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Mehrfachbeauftragung | 06/2015

Urbanes Leben am Papierbach

MORPHO-LOGIC I Alternative 1

MORPHO-LOGIC I Alternative 1

Gewinner

MORPHO-LOGIC | Architektur und Stadtplanung

Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

URBANES WOHNEN AM PAPIERBACH - LANDSBERG

MORPHO-LOGIC I ARCHITEKTUR + STADTPLANUNG
MICHAEL GEBHARD, PROF. INGRID BURGSTALLER
PROF. UTA STOCK-GRUBER, LANDSCHAFTSARCHITEKTIN


ERLÄUTERUNGEN

Das Gelände der ehemaligen Papierfabrik weist, aufgrund seiner Lage am Lech mit dem Ausblick auf den Fluss selbst, ebenso wie auf die Altstadtsilhouette ein hohes städtebauliches Potential. Gleichzeitig kommt dem Areal eine wichtige Verknüfungsfunktion nach Westen zu.
Fluss, Bahnlinie, Topographie, Aus- und Durchblicke und erhaltenswerte Bestandsbauten sind wesentliche Randbedingungen für den städtebaulichen Entwurf.

Als zentrales Element wird eine Platzfolge, als urbaner Verknüpfungsraum, ausgebildet, die im Osten von einer neuen Lechbrücke für Fußgänger und Radfahrer über die Bahnlinie zur Spöttinger Strasse im Westen und von dort Richtung neuem Festplatz und Schule führt. Auf den beiden, durch die Bahnlinie getrennten großflächigen Baufeldern, werden die beiden Alternativen mit unterschiedlicher Verkehrserschließung im Osten (von Kühlmann Straße) und unterschiedlichen Baustrukturen entwickelt.

Beide Alternativen arbeiten mit kleinteiligen Baufeldern die von urban geprägten Räumen aus Gassen und Platzräumen umgeben sind. Kleinteiligkeit und Abwechslungsreichtum der öffentlichen Räume sind wichtiges Entwurfsmerkmal, ebenso wie der Unterschied zwischen Binnen und Aussenräumen der Baufelder. Alle Baufelder sind ca. 0,4 m über den öffentlichen Raum der Plätze angehoben.


Bestandsbauten

Bestandsbauten wie der Schremmbau und die Schmiedhalle werden in den Entwurf eingebunden und bilden mit ihren markanten Bauformen und Strukturen eigenständige Stadträume aus, die den Charakter des Fabrikgeländes nachvollziehbar machen.
In Alternative 2 wird neben den genannten Bauten auch noch das nordöstlich gelegene Garagengebäude mit seiner prägnanten Architektur erhalten.
Das am südlichen Rand des neuen Wohngebietes gelegene Jugendhaus steht jetzt an einem neuen Platzraum zusammen mit neuer Wohn- und Geschäftsnutzung und einer Kindertageseinrichtung.


Baustruktur

Ausgangspunkt beider Alternativen sind die gewählten, kleinteiligen Baufelder mit den sich daraus ergebenden öffentlichen Räumen als Platzräume und Wegeverbindungen unterschiedlicher Ausprägung.
Alternative 1 bildet die Ränder der Baufelder die potentiell einer Lärmbelastung ausgesetzt sind als geschlossene Bebauungen aus. Die übrigen Ränder werden meist mit Einzelgebäuden besetzt die Aus-, Ein- und Durchblicke im Zusammenspiel mit den Hofräumen erlauben. Insbesondere auf dem östlichen Teilgebiet sollen die Ausblicke auf die imposante Altstadtkulisse so maximiert werden.
Der unterschiedliche Charakter von Hofraum zu öffentlichem Aussenraum stellt ein wichtiges Entwurfmerkmal dar. Die entstehenden öffentlichen Räume sind trotz der Offenheit der Struktur klar erkennbar und nachvollziehbar. Damit ist eine eindeutige Adressenbildung wie man sie für städtische Räume erwartet gewährleistet.

Alternative 2 bildet geschlossener Höfe aus, die sich teilweise über Wegeverbindungen hinweg zueinander öffnen. Im östlichen Teilgebiet öffnen sie sich in Richtung Altstadt.


Verbindung über Bahn

Die Verbindung über die Bahntrasse kann in beiden Alternativen in zweierlei Weise ausgebildet werden. Sofern bei der BahnAG durchsetzbar, wäre eine ebenerdige Ausführung die wünschenswerteste und selbstverständlichste Verbindung. Sofern deine solche Verbindung nicht durchsetzbar ist, wird in Alternative 1 nachgewiesen wie die Barriere Bahntrasse mittels einer differenzierten Unterführung überwunden werden könnte. Gleiches ist auch in Alternative 2 möglich.

In beiden Alternativen sind die zusätzlich wünschenswerten, ebenerdigen Verbindungen aus dem Bestand erhalten. Sie tragen zu so wichtigen Vernetzung der beiden Teilbaugebiete bei. Sie sind jedoch nicht unverzichtbar.


Nutzungen

Entlang der wichtigen Platz- und Verbindungsräume besteht die Möglichkeit in den Erdgeschossen Gewerbe, Laden- und Dienstleistungseinrichtungen unterzubringen. Am Nordwestlichen Rand kann im Erdgeschoss ein großflächiger Einzelhandelsmarkt angesiedelt werden.
Die Bestandsbauten mit ihrer offenen, flexiblen Baustruktur sollen in hybrid genutzte Gebäude mit einem engen Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten umgewandelt werden. In die Schmiedhalle könnten mehrgeschossige Wohn- und Arbeitseinheiten eingestellt werden. Entlang einer Mittelachse in Nord-Südrichtung kämen vorzugsweise Kreativgewerbenutzungen zu liegen, darüber könnten jeweils separat,oder über die Gewerbeeinheiten, die zugehörigen Wohneinheiten in Form von Maisonetten erschlossen werden. In der Mittelachse wäre der Hallenraum in voller Höhe erlebbar - eine Art Kreativgallerie.
Die vorgesehene Wohnnutzung erhält in Alternative 1 ein vielfältiges Spektrum an Bauformen. Das reicht von der Zeile, über die Blockrandbebauung bis zum Einzelhaus. Die Höhe beträgt in der Regel vier Geschosse. Dabei sollen unterschiedliche Wohnformen untergebracht werden. Das reicht vom Familien- über Loftwohnungen in den umgenutzten Bestandsbauten, von stadtvillenartigen Wohnformen über Seniorenwohnungen bis zum geförderten Wohnungsbau.

In beiden Alternativen ist im Südwesten im Zusammenhang mit dem Jugendhaus, an einer Platzsituation ein Platz für eine Kindertageseinrichtung vorgesehen. Diese wird im fall der Alternative 2 im Erdgeschoss, evtl. auch noch Obergeschoss eines Wohngebäudes untergebracht, die Freifläche westlich zum Platz hin vorgelagert. In Alternative 1 liegt die Kita in den Obergeschossen und die Freifläche dementsprechend auf dem Dach. Beide Dispositionen sind austauschbar.



Verkehr

Die Verkehrskonzepte beider Alternativen unterscheiden sich in der Führung und Ausbildung der von-Kühlmoos-Straße.
In Alternative 1 wird sie im Bereich der Pflugfabrik unterbrochen und ist nur noch für Anlieger, Ver- und Entsorgungs- sowie Notfallfahrzeuge befahrbar.
In Alternative 2 wird sie als Tempo 30 Zone oder verkehrsberuhigter Bereich ausgebildet.

Die Parkierung wird in beiden Alternativen in Tiefgaragen unter den Baufeldern angeordnet. Entlang der Spöttinger Strasse entstehen Senkrechtstellplätze die den Bedarf an Besucherstellplätzen, insbesondere für die hier angedachten Ladennutzungen erfüllen können.

Die Inneren Bereiche beider Alternativen sind im wesentlichen autofrei angelegt. Wegeverbindungen für Fußgänger und Radfahrer bilden ein engmaschiges Netz das sich mit seiner Umgebung verknüpft.




Lärmschutz

Der Lärmschutz gegenüber der Bahn wird in beiden Alternativen durch eine parallel oder leicht abschwenkende meist viergeschossige Bebauung entlang der Bahntrasse hergestellt. Die Grundrissausbildung innerhalb der dort angeordneten Bauten kann aufgrund der Ost-Westorientierung so gewählt werden dass die lärmempfindlichen Räume auf die ruhigen Seiten hin orientiert sind. Je nach energetischer Ausbildung der Bauten wird ohnehin einen Be- und Entlüftung der Räume notwendig.



Freiraumstrukturen

Die bestehenden mächtigen Galeriewälder markieren wichtige topographische Geländekanten der Lech-Aue und der Lech-Terrasse südlich des Hindenburgrings.

Die neuen quartiersinternen Freiräume verbinden in ihrer Ost-West-Orientierung den Flussraum mit dem neuen Viertel „Alte Pflugfabrik“.

Ein mit Bäumen bestandener Bastionsplatz (Stadtbalkon) nimmt den Fußgängersteg von der Altstadt kommend auf und stellt zusammen mit dem zentral gelegenen Quartiersplatz damit die Verknüpfung zwischen der Stadt östlich und westlich des Lechs her. Von hier aus lässt sich die historische Stadtsilhouette besonders gut erleben. Gleichzeitig bildet diese hochwertige Platzabfolge auch ein verbindliches Gelenk zum nördlich angrenzenden Gartenstadt- Wohnen aus. Eine großzügige, sanft ab- und ansteigende Unterführung liegt in der direkten Verlängerung der Achse der neuen Fuß- und Radwegbrücke.

Die neuen Lech-Terrassen nördlich des Stadtbalkons staffeln sich zum Wasser hinunter und laden zusammen mit dem Platz zum Verweilen am Wasser ein.

Die Kühlmann-Straße wird als breite Fuß- und Radwegachse ausgebildet, die jedoch für städtische Fahrzeuge, Notdienste und besondere Vorkommnisse durchlässig gestaltet ist.

Lockere Baumreihen begleiten Papierbach- und Wasserkanal. Die beiden in Ost-West-Richtung verlaufenden Gewässer erfahren eine deutliche Differenzierung: Nördlich der breiter angelegte Wasserlauf des Papierbachs, im Süden die schlanke Wasserfuge. Wasser bildet ein wesentliches und prägendes Freiraumelement des neuen Stadtteils.

Die Bahnlinie mit ihrer begleitenden trockenliebenden Gras- Staudenflur (Prärie) bringt als übergeordneter Transit- Freiraum gestalterisch einen deutlichen Kontrast zu den Freiräumen, die mit ihren Wasserthemen zum Aufenthalt einladen. Dieser Kontrast wird bewußt in die Freiraumgestaltung eingebracht und bildet eine spannungsvolle Ergänzung im Konzert der unterschiedlichen Freiräume im Bereich des neuen Stadteils.

Der öffentliche Raum berücksichtigt soweit wie möglich die erforderliche Barrierefreiheit.

Die privaten Freiräume innerhalb der Block - und Hofstrukturen sind geschützt, grünbetont und etwas über dem Niveau des öffentlichen Raums angelegt; auch hier wird für barrierefreie Zugänglichkeit gesorgt.

Die vorhandene großflächige Parkierungsanlage südlich des Mutterturms im Nahbereich des sensiblen Herkomer Parks wird auf ein angemessenes Maß reduziert; die Stellplätze können südlich des Planungsgebiets entlang der Bahnlinie in Decks sehr gut untergebracht werden. Somit kann der besonders hochwertigen Lage bezüglich Naturraum und Denkmalschutz gerecht werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf Variante 1 von MORPHO‐LOGIC liefert in Summe hinsichtlich des geforderten Programms und dessen Parameter die besten Ergebnisse. Sowohl auf städtebaulicher, nutzungs‐, wie auch verkehrstechnischer Ebene kann das Münchner Büro punkten und somit überzeugen.

Städtebau
Der Entwurf basiert auf einer vielfältigen, spannungsvoll verwobenen Grundstruktur. Höfe, Straßen, Wege, Boulevards und Plätze bieten den BewohnerInnen des neuen Quartiers und darüber hinaus den Landsbergern eine Fülle an atmosphärischen, öffentlichen Räumen, die zur Begegnung einladen. Die teils aufgelösten Hofstrukturen eröffnen mit den darin arrangierten Stadthäusern ein attraktives Angebot an verschiedenen Wohntypologien. Hierarchien werden dadurch eher vermieden, sozial durchmischtes Wohnen hingegen gefördert.

Öffentliche und semiöffentliche Räume lassen sich durch die aufgelöste Blockrandbebauung zwar deutlich ablesen, setzen jedoch durch Blickbeziehungen und nahtlose Übergänge auf deren Verwebung. Im Gegenzug zur Altstadt weist das Quartier eine größere Körnung und Durchgrünung auf, bietet jedoch in seiner Grundstruktur ähnlich viele Qualitäten und Differenzierungen an Räumen. Das neue Stadtquartier operiert als Bindeglied zu angrenzenden Bebauungsstrukturen und stellt somit eine Ergänzung und Stärkung von Vorhandenem dar. Ansatz und Radikalität der GÖTZ CASTORPH Variante 2 verleitet zur Empfehlung, dem Bestand im Rahmenplan mehr Rechnung zu tragen und den Erhalt weiterer Bauten der Pflugfabrik zu prüfen. Es gilt, die spezifische Atmosphäre des Ortes noch mehr zu sichern.

Freiraum
Dem Entwurf liegt ein sehr engmaschiges Wege‐ und Straßennetz zu Grunde. Vor allem die Verbindungen zu Fuß und per Rad sind abwechslungsreich und animieren zur Durchquerung des Quartiers. Dies garantiert Bewohnern und Besucherinnen des Quartiers eine spannungsreiche Abfolge von Wegen und Plätzen mit mehrfachem Anschluss an die Parklandschaft der Uferzone. Die Haupterschließung in Ost--‐West Richtung erfolgt über einen schlüssigen und zugleich differenzierten Hergang von der Altstadt bis zum Sportzentrum und den westlichen Wohngebieten: Steg / Boulevard / Bahnunterführung (gegebenenfalls oberirdisch höhengleich) / Boulevard / Hungerbachweg / Spöttingerstraße. Das für Landsberg typische Element Wasser wirkt im Quartier über den Papierbach und weitere angelegte Wasserbecken, die zum Lech hin geöffneten Wohnhöfe werden durch den Uferbezug zudem atmosphärisch bereichert. Die Parkplätze entlang der Von‐Kuhlmann‐Straße werden laut Entwurf aufgelassen und zum Ausgleich dafür ein Parkhaus westlich des Bahnhofes vorgeschlagen. Die Variante 1 sieht eine Unterbrechung der Von‐Kuhlmann‐ Straße vor; die Bürgerbeteiligung und die Abstimmung mit dem Verkehrsplaner werden hierzu Aufschlüsse bringen und sind im Rahmenplan entsprechend zu berücksichtigen. Der Entwurf funktioniert mit und ohne Unterbrechung.

Nutzungen
Die vorgeschlagene Bebauungsstruktur begünstigt die soziale Durchmischung, die unterschiedlichen Typologien sind ineinander verwoben. Sie eröffnet eine Vielzahl an Wohnformen – Loftwohnungen, Gemeinnützige Wohnungen, Betreutes Wohnen, Starterwohnungen, Mittel‐ und Hochpreisiges Segment. Die öffentlichen und gewerblichen Nutzungen werden an mehreren Standorten ausgewiesen, sind jedoch auf Grund der nutzungsneutralen Baustruktur flexibel und erhalten dadurch den nötigen Handlungsraum für soziale und kommerzielle Einrichtungen. Entsprechende Tiefgaragenanlagen ermöglichen eine Reduktion der Autos im öffentlichen Raum und das Generieren von Flanierräumen. Hier muss ein verträgliches Maß an Angebot in Bezug auf die Altstadt erwogen werden. Große öffentliche Räume wollen auch bespielt werden. Da die Entwicklung des gesamten Quartiers jedoch etappenweise funktioniert, kann im Anlassfall gegengesteuert werden.

Der vorliegende Entwurf verspricht durch das spannungsvolle Austarieren der Räume und deren Querbeziehungen jedenfalls einen hohen Grad an Lebendigkeit und gesellschaftlicher Akzeptanz. Die Körnung des Quartiers ist eine maßvolle und kann mit dem umliegenden Bestand in Dialog treten. Urbanes Leben am Papierbach bekommt durch einen Rahmenplan dieser Art eine solide Basis ‐ das gewünschte lebendige Stadtquartier kann sich auf dessen Grundlage entwickeln. Die Variante 1 von MORPHO‐LOGIC generiert seine Eigenständigkeit aus dem Genius Loci und dessen eingeflossenen Parametern, ist zugleich großräumliches Scharnier zwischen Altstadt und Vorstadt und verschränkt die Quartiershälften über die Bahngleise hinweg zu einem großen Ganzen, zu einem neu gewonnen Viertel mit unverkennbarer Identität.
MORPHO-LOGIC I Alternative 2

MORPHO-LOGIC I Alternative 2