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Einladungswettbewerb | 07/2015

Lincolnsiedlung

3. Preis / Teilaufgabe 2

Preisgeld: 8.000 EUR

schneider+schumacher

Architektur

Erläuterungstext

Städtebauliche und freiräumliche Leitidee

Die zukünftige Quartiersentwicklung der südlichen Lincoln-Siedlung sieht städtebaulich die Beibehaltung und Verdichtung der vorhandenen Zeilenbebauung vor. Die spezifische Qualität des Areals, eine offene parkartige Landschaft, bietet ideale Voraussetzungen für ein besonderes Wohnumfeld.

Unsere Entwurfsstrategie verfolgt in dem Stadtumbau vor allem folgende programmatische Ziele:

1. Qualifizierung der Freiräume in öffentliche, gemeinschaftliche und private Aufenthaltsbereiche
2. Stärkung der Adressenbildung durch den Umbau der Bestandszeilen in signifikante Gebäudestrukturen
3. Erschließung der Zeilenpaare über gestaltete gemeinschaftliche Freiräume
4. Orientierung der Gebäude und Wohnbereiche Richtung Südwesten


Erschließung und Freiraumstruktur

Die Hauptaufgabe für die Neugestaltung der Freianlagen in der Lincoln-Siedlung ist die Entwicklung einer schlüssigen Strategie für den Umgang mit den verschiedenen Freiraumtypen. Es werden parallel attraktive öffentliche Freiräume entwickelt (ein zentraler Park als grüne Achse), zahlreiche gemeinschaftliche Freiräume (Straßenräum in den jeweiligen Zeilen, grüne informelle Räume zwischen den Zeilen), sowie private Freiflächen (Süd-Terrassen).
Der wichtigste Aspekt unserer Gestaltung ist die Entwicklung einer für die gesamte Siedlung anwendbaren Typologie. Das Hauptelement dieser Gestaltung sind Baumpakete, die sich in ihrer Art von Zeile zu Zeile unterscheiden, den Raum klar strukturieren und unterschiedliche Nutzungen beherbergen (Parken, Spielen, Sitzen und Verweilen). Die gemeinschaftliche Müllsammelstelle wird zentral in der Nähe der Franklinstraße organisiert. Mit der Umstrukturierung der Wohninfrastruktur entfällt die Notwendigkeit einer monofunktionalen Nutzung der Freiflächen als reine Verkehrsfläche. Die Straße vor dem Haus wird nun zu einem kommunikativen Gemeinschaftsraum, in dem alle Nutzer gleichberechtigt sind und sich den Raum für Ihre Zwecke aneignen können. Dies wird unterstütz durch Freiraummöblierung und Spielgeräte welche die Aufenthaltsqualität und das Identitätsgefühl der Bewohner in den Zeilen fördern.
Die marode Asphaltschicht der Straße wird durch einen modernen großformatigen Betonplattenbelag ersetzt. Die helle Färbung der Platten korrespondiert mit den Fassaden der umliegenden Gebäude. Durch die kleinen Nuancen im Farbton entsteht ein interessantes und abwechslungsreiches Erscheinungsbild der Flächen. Für die Räume unter den Bäumen, die zum Teil als Spielflächen fungieren, wird eine wassergebundene Wegedecke vorgeschlagen. Die weniger frequentierten Bereiche werden als größere „grüne“ Fugen ausgeführt um auf diese Weise den Raum zwischen den Häuser zusätzlich begrünen.


Gebäudekonzept – frei finanzierter Wohnungsbau im Teilbereich 2

Der Entwurf sieht vor, dass die beiden bestehenden dreigeschossigen Gebäudezeilen durch Anbau und Aufstockung strukturell so umgebaut werden, dass eine gute Adressenbildung der Wohnungen möglich wird. Die Gebäudezeilen werden punktuell erweitert und bis zu 5 Geschossen aufgestockt, so dass städtebaulich lineare Zeilen mit Hochpunkten entstehen. Je an einer Kopfseite werden Punkthäuser so platziert, dass der Zwischenraum der Zeilen eine räumliche Fassung erhält.
Die Erschließung der beiden Gebäude erfolgt, wie bisher, über den gemeinschaftlichen Freiraum. Die Grundrissorganisation wird jedoch so verändert, dass die Wohnungen eine Orientierung nach Südwesten erhalten. Die bestehenden Erschließungskerne der südlichen Zeile werden seitlich durch Aufzüge ergänzt, so dass alle Wohnungen barrierefrei erschlossen werden können. Bei der nördlichen Zeile werden die Erschließungskerne auf die Nordseite gelegt. Die Erschließungskerne der Wohnungen sind als Zwei- bis Vierspänner organisiert. In den Erdgeschossen werden einzelne Wohnungen über direkte Zugänge erschlossen. Insgesamt wird der geforderte Wohnungsmix mit unterschiedlichen Wohnungsgrößen erreicht. Alle Wohnungen erhalten großzügige Balkone oder Loggien zur Südwestseite um den Freiraumbezug zu gewährleisten. Auf den Dachflächen im 3. OG befinden sich gemeinschaftliche Freiflächen, die über die Erschließungskerne für die Bewohner erreichbar sind.
In den Hauseingängen sind die erforderlichen Nebenräume für Kinderwagen angeordnet. Die erforderlichen überdachten Fahrradstellplätze werden jeweils an den Kopfseiten der Zeilen im Untergeschoss ausgewiesen und über eine Außenrampe erschlossen.
Gestalterisch erhalten die Putzfassaden insgesamt eine Überarbeitung der Fensteröffnungen und Balkone. Die Fenster werden mit Falt-Schiebe-Elementen als Sicht- und Sonnenschutz versehen - um dem individuellen Bedürfnissen der Nutzer nachzukommen und den Räumen ein sehr atmosphärisches Licht- und Schattenspiel zu verleihen. Das Wohngebäude erhält hierdurch einen sehr individuellen Charakter - Innen wie Außen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit leitet als einziger städtebaulicher Ansatz einen Paradigmenwechsel ein. Hier wird als Thema die Stadtvilla gegen die Fortschreibung des klassischen Mietwohnungsbaus durch Aufstockung gesetzt und trotzdem symbolisch mit dem Bestand zu einer deutlichen Nachverdichtung verknüpft. (Widerspruch B-Plan)
Die Arbeit ist insofern zukunftsweisend, als das Thema der Ertüchtigung dreigeschossigen Wohnungsbaus in Darmstadt virulent ist.
Als Begründung für das Aufbrechen linearer Strukturen setzt der Verfasser die hochwertige Landschaft ins Bild. Die Erschließung der Gebäude wird mit komfortabel angeordneten Fahrradabstellplätzen und Nebenräumen kombiniert und respektiert somit das Freiraum- und Mobilitätskonzept der Lincoln-Siedlung. Alle Gebäudeteile und die Stadtvillen als Ergänzung des Ensembles sind barrierefrei über alle Geschosse und WE erschlossen. Dadurch ergeben sich (4)3 Spänner und 2 Spänner. Bis auf die Kopfwohnungen sind die WE-Grundrisse durchgesteckt zu guter Belichtung und Belüftung auch nach Süd-West. Die Masse des Wohnungsangebotes liegt im Bereich von 2 und 3 Zimmerwohnungen mit unterschiedlichen Größen und Grundrissen. Dieser Wohnungsmix könnte jedoch angepasst werden, ohne die innere Organisation der Gebäude deutlich zu verändern.
Die Erschließungskerne weisen mehrfache Mängel auf. Zum Teil (in den Villen) sind sie zu flächenintensiv und schlecht organisiert. Damit werden die Zugänge zu den WE zum Teil unattraktiv. Zum Anderen müsste man im Bestand die Aufzüge anders anordnen um a) den Eingriff zu minimieren und b) die Erschließung der WE besser zu organisieren. Die Kubatur interpretiert mit dem Wechsel von 5 und 3 Geschossigkeit geschickt das Thema des Staffelgeschosses und der zwei Zeithorizonte (50ger Jahre und Gegenwart). Die Fassaden spiegeln das Thema des zeitgemäßen Wohnens wieder.
Der Wechsel von Loggia und Balkon bietet für die Vermieter sinnvolle Vielfalt. Die Dachterrassen bringen eine neue Qualität in den Mietwohnungsbau. Diese Terrassen sind allen Bewohnern über die nördlich bzw. südlich gelegenen Erschließungskerne erreichbar. Der Verfasser orientiert sich mit den kleinen Gebäudeteilen am Putzbau der 60ger- Jahre, schafft aber mit den vorgelagerten Fassaden und Faltelementen neue Raumerlebnisse und atmosphärisch lichtdurchflutete Räume nach Süd-Westen.
Die Wohnungsgrundrisse selbst funktionieren gut und bieten eine angemessene Qualität, sind flexibel tauschbar oder bieten die Möglichkeit des Zusammenschaltens. Die flankierenden Solitärbauten ergänzen das Quartier zu einem funktionierenden und gestalterischen Ganzem und bieten mit der windmühlenartigen Anordnung der Wohnungen und Loggien eine sehr gute Wohnqualität. Damit erhält der Innenraum eine quartierbezogene innere Qualität. Zusammen mit der Bebauung will der Verfasser eine Typologie setzen und so für eine Adressbildung bei unterschiedlichem Zugang mit dem Thema „Weiterbauen“ beitragen. Versetzte Baumpakete gliedern den Innenräumen in allen Dimensionen und ordnen nicht nur Eingangszonen, sondern auch Funktion von Müll bis zu Stellplätzen. Die den Wohnungen im Norden und Süden vorgelagerten Zonen bleiben landschaftlich geprägt und verschmelzen mit dem großen Park der Lincoln-Siedlung. Die Jury würdigt den außergewöhnlichen Gedanken einer Fortschreibung des Themas Nachverdichtung bestehenden Wohnungsbaus und den geschickten interpretatorischen Umgang, des Themas Staffelgeschoss im Wechsel von drei- und fünfgeschossig aufzulösen.
Allerdings bleibt bei dem vorliegenden Entwurf die Frage offen, ob die gefundene Form des Weiterbauens tatsächlich eine wirtschaftliche Alternative zum Abriss und Neubau darstellt.