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Offener Wettbewerb | 10/2015

Neugestaltung der östlichen Theresienstraße und der Ludwigstraße

Anerkennung

Preisgeld: 2.000 EUR

kessler.krämer Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Entwurfsansatz
Die Theresien- und die Ludwigstraße bilden die zentrale Ost-West-Achse der Ingolstädter Altstadt. Über viele Jahrhunderte haben sich die Nutzungen, Kubaturen und Fassaden der anliegenden Häuser verändert. Doch die Form der Straßenräume mit dem markanten Versatz an der Kreuzung Moritzstraße/Am Stein entspricht auch in der heutigen Fußgängerzone noch der mittelalterlichen Figur.

Die Freiraumgestaltung soll sich auf selbstverständliche Weise in die städtebauliche Struktur einfügen und deren Qualitäten fortführen. Der Raumzusammenhang der historischen Innenstadtachse wird durch Homogenität in Material und Gestaltprinzipien gestärkt. Gleichzeitig zeichnen sich die besonderen Typologien der drei Teilbereiche Theresienstraße, Kreuzungsbereich Schliffelmarkt und Ludwigstraße durch eine akzentuierte gestalterische Eigenständigkeit ab. Die spezifischen Potenziale und Rollen der Teilbereiche sollen durch differenzierte Nutzungsqualitäten gefördert werden.

Das tragende Element der Neugestaltung ist der warmgraue, leicht changierende Granitbelag. Er füllt den gesamten Straßenraum aus, die variierenden Raumkonturen werden gestärkt und in ihrer spannungsreichen Abfolge hervorgehoben. Wenige nuancierte Linienführungen und Oberflächentexturen zur funktionalen Gliederung des Freiraumes ordnen sich dem Gesamtbild unter und werden erst in der Nahperspektive erkennbar. Dabei wird eine ‚traditionelle‘ symmetrische Untergliederung der Straßenflächen gewählt, da sie sich einerseits am historischen Kontext orientiert. Andererseits ermöglicht sie eine flexible und gleichmäßige Verteilung von Nutzungen und Passantenströmen.

Raumzonierung, Nutzungsordnung
Die Fußgängerbereiche Theresien- und Ludwigstraße erhalten durch beidseitige Pflasterrinnen eine gestalterisch zurückhaltende, jedoch klare Gliederung in drei Funktionszonen: Beiderseits Fassadenzonen um einen breiteren Mittelbereich.

Die Fassadenzonen sind i.d.R. 4-4,5m breit. Je nach Erdgeschoßnutzung der anliegenden Häuser übernehmen sie unterschiedliche Funktionen. Bei Geschäftsnutzungen dienen sie als Flanierbereiche für den Schaufensterbummel und als Auslagen-/Aufstellbereiche. Für die Sondernutzung Auslagen soll jedoch immer ein mindestens 1,6m breiter Durchgang freigehalten werden. Die Fassadenzonen vor Gastronomiegebäuden – dies trifft auf längere Abschnitte der Theresienstraße zu - können für die Außenmöblierung genutzt werden (soweit diese nicht komplett in den Mittelbereich rückt). Auch hier muss immer ein ausreichend breiter Durchgang freigehalten werden. In der Theresienstraße wird dieser von einem 1,6m breiten Platten-Laufband definiert.

Die Mittelzone ist ‚rein öffentlicher Bereich‘. Sie nimmt die Baumstandorte auf, entlang ihrer Ränder wird linear die Möblierung mit Bänken, Infostelen, Abfallbehältern und einigen Fahrradbügeln angeordnet. Dazwischen erstreckt sich die variierend breite Bewegungs- und Aktionsfläche. Überwiegend dient sie dem Passantenverkehr, sie fungiert als Liefer- und Notfalldurchfahrt. In der Ludwigstraße ist die Mittelzone meist 9m breit (mit Abweichungen von 6,5 bis 11m). Die Mittelzone in der breit-langgestreckten Theresienstraße weitet sich vom Beginn Am Stein von 7,5m auf über 12m im Anschlussbereich an den vorhandenen Straßenausbau auf.

Die Außengastronomie kann von beiden Straßenseiten in die Mittelzone vorrücken oder komplett dort platziert werden (wobei eine Notfalldurchfahrt freizuhalten ist). Insbesondere in der breiten Theresienstraße stehen der Außengastronomie im Mittelbereich großzügige Flächen zur Verfügung. Weiterhin steht die Mittelzone als temporäre Aktionsfläche für Events und Sonderveranstaltungen zur Verfügung. Hier können z.B. Kulturaktionen, Spielworkshops u.a. stattfinden. – Bei Großveranstaltungen wie dem Altstadtfest gelten Ausnahmeregeln, hier müssen aufgrund des großen Platzbedarfs für Bühnen und Buden sowie die zu gewährleistende Notfalldurchfahrt die Abgrenzungen der Mittelzone überschritten und Teile der Fassadenzonen mitgenutzt werden.

Bodenbeläge
Für die gesamte Fußgängerzone wird ein Bodenbelag aus grauem bis gelbgrauem Bayerwald-Granit mit gesägter und gestrahlter Oberfläche vorgeschlagen. Das überwiegende Format ist – wie in der westlichen Theresienstraße – eine kleine Pflasterplatte mit 16cm Steinbreite und 16 bis 24cm Länge. Dieser Stein, im Reihenverband verlegt, bildet den homogenen Basisbelag der Innenstadtachse. Er bedeckt die überwiegende Fläche der Theresienstraße, den gesamten Zentralbereich Moritzstraße/Am Stein/Schliffelmarkt sowie die Fassadenbereiche der Ludwigstraße. Die dezente Akzentuierung der Teilbereiche wird durch die unterschiedliche Verwendung eines größeren Plattenformats in gleicher Steinart und Oberfläche bewirkt.

In der östlichen Theresienstraße wird das Gestaltungsprinzip aus dem bereits erneuerten westlichen Abschnitt fortgeführt, so dass ein homogener Bodenbelag den prägnanten Stadtraum ausfüllt und sich die begonnenen Konturlinien über seine gesamte Länge erstrecken. Die 1,6m breiten Platten-Laufbänder entlang der Fassaden betonen in der platzartig breiten Fläche die Hausvorzonen und definieren die von Auslagen und Gastronomiemöblierung freizuhaltenden gebäudenahen Bereiche. Das südliche Laufband begleitet den Fassadenschwung mit ca. 1,5m Abstand, das nördliche gleicht den versetzen Verlauf der Gebäudesockel mit variierenden Abständen zwischen ca. 1-3m aus. Ca. 1,25m parallel zu den Laufbändern liegen 32cm breite Granitsteinrinnen. Sie fassen den mit der kleinen Pflasterplatte belegten Mittelbereich ein, in den die Großbäume und die vorhandenen skulpturellen Elemente integriert werden.

In der Ludwigstraße wird die Akzentuierung im Bodenbelag anders gesetzt als in der Theresienstraße. Sie wird von größeren Gebäuden mit einem hohen Fassadenanteil aus jüngerer Zeit gesäumt. Sie ist der stark frequentierte Hauptgeschäftsbereich der Innenstadt, der Mittelbereich fungiert hier primär als Bewegungsraum. Er hebt sich durch einen etwas größerformatigen Pflasterplattenbelag von den Fassadenzonen ab, der ‚Lauf‘ erhält dadurch eine repräsentative Betonung. Die Pflasterplatten haben 32cm-Breiten und Längen von 24, 32, 48cm, durch 14cm Steinstärke ist die schadlose Befahrbarkeit mit schweren Lieferverkehr gewährleistet.

Der Kreuzungsbereich Moritzstraße/Schliffelmarkt wird mit der kleinen Pflasterplatte in 16cm-Breiten belegt. Der Platzbereich setzt sich dabei leicht von den angrenzenden Straßenräumen ab, indem die Verlegerichtung der Pflasterreihen um 90° gedreht ist. Eine geschwungene Mittelrinne zeichnet den Verlauf der hier als niveaugleiche Mischfläche ausgebildeten Fahrbahn in Nord-Süd-Richtung ab. Der Niveauunterschied vom Ostrand der Moritzsstraße zur neuen Baumterrasse vor dem Xaver-Mayer-Bekleidungshaus am Schliffelmarkt wird durch Granit-Blockstufen überwunden.

Schliffelmarkt, Wasserelement und Baumdach
Der Schliffelmarkt ist der quirlige ‚Dreh- und Angelpunkt‘ der Altstadt. Er liegt im zentralen Straßenkreuz, gleichzeitig bildet er den Zugangsbereich zum Moritzkirchhof von Norden. Die Funktion des Schliffelmarkts als Treffpunkt und Aufenthaltsbereich in der Stadtmitte soll durch Neuordnen der Raumstruktur, Schaffung einer angenehmen Atmosphäre und das Setzen qualitätvoller Gestaltelemente reaktiviert werden.

Der neue Blickfang und zentraler Treffpunkt am Schliffelmarkt ist die große kreisrunde Brunnenscheibe in Platzmitte. Der äußere, als breite Sitzkante fungierende Ring ist aus massiven radialen Jura-Kalksteinlementen hergestellt. Die Innenfläche ist mit einem Gussmetallrost in konzentrischer Kreisstruktur abgedeckt. In die Rostfläche integrierte Wasserdüsen erzeugen ein variiertes Spiel unterschiedlicher halbhoher Fontänen, die nachts unterleuchtet werden können. Die Brunnenscheibe ist Geräuschkulisse, Aufenthalts- und Spielelement. Die Wassertechnik kann nach temporären Bedarfen geregelt und abgestellt werden.

Um das Wasserelement als neuen gestalterischen Schwerpunkt des Schliffelmarktes ideal zur Geltung zu ringen empfehlen wir die Entfernung des bestehenden Ahornbaumes – zumal dieser keine optimale Vitalität und einen unregelmäßigen Kronenwuchs zeigt. Als Ersatz werden zwei Neupflanzungen vor der Nordfassade des Bekleidungshauses vorgesehen.

Im südlichen Platzbereich oberhalb des flachen Treppenbogens (Privatfläche) wird die Pflanzung von 4 mittelkronigen Bäumen vorgeschlagen. Die Baumreihe bildet ein sommerliches Schattendach für die darunter platzierten Sitzbänke (aus vorhandenem Bestand umgesetzt). Die Baumreihe wird in einem Abstand zur Fassade platziert, dass die fußläufige Verbindungslinie zum Nordeingang der Moritzkirche freigehalten und betont wird. Durch eine kleine Rampe wird ein barrierefreier Zugang zum Kirchhof hergestellt.

Installation Ostentor
Einer der historisch bedeutenden Punkte Ingolstadts, die auf dem Altstadtrundgang passiert werden, ist der ehemalige Standort des Ostentors an der Kreuzung der Linie Georg-Oberhäuser-Straße/Hallstraße mit der Ludwigstraße. Hier wird als Reminiszenz an das frühe Stadttor eine raumwirksame stilisierende Stahlinstallation aus zwei ca. 4,5m hohen Stahl-Stelen in umgedrehter L-Form vorgesehen. Im Boden zeichnet sich der Torstandort durch zwei über die Straßenbreite verlaufende Granitbänder ab. Sie werden mit Stahlkante und der mit Metallbuchstaben eingesetzten Aufschrift ‚Ostentor‘ versehen. Neben dem Torsignet informiert eine nachts hinterleuchtete Stele über den Standort und den historischen Stadtgrundriss.

Bäume, Baumscheiben
Mit Ausnahme des Ahorns an der Ecke Schliffelmarkt werden alle bestehenden Bäume erhalten. Punktuell sind ergänzende Neupflanzungen vorgesehen, größere neue Grünstrukturen sind im Bereich Schliffelmarkt vorgesehen (siehe oben). Circa die Hälfte der Bäume wird mit kreisrunden sitzhohen Steinelementen eingefasst, analog zu den Brunnen in der Theresienstraße und am Schliffelmarkt wird dafür regionaler Kalkstein vorgeschlagen. Die Innenfläche der Sitzringe wird mit robusten Holzlamellen abgedeckt. – Die Wurzelbereiche der anderen Bäume werden mit quadratischen gelochten Baumscheiben aus Bayerwaldgranit abgedeckt. Das Fabrikat ist für die Radlast geeignet.

Möblierung
Alle Bänke, Pflanzkästen, Abfallbehälter, einige Fahrradbügel und die unten beschriebenen Schilderstelen) werden regelmäßig auf Möblierungslinien entlang des Nord- und Südrandes der Mittelzone angeordnet. Dabei werden (wie unter dem Baumdach am Schliffelmarkt) die vorhandenen für die Längsaufstellung geeigneten Bänke sowie die Pflanzkästen wieder verwendet. – Die derzeit meist um Bäume angeordneten rechteckigen Bankkombinationen sollten eher in anderen Bereichen der Stadt verwendet werden (z.B. am Moritz-Kirchhof).

Informationssystem, Schilderstelen
Als Informations- und Orientierungssystem über die Wegevernetzungen in der Innenstadt werden die bereits entwickelten Schilderstelen verwendet. Sie stehen an den beiden Eingängen zur Fußgängerzone und am Schliffelmarkt. Analog zur großen Schilderstele wird eine kleinere bzw. schmalere Variante vorgeschlagen, die an etlichen Querungen der Fußgängerzone mit Seitengassen und –straßen über die Verbindungen zu interessanten Orten in der Stadt (z.B. Holzmarkt, Viktualienmarkt) oder z.B. kulturellen, kirchlichen oder Bildungseinrichtungen (Bibliothek, Theater u.a.) hinweist.

Neben den Stelen taucht an einigen Stellen im Bodenbelag zusätzlich die Sonderplatte ‚Altstadtrundgang‘ auf. Die so markierten Punkte geben die Richtungswechsel auf dem Rundgang an. Das Bodenplatten-System wird als Möglichkeit der individuellen Kennzeichnung des Altstadtrundganges auch über die Fußgängerzone hinaus vorgeschlagen.

Spielerische Orte, die Donaukiesel
In einer Fußgängerzone sind eigentliche Spielgeräte diversen den Nutzwert einschränkenden Faktoren unterworfen, ein optisch und spielerisch gutes Resultat ist kaum erzielbar. Das Konzept für die Ingolstädter Fußgängerzone sollte daher eher auf das spielerische Stadterleben abzielen. Die vorhandenen und neu vorgesehenen Ausstattungselemente wie die Brunnen, die Fleißner-Statue, Baumringe die Bodenplatten des Altstadtrundweges (‚Suchpfad‘) u.a. eignen sich als stadttypische Spiel- und Merkpunkte für Kinder oder können als Aufhänger für spielerisches Erleben der Stadt und der Stadtgeschichte genutzt werden.

An 2 bis 3 geeigneten Stellen tauchen in der Fußgängerzone weitere bespielbare Elemente auf, die ‚Donaukiesel‘. Es handelt sich dabei um in speziellen Formen rund geschliffene große Steine. Sie liegen wie Findlinge am Rand der Mittelzone und können als skulpturelle Gestaltelemente, als Sitzmöbel oder Spielelemente betrachtet werden. Durch ihre Formgebung fordern sie zum Besteigen, Rutschen, Krabbeln auf.

Beleuchtung
Durch die vorhandene Überspannbeleuchtung wird eine gute und gleichmäßige Ausleuchtung der Straßenräume erreicht. Um darüber hinaus der Fußgängerzone einen besonderen Nachtaspekt zu verleihen, sollte die Grundbeleuchtung durch eine gut dosierte Akzentbeleuchtung ergänzt werden. Angedacht ist dabei eine Kombination aus der Beleuchtung ausgewählter Fassadenabschnitte sein (z.B. Ickstadthaus) und der Unterleuchtung einiger Bäume sowie der Brunnen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Beitrag differenziert zwischen den Belagsfolgen der Bereiche Theresien- und Ludwigstraße. Während sich in der Theresienstraße der vorhanden Belagstypus mit zweiseitigem schmalen Laufband bis zum Schliffelmarkt fortsetzt, wird der daran anschließende Belag der Ludwigstraße aufgrund der stärkeren Frequentierung mit einer breiten, mittig liegenden Bewegungsfläche ausgebildet.
Die Verfasser legen Wert auf eine großzügige und flexibel bespielbare Ausbildung der 0st-West- Achse der Fußgängerzone, die nur mit wenigen gestalteten Möblierungselementen auskommt und so wichtige Blickbeziehungen und die Wirkung der historischen Fassaden aufrecht erhält. Die Markierung des ehemalige Standorts des Ostentors mit zwei abstrahierten Winkeln und einer Infostele ist schlüssig aus dem Gesamtmöblierungskonzept entwickelt und korrespondiert mit den stadtgeschichtlichen Informationen der Bodenmarkierungen.

Der Schliffelmarkt wird mittels eines Richtungswechsels des Belags betont und insgesamt neu gestaltet. Die Realisierbarkeit der zur Moritzkirche hin angeordneten Baumreihe ist wegen der Lage auf Privatgrund und der dort vorhanden Keller nicht sichergestellt. Auch wird die Verstellung des Sichtbezugs zur Moritzkirche kritisch gesehen. Dass für den neuen Brunnenstandort ein prägnanter Bestandsbaum geopfert wird, erscheint ebenfalls sehr fraglich.

Der übrige Baumbestand wird weitestgehend erhalten und behutsam ergänzt.

Die dargestellten Feuerwehrzufahrten und Aufstellflächen sind in allen Aspekten als funktionierend nachgewiesen.

Die Arbeit insgesamt zeichnet eine hohe Homogenität mit einer Durchgängigkeit der Gestaltungselemente sowie eine Robustheit für wechselnde Nutzungen aus. Der Bereich Schliffelmarkt weist jedoch deutliche Schwächen auf.