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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2015

Ersatzneubau der Thierschbrücke

1. Preis

Preisgeld: 17.500 EUR

Ney & Partners

Architektur, Bauingenieurwesen

LATZ+PARTNER LandschaftsArchitektur Stadtplanung

Landschaftsarchitektur

PSLV Planungsgesellschaft Stadt-Land-Verkehr GmbH

Verkehrsplanung

Erläuterungstext

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Allgemeine Projektbeschreibung

Die bestehende Eisenbahnlinie und die sich daraus ergebenden Randbedingungen sind der Ausgangspunkt und der rote Faden unserer Überlegungen für den Ersatzneubau der Thierschbrücke.
Nachhaltigkeitsbetrachtungen haben unsere Überlegungen ebenfalls maßgebend beeinflusst. Die Instandhaltung des Bauwerkes soll einfach sein und während der Entwurfslebenszeit der Brücke von 100 Jahren auf ein Minimum reduziert werden. Am Ende der Lebensdauer des Tragwerkes wurde der unkomplizierte Abbruch und mögliche Wiedereinsatz ebenfalls in die Betrachtungen miteinbezogen.
Es sind folglich die technischen und örtlichen Randbedingungen die Grundlage unserer Überlegungen, die zu einem Entwurfsvorschlag führen der die Risiken minimiert, die ein Ersatzneubau mit sich bringt.
Durch seine Effizienz, Finesse und Nachhaltigkeit handelt es sich also um ein entschieden modernes Brückenbauwerk, das als Objekt die beiden historischen Schanzen verbindet.
Die Integration in die Umgebung erfolgt durch eine extrem schlanke und minimalistische Tragstruktur. Diese Leichtigkeit und Transparenz findet seine Balance mit der Erhaltung der Wuchtigkeit der bestehenden Widerlager.
Die Gestaltung des Freiraums unterstreicht den Objektcharakter der Brücke, inszeniert das westliche Ende als Aussichtspunkt und bildet den ersten Baustein im geplanten „Ring der Inselgärten“. Der Freiraum wird in drei Typen unterschiedlicher Intensität auf verschiedenen Ebenen gegliedert: Die neue Aussichtsbastion westlich der Brücke mit der „Blühenden Wand“; die historischen Haine mit Bäumen, Splitt- und Rasenflächen auf dem Zwischenplateau der Schanzen und die von Ruderalvegetation geprägte, den Bahngleisen zugewandten Extensivflächen. Dazu tritt noch der Grünzug für das neue Wohnquartier im Westen, das durch die Verlegung der Thierschstrasse möglich wird.
Die Verknüpfungen für Fußgänger und Radfahrer in der Umrundung und Durchquerung der Insel werden erheblich verbessert.


Entwurfskonzept und Gestaltung

Um die bestehenden Qualitäten des Parks und die vorhandenen Gründungen so weit als möglich zu erhalten haben wir uns dazu entschieden die Trassierung der Brücke im Grundriss in seiner jetzigen Form beizubehalten. Eine Geländeaufnahme soll die Lage der bestehenden Achse genau festhalten, um den erforderlichen Mindestabstand von einem Meter zwischen der neuen Brücke und dem Gebäude einzuhalten. Die Auslegung des Brückenbauwerks erfolgt nach Gesichtspunkten der strukturellen Effizienz, optischen Leichtigkeit und Einfachheit des Herstellungsverfahrens. In Anbetracht der Lichtraumbeschränkungen wird die Konstruktionshöhe des Brückenüberbaus lediglich 520mm betragen.
Bewerkstelligt wird dies mit einem mehrzelligen Stahlhohlkasten, dessen Querschnittshöhe 400mm beträgt. Hinzu kommt ein 120mm starker Fahrbahnbelag aus Asphalt. Dieses besonders leichte Tragwerk erlaubt trotz seiner Breite die Nutzung der bestehenden Gründungen und die Anpassung des Widerlagers West ohne Abbruch.
Die Brücke ist minimalistisch und einfach in ihrer Formensprache. Der Querschnitt des Überbaus ist konstant und symmetrisch entlang der im Aufriss leicht gekrümmten und im Grundriss geraden Brückenachse. Dieses neue, optisch sehr schlanke Objekt findet seine visuelle Balance im westlichen Widerlager aus Naturstein - das restauriert und an das neue Bauwerk angepasst wird. Auf der Ostseite wird das alte Widerlager abgerissen und durch ein neues im Abstand von 12 Metern ersetzt, das ebenfalls mit Natursteinen verkleidet wird. Dadurch öffnet sich der Blick von Süden direkt in den Park und die Lindenschanze und erlaubt einen einfachen und komfortablen Verlauf des Radweges.
Der Überbau ist als fünf-feldriger Durchlaufträger ausgebildet. Die drei Mittelstützen werden auf den bestehenden Fundamenten gegründet. Die Form der Stützen wurde so gewählt dass die Finesse dieses neuen Objektes besonders hervorgehoben wird.
Die Vorrichtung um die Sicherheit im Bereich der Gleise zu gewährleisten (das Geländer bildet eine insgesamt 180cm hohe, geschlossene Brüstung) wurde von der Basis der Tragwerksgeometrie entkoppelt. Ein Metallgeländer mit einer Höhe von 90 cm bildet die Grundlage für das Prinzip, vertikale Steifen im Abstand von 120 cm sind durch ein über die gesamte Länge verlaufendes horizontales Blech miteinander verbunden. Verbundglaselemente werden vertikal angeordnet und am Fußpunkt und den vertikalen Steifen fixiert. Der Hebelarm von 60 cm ermöglicht dabei einen guten Halt des Glases. Die Höhe der Verbundglaselemente ist entlang der Brücke variabel (120cm - 180cm). Ein Austausch der Glasscheiben ist ebenfalls unkompliziert, da sie einfach über einen Schlitz an der Oberseite eingesetzt werden können.


Denkmalschutz

Die Brücke erfordert keinen Neubau der Gründungen in den kritischen Bereichen. An der Westseite bleibt das Widerlager erhalten, im Bereich der Bahnlinien wird ebenfalls auf die bestehenden Gründungen zurückgegriffen und im Bereich der Thierschstrasse liegt die neue Gründung außerhalb der alten Befestigungsanlagen. Die Arbeiten haben somit keine Wechselwirkungen mit den vorhandenen Relikten.
Die Schlichtheit des Entwurfs und die rotbräunliche „Bernsteinglimmer“-Farbe tragen dazu bei eine gute Integration in historischen Bestand zu gewährleisten.
Die Qualität der historischen Schanzen als Freiräume wird erhalten und gestärkt. Insbesondere die Sternschanze wird durch Auslichtung aufgewertet und als Freiraumplateau nach Süden erweitert. Der wertvolle Baumbestand auf den Schanzen wird erhalten; die durch den Neubau und die Verlegung der Straßentrasse notwendigen Fällungen durch gezielte Neupflanzungen mehr als ausgeglichen. Die Fällungen auf der oberen Ebene bieten die Chance, den Blick über den See hier stärker erlebbar zu machen und die Aussicht von der Brücke herab zu genießen. Die Formgebung des neuen Freiraumelements „Blütenwand“ (bewehrte Steilböschung mit intensiver Bepflanzung) folgt im Westen der originalen Ausdehnung der Sternschanze (s. Bodendenkmalkarte).


Naturschutz

Baumfällungen werden auf das durch die Baumaßnahmen notwendige Maß beschränkt und folgt den Empfehlungen der Anlage 11. Im Bearbeitungsgebiet werden voraussichtlich 29 Bäume gefällt und 42 neu gepflanzt. Die wichtigen Habitate der bestehenden Altbäume auf den Schanzen bleiben voll erhalten, damit auch ihre Leitfunktion für Fledermäuse. Ergänzende Baumpflanzungen erweitern das Spektrum und stellen Verknüpfungen in die Grünzüge des Inselrundwegs und des Wohnquartiers her. Dazu treten die artenreichen Lebensräume der „Blühenden Wand“ (im Westen sonnenexponiert, im Osten von Schattenarten geprägt) und den Ruderal- und Wildpflanzen im Gleisbereich.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebaulich kann der Entwurf durch seine einfache und unprätentiöse Gesamtgestaltung überzeugen. Wird für das östliche Widerlager eine deutliche Verbesserung mit der aufgewerteten Verbindung zur Lindenschanze und damit Richtung Festland erreicht, wirken die vorgeschlagenen Maßnahmen an der Sternschanze überinstrumentiert und aufgesetzt. Sie verursachen Eingriffe in den Baumbestand und schwächen eher die Einzigartigkeit der historisch bedeutsamen Sternschanze.
Gestalterisch bleibt das konstruktive Gefüge der Brücke eher zurückhaltend und bietet wenig Anreiz im Detail. Die Trennung von Fahrbahn und Fußweg auf gleichem Niveau mittels Schwellenprofil kann nicht überzeugen. Materialeinsatz, Gestaltung und Konstruktion zeigen durchaus eine nachvollziehbare Gemeinsamkeit in der gesamtheitlichen Fügung.
Die statisch-konstruktiv gut durchdachte Lösung mit einem schlanken parallelgurtigen Überbau wurde auch im Detail gut durchgearbeitet und weist keine offensichtlichen Schwächen auf. Auch die bauliche Umsetzung wurde schlüssig nachgewiesen; lediglich die Ausführung der Querschweißnähte (Baustellenschweißung) der einzelnen Schüsse beim Taktschieben stellt hohe Anforderungen. Positiv zu bewerten ist die Verwendung der bestehenden Fundamente für die Gründung der Stützen.
Weiterhin ist auch die Wahl des Herstellverfahrens in Bezug auf die Einschränkungen des Straßen- und Bahnverkehrs nachvollziehbar und günstig gelöst. Wenngleich der Wettbewerbsbeitrag wirtschaftlich überzeugt, so sind doch offensichtlich die Mengen für den Konstruktionsstahl etwas zu gering angesetzt. Insgesamt ist es eine wartungsarme Konstruktion, insbesondere durch die Verwendung von wetterfestem Stahl, wodurch der Wartungsaufwand und die Lebenszykluskosten minimiert werden.
Insbesondere sollte der Bereich um die Sternschanze eine Überarbeitung erfahren mit dem Ziel der Berücksichtigung der historischen Bedeutung der Sternschanze und eine mögliche Erhaltung des Baumbestandes.