteppich von Fassade zu Fassade vor, welcher dem dazwischenliegenden Raum ein einheitliches Erscheinungsbild gibt und die Orstmitte als Platz markiert. Der Bereich für den motorisierten Verkehr wird durch eine Fahrbahnmarkierung klar definiert, der restliche Raum steht allen übrigen Nutzern gleichberechtigt zur Verfügung. Gezielte Baumneupflanzungen stärken die Raumbildung und Wegeführung. Ein für das Dorf Legden entworfenes Ausstattungs- und Leitsystem setzt Akzente und dient der Orientierung und Wegeführung im Ortskern.

ENTWURF
Der großzügige Materialteppich aus Pflasterklinker knüpft an das vorhandene, den Ortskern prägende Klinkermaterial an Fassaden und als Pflasterung an. Das gewählte längliche Riegelformat erzeugt ein modernes Erscheinungsbild, feine farbliche Nuancierungen schaffen eine zurückhaltende Lebhaftigkeit.
Die Fahrbahn wird als verkehrsberuhigter Geschäftsbereich mit einer zulässigen Fahrgeschwindigkeit von 10-20km/h ausgebildet. Während die länglichen Pflasterklinker im Fußgängerbereich im wilden Verband verlegt werden, wird für die Fahrbahn als Verlegemuster der Fischgrätverband gewählt. Durch die Verlegung im 45 Grad-Winkel zur Wegachse wird eine hohe Stabilität und bessere Lastabtragung erreicht. Die Fahrbahnmarkierung erfolgt nicht nur über das andere Verlegemuster, eine Entwässerungsrinne bildet sowohl eine visuelle als auch taktile Grenze zwischen motorisiertem Verkehr und Fußgängerbereich. Durch die bodenbündige Verlegung der Rinne wird eine einfache Querung des Fahrbahnbereichs ohne Höhenunterschied und Stolperfallen ermöglicht.
Die nördliche Seite der Hauptstraße wird bis auf zwei Pkw-Stellplätze am östlichen Ende vor dem Gesundheitszentrum von Parkplätzen freigehalten. Dies ist die Sonnenseite des Platzes und den Fußgängern sowie dem vorhandene Einzelhandel und Gastronomie soll möglichst viel Platz zur Verfügung gestellt werden. Die vorhandenen Bäume werden durch Neupflanzungen auf dieser Straßenseite ersetzt, während die südliche Seite ganz von Bäumen freigehalten wird und durch Längsparker Raum für zehn Stellplätze bietet. Für die Baumneupflanzungen werden blühende Bäume wie z. Bsp. Zierkirschen gewählt, welche der Hauptstraße zur Blütezeit zusätzlich einen besonderen Charakter verleihen.
Für die Kreuzung Hauptstraße / Kirchstraße / Osterwicker Straße / Königstraße schlägt der Entwurf die Verkehrsregelung über einen Mini-Kreisverkehr mit überfahrbarer Mitte und eindeutigen Fußgängerquerungen vor. Eine Kreuzung mit Lichtsignalanlage, wie heute bereits vorhanden, ist mit dem vorliegenden Entwurf jedoch ebenfalls konfliktfrei vereinbar. Die Brachfläche an der Osterwicker Straße / Königstraße wird in Form einer Multifunktionsfläche in das Konzept integriert. Ein Baumhain ersetzt die fehlenden Raumkanten und spendet der darunterliegenden Fläche lichten Schatten. Je nach Bedarf kann diese Fläche dem Aufenthalt, für Außengastronomie wie temporäre Eisverkaufsstände im Sommer oder auch für drei zusätzliche Stellplätze in Schrägaufstellung dienen.
Der Bereich um den vorhandenen Brunnen wird ebenso wie der gegenüberliegende Bereich vor dem Gasthaus „Alt Legden“, dem Verkehrsverein und dem zurück liegenden Ärztehaus von Bäumen freigehalten. Die Parkplätze vor dem Ärztehaus entfallen zugunsten des neuen Platzes mit erhöhter Aufenthaltsqualität. Von hier aus sind alle zentralen Versorgungseinrichtungen erreichbar, der Zugang zum Kirchhof und Dahliengarten erschließt sich von hier. Der Brunnen bleibt an seinem heutigen Standort erhalten und wird in die zukünftige Ausstattungsfamilie integriert, Sitzbänke laden zum Verweilen in der Sonne ein. Gegenüber vor dem Gasthaus befindet sich wie ein Pendant zum Brunnen das Hauptelement der neuen Ausstattungsfamilie, welches als Sitzmöbel und Leitsystem dient.

DORFMOBILIAR
Die Dahlie ist das Wahrzeichen der Gemeinde Legden und dient somit in diesem Entwurf als Leitidee für das neue Dorfmobiliar. Die spiralförmige Anordnung der einzelnen Blütenblätter der Dahlie ergibt das kreisrunde Erscheinungsbild der gesamten Blüte, der Kreis stellt die reduzierte und stilisierte Blüte dar und bildet die Typologie des Dorfmobiliars. Die „Blüten“ sind wie „Satelliten“ über den Ort verstreut, wie schwimmende Blütenblätter leiten sie durch den Ortskern. Sie stellen Informationen zur Verfügung, dienen der Orientierung und Wegeführung, leiten von einem Ort zum nächsten, fungieren als taktiles und audiovisuelles Leitsystem, bieten Sitzmöglichkeiten an, dienen als Treffpunkt und schaffen Identifikation.
In ihrer Materialität orientiert sich das Dorfmobiliar an vorhandenen Strukturen. Der Cortenstahl der Hochbeete im neuen Dahliengartens wird aufgegriffen und als Material auf das Dorfmobiliar erweitert. Pflanzschale, Stahlband-Intarsie, Baumrost und Sitzmöbel aus Cortenstahl erhalten ein einheitliches Erscheinungsbild und sind einer Modulfamilie zuzuordnen. Die Sitzmöbel erhalten eine Holzauflage, die Pflanzschalen werden mit Wechselflor aus Dahlien thematisch variable bepflanzt.
Auf dem zentralen Platz, am Kirchhof und am östlichen Platzeingang an der Multifunktionsfläche dient je eine Pflanzschale mit integrierter Rundbank als Schmuckelement, Treffpunkt, Sitzplatz, Wegweiser und Informationspunkt. Stahlband-Intarsien im Boden benennen wichtige Orte und schaffen zusätzliche Orientierung, kleinere Sitzelemente bieten die Möglichkeit des Pausierens unterwegs, ein Kinderspiel bezieht auch die Jüngsten in die Nutzung mit ein. Die Entwässerungsrinne fügt sich in ihrem Erscheinungsbild in die Stahloptik ein. Sie ist zugleich visuelle als auch taktile Fahrbahnmarkierung und bietet die Möglichkeit über einen eingelassenen Schriftzug zusätzliche Identifikationsbezüge zu schaffen.

LICHTKONZEPT
Um dem recht engen öffentlichen Raum der Ortsmitte seine gewonnene Großzügigkeit nicht wieder zu nehmen, schlägt der Entwurf Überspannungsleuchten vor, welche von Fassade zu Fassade die Hauptstraße überspannen. In ausreichender Höhe von mindesten 5 m angebracht ermöglichen Sie die Durchfahrt für die Wagen des Blumenkorsos zum Dahlienfest und leuchten die Straße mit energiesparenden LED-Leuchten großzügig aus. Im Design orientieren sich die Leuchten am den neugeplanten Leuchten im Dahliengarten und stärken auch hier den Eindruck einer ganzheitlichen Gestaltung des Ortskerns. Eine dezente Spur aus Lichtpunkten im Boden führt durch die schmale Fuge vom Platz über den Kirchhof zum Dahliengarten.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Gesamtkonzept baut auf eine gründliche Analyse auf. Der Entwurf erhält durch seine räumliche Gestaltung die Funktion entsprechend der heutigen Hauptstraße. Als eine bedeutende Stärke des Gesamtkonzeptes wird die Anpassbarkeit an verschiedenste Nutzungsbedarfe und Funktionswandlungen angesehen, die dennoch Spielraum für Diskussionen ermöglichen. Für die Kreuzungssituation schlägt der Entwurf eine Verkehrsregelung über einen Minikreisel mit überfahrbarer Mitte und eindeutigen Fußgängerquerungen vor. Die Umgestaltung der Hauptraße wäre jedoch auch mit der bestehenden Lichtsignalanlage kompatibel. Das ortsspezifisch gestaltete Leitsymbol der Dahlie fügt sich aus Sicht des Gremiums auf eine gelungene Weise zurückhaltend in das Gesamtkonzept ein.

RÄUMLICHES KONZEPT
• Der Gestaltungsvorschlag wird vom Gremium trotz hoher Eigenständigkeit als dauerhaft belastbar eingeschätzt.
• Auf den Spielbereich im Nordwesten des Plangebietes kann verzichtet werden, da dieser wenig Aufenthaltsqualität bietet und nun am Rande an das Geschehen grenzt.

GESTALTERISCHE UND FUNKTIONALE QUALITÄT
• Die Wahl der ortstypische Materialien und Gestaltungselemente wird als positiv bewertet.
• Eine Hervorhebung einzelner Funktionsbereiche durch verschiedene Verlegearten des Bodenbelages erscheint plausibel und sinnvoll.
• Das Gremium bewertet den Erhalt der Straßenfunktion als zielgerichtet im Zusammenhang mit der aufgezeigten Funktionsaufteilung im Konzept.
• Die Vorteile und Nachteile der hängenden Spannbeleuchtung wurden kontrovers diskutiert. Positiv sind aus Sicht des Gremiums die Förderung der Barrierefreiheit sowie ein verbreitetes Sichtfeld im Straßenraum. Nachteile sind die mangelnde Ausleuchtung der außenseitigen Gehwege, die Befestigung an den Fassaden sowie ein eventuelles Schwanken der Leuchten auf Grund der gegebenen Straßenbreite.
• Das Einfügen der Dahlienform ist den Verfassern aus Sicht des Gremiums dezent gelungen, wodurch das florale Motiv nicht überstrapaziert wird.
• Die Funktion der Straße wird durch einen flexiblen Gestaltungsrahmen dauerhaft ermöglicht und gleichzeitig definiert das Konzept unterschiedliche Situationen in unterschiedlichen Bereichen, wodurch die Personen unauffällig geleitet werden.

FAZIT
Als Stärke des Konzeptes betont das Gremium seine Dezenz und gleichzeitig sein hohes Maß an Eigenständigkeit und bezeichnet den Entwurf im positivsten Sinne als »unaufgeregt«. Die Gestaltung lässt sich schrittweise und flexibel anpassbar im Plangebiet umsetzen und wird somit von Seitens des Gremiums als »dauerhaft belastbar« bewertet. Dem Detailgrad der Gestaltung ermöglicht es dem Verfasser die historische Formgebung der Hauptstraße modern auszulegen. Das Gremium bewertet die Möglichkeiten der Orientierung in diesem öffentlichen Raum auch ohne Wegweiser als gelungen.