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Planungskonkurrenz mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren | 07/2015

Dauerausstellung Hotel Silber

1. Rang

Preisgeld: 7.800 EUR

WANDEL LORCH GÖTZE WACH

Architektur

Erläuterungstext

Annäherung

Von Außen verweist heute wenig auf das ehemalige Hotel Silber und seine
Funktion als Gestapozentrale.Außen wie Innen ist nahezu alles überformt. Die öffentlichste Seite desHauses präsentiert sich zur Konrad–Adenauer Straße, gänzlich ohne jedeAnmutung.
Der Ort der Dauerausstellung braucht eine Adresse, braucht Präsenz und
Sichtbarkeit im öffentlichen Raum um angemessen wahrgenommen zu
werden und nicht nur als zweigeschossiges „Halbetagenmuseum“.

Zur äußeren Gestalt - Intervention

Der direkte ebene Eingang ist der über die Ecke zur
Konrad -Adenauer-Straße ( der ehemalige Gaststätteneingang).
Anstelle des verlorenen Eckturmes wird ein transluzentes Banner, in der
Logik eines sogenannten „Citylights“, zusammen mit dem Schriftzug
„Hotel Silber“ die neue Nutzung verdeutlichen, weithin sichtbar aus Sicht
des Passanten wie des Autofahrers, der den Ort transitorisch wahrnimmt.
Weitere Maßnahmen ist eine farbliche Homogenisierung des Hauses
durch den Angleich des Putzes an die Farbe der steinernen Gewände und
die teilweise Vermauerung der Leibungen mit mineralischen Lochgittersteinen,
die nach Außen eine dem Inhalt entsprechende Hermetik
erzeugen. Nach Innen transluzent diffuses Licht in Teile der Ausstellung
bringen.

Typologie oder Weg durch das Haus

Als direkte Schnittstelle zur Öffentlichkeit, um den Eindruck der
Schwellenangst zu reduzieren, gelangt man direkt in den sogenannten
„Wechselraum“ (ehemalige Gaststätte). Diese übernimmt drei Funktionen:
- Im alltäglichen Betrieb ist er Empfangs- und Eingangsraum, der in der
Lage ist die üblichen Besuchergruppen in der Größe von Schulklassen
oder Busreisenden aufzunehmen. Der ursprüngliche Eingang kann dies
aufgrund seines Zuschnittes nicht leisten.
- In seiner zweiten Funktion ist der „Wechselraum“ der Veranstaltungsort.
- In einer möglichen dritten Funktion kann er darüber hinaus aufgrund
des direkten Zugangs von Außen auch Wechselausstellungen aufnehmen.
Im Erdgeschoss sind weiterhin das Ticketing, notwendige dienende
Räume, die Garderobe und der Seminar-und Vertieferbereich
untergebracht. Im alten Eingangsbereich sind der Prolog und der Epilog
verortet.

Im ersten Obergeschoss ist die Dauerausstellung räumlich und inhaltlich
in drei Ebenen gegliedert. Gegliedert, chronologisch geordnet ist die
Haupterzählebene in fünf Kapiteln geteilt.
Erstens der Geschichte „Von der Demokratie in die Diktatur“ von der
württenbergischen politischen Polizei zur Gestapo 1931 - 33, mit einer
Schnittmengendarstellung von Tätern und Opfern.
Zweitens die Stütze der Macht von 1933 – 39 die Bekämpfung des
sogenannten politischen Gegners.
Drittens die Radikalisierung und neue Aufgaben 1939 – 45 , der
auswärtige Einsatz und die Beteiligung der Gestapo an den
Deportationen.
Viertens Flucht und letzte Verbrechen 1945, die Morde im Hotel Silber.
Fünftens Erbe und Neuanfang 1945 - …, Entnazifizierung und
Rehabilitierung / Kontinuitäten.
Die erste Ebene wird auf den Tischen und Querwänden der büroartigen
Struktur dargestellt. Tisch und Stuhl bieten die Chance der räumlichen
Gegenüberstellung und schaffen in ihrer abstrahierten Form die notwendige
Atmosphäre, um aus den scheinbar trockenen Fallbeispielen und
Akten für den Betrachter wieder Schicksale werden zu lassen. Die zweite
Ebene ist der sogenannte Zeitstrahl, der an der Innenwand als lineares
Band in Lesehöhe durchläuft.

Die Hauptaufgabe dieser Gestaltung ist die Balance zwischen scheinbaren
Bleiwüsten der Akten und Monstrosität der Verbrechen, die von
diesem Ort ausgingen zu schaffen und letztlich einen atmosphärischen
und keinen überzogenen Stimmungsraum zu generieren. Die Rekonstruktion
taugt nicht als Mittel, an Dinglichem ist nur noch wenig vorhanden.
Das Abnehmen der Beschichtungen der Farbe an den historischen
tragenden Wänden ist eine der Interventionen, die gleich einer
forensischen Studie Zeitschichten sichtbar macht.

Die dritte Ebene ist der Flur, darin wird der allgemeine übergeordnete
geschichtliche Diskurs in dieser Zeit verortet. Der Flur ist durchgängig als
eindrucksvoller Raum wahrnehmbar und durch die leuchtkastenartigen
Aufsteller aber nicht durchgängig begehbar. So wird diese Ebene parallel
zu den vorgenannten Erzählebenen erlebbar und leistet in der Abfolge
mehr als dies in einer linearen Anordnung möglich wäre (Shortcuts).
Der Flur ist nicht nur das Ordnungselement. Der in Längsrichtung nicht zu
durchschreitende Flur, der für eine Vielzahl von Verfolgten der unumkehrbare
Weg zwischen Freiheit, Gefangenschaft und Tod war, wird zusätzlich,
besser als jede künstlerische Rauminstallation, zu einer Metapher des
Verschwindens einzelner Menschen.

Anordnung und didaktische Abfolge sind sowohl linear als auch im Querbezug
lesbar. Dies leistet die spezifische direkte Führung der Besucher
durch die Raumfolge der ehemaligen Büros.
Die Ausstellung als Solche wird dadurch als analoges, reales Medium in
Verknüpfung mit den digitalen Ebenen vielschichtiger.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Haupteingang wird in die Ecke zur Konrad-Adenauer-Straße/ ehemalige Gästeeingang verlegt. An Stelle des ehemaligen Eckturms weist ein transluzentes Banner weithin sichtbar auf die neue Nutzung hin. Weitere Maßnahmen sind die farbliche Homogenisierung durch den Angleich des Putzes und die teilweise Vormauerung der Leibungen mit Lochgittersteinen, die kontrovers diskutiert werden. Hier müssten Alternativen untersucht werden.

Durch die Verlegung des Eingangs ensteht eine barrierefreie eindeutige Besucherführung - allerdings verliert der Veranstaltungssaal dadurch seine Eigenständigkeit und wird Teil des grosszügigen Foyers. Eine Lösung könnte die Beibehaltung des zweiten Eingangs sein, der genutzt wird, während das Foyer mit Veranstaltungen besetzt ist Die Größe des Veranstaltungsraums erfordert einen hohen statischen Aufwand - die Machbarkeit in Bezug zu den Kosten ist hier zu überprüfen.

Der Entwurf lässt die ehemalige Raumsstruktur der Büroräume erkennbar. Es gibt eine eindeutige Besucherführung durch die Dauerausstellung. Der Flur schafft an fünf Stellen vertiefende Kabinette. Er bleibt räumlich erlebbar jedoch nicht der Länge nach durchschreitbar. Eine Besucherführung in umgekehrter Richtung böte die Möglichkeit den Flur zu erst in seiner Gesamtheit zu erfassen. Exponate werden in Tische, die wie Vitrinen gestaltet sind, ausgestellt. Eine Zeitleiste gibt jederzeit Orientierung.

Durch das Abschälen der Wände, Decken und Böden entsteht eine bedrückende Atmosphäre. Die umgewonte, überrraschende Oberfläche schafft den Hintergrund für die Narration.
Wünschenswert wären jedoch mehr interaktive Elemente, um eine größere Lebendigkeit der Ausstellung zu erreichen. Der Gegenwartsbezug sollte intensiviert werden.

Die Arbeit überzeugt durch einen eigenständigen Umgang mit dem Ort und schafft einen angemessenen Rahmen für die Ausstellung.