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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2015

Sanierung/Umbau denkmalgeschütztes Wohnquartier „Cottbuser Tor“

1. Preis

Preisgeld: 12.000 EUR

3PO Bopst Melan Architekten BDA PartGmbB

Architektur

Marcel Adam Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Entwurfskonzept

Aus unserer Sicht ist das gesamte Gebäude für die Wirkung als „Tor“ verantwortlich. Auch der zur Disposition stehende westliche Gebäudeteil trägt entscheidend zur städtebaulichen Wirkung des Ensembles bei. Aus diesem Grund schlagen wir vor, den gesamten Gebäude-komplex zu erhalten und die Straßenfassade nicht zu verändern.
Im Gegenzug soll vor der gesamten Hoffassade eine Wintergartenzone errichtet werden.
Diese schafft bei verhältnismäßig geringen Kosten einen großen Mehrwert für alle Wohnungen. Die zusätzliche Fläche lässt die Wohnungen attraktiver werden und bietet den Bewohnern eine Vielzahl von Nutzungsmöglichkeiten. Zum Hof hin erhält das Haus einen neuen Charakter, der die Pluralität der heutigen Stadtbewohner widerspiegelt und Lebendigkeit ausstrahlt.

Die Wohnungsgrundrisse werden so verändert, dass in allen Wohnungen jeweils ein großer offener Wohn- / Essbereich entsteht, der von der Straßenfassade bis zum Wintergarten reicht. Diese Aufteilung minimiert Verkehrsflächen und ermöglicht ein großzügiges Wohngefühl. Durch die konsequente Anordnung der Kochzonen und der Bäder zu den lauten Straßen hin, befinden sich mit wenigen Ausnahmen alle Aufenthaltsräume auf der Hofseite.

Denkmalschutz

Die Straßenfassaden werden nicht verändert. Lediglich später hinzugekommene Gauben und Dachfenster sowie die Schornsteine, die nicht weiter genutzt werden, sollen abgebrochen werden. Wir verzichten bewusst auf den möglichen Teilabbruch, da der dafür vorgesehene Gebäudeabschnitt aus der gleich Bauzeit wie das restliche Gebäude stammt und aus denkmalpflegerischer Sicht die gleiche Bedeutung hat wie das restliche Gebäude.

An der Hoffassade hingegen sollen umfangreiche Veränderungen vorgenommen werden. Die Fensteröffnungen sollen verbreitert, versetzt und bis zum Fußboden hin vergrößert werden. Der wesentliche Eingriff ist die Errichtung einer Wintergartenzone vor der ursprünglichen Fassade. Die Konstruktion wird ohne Verbindung zum Bestandmauerwerk hergestellt und ist somit reversibel. Da der Denkmalstatus des Gebäudes im Wesentlichen durch die Straßenfassade begründet ist und die Veränderungen im Hofbereich vom öffentlichen Straßenraum nicht einsehbar sind, schätzen wir den Eingriff als denkmalverträglich ein. Im Gebäudeinneren werden alle Treppenhäuser erhalten. Die bauzeitlichen Farbfassungen können dort wieder hergestellt werden.

Konstruktion, Material und Farbgebung

Die Errichtung einer 2,65m tiefen Wintergartenzone entlang der gesamten Hoffassade stellt die wesentliche Veränderung am Gebäude dar. Dabei handelt es sich um eine äußerst ein-fache Konstruktion aus Stahlstützen, Stahlträgern und Deckenplatten aus Stahlbeton. Schiebeelemente aus Polycarbonat-Stegplatten und Aluminiumrahmen, wie sie beim Gewächshausbau eingesetzt werden, ergänzen die preisgünstige Konstruktion. Die „zusätzliche Nutzfläche“ muss keinen Anforderungen an Wärmeschutz und Schallschutz genügen. Trotzdem stellt sie einen großen Mehrwert für die Bewohner dar. Sie bietet eine große Terrassenfläche im Sommer, zusätzliche Wohnfläche in den Übergangsjahreszeiten und Abstellfläche im Winter.

Die Tragstruktur im Altbau wird nicht verändert. Neue bzw. veränderte Öffnungen in der tragenden Mittelwand werden mit Stürzen aus Profilstahl abgefangen. Zum Teil werden nicht-tragende Querwände abgebrochen und an veränderter Stelle als Leichtbauwände neu errichtet.

Die Holzbalkendecken bleiben erhalten und werden brand- und schallschutztechnisch ertüchtigt. In diesem Zuge werden schwammbelastete Deckenbalken zurückgeschnitten und ergänzt bzw. komplett ersetzt. Schwammbelastetes Mauerwerk wird gereinigt und abgeflammt. Die Bekämpfung des aktiven Hausschwamms erfolgt im Injektionsverfahren. Nach unseren Erfahrungen aus vergleichbaren Sanierungen ist die Schwammbekämpfung mittlerweile gut beherrschbar. Fundierte Untersuchungen nach den notwendigen Freilegungen lassen im Regelfall eine konzentrierte Bekämpfung zu, ohne gleich komplette Bauteile wie Decken oder Dachstühle erneuern zu müssen. Bei der Ermittlung des Kostenkennwerts für die Sanierung des Gebäudes wurde eine umfangreiche Schwammsanierung berücksichtigt.

Unser Entwurfskonzept verzichtet auf einen Dachausbau. Dadurch fallen keine Kosten an, die bei einem Ausbau aufgrund der festgestellten Schadstoffbelastung (PCP, DDT) entstehen würden. Der Fassadenputz des Altbaus soll ausgebessert werden. Die Farbfassung für den Anstrich der Fassaden und in den Treppenhäusern richtet sich nach den Befunden der Restauratoren.


Energetisches Konzept, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz

Die Kellerdecken und die Decken zum nicht ausgebauten Dach werden wärmegedämmt. Alle Außenfenster sollen durch neue Holzfenster mit Wärmeschutzglas, auf der Straßenseite nach bauzeitlichem Vorbild, ersetzt werden. Eine Außendämmung der Straßenfassade würde die Gestalt des Gebäudes stark verändern und ist aus denkmalrechtlichen Gründen nicht möglich. Auf eine Innendämmung wird aus Kostengründen verzichtet (weitere Nachteile: Flächenverlust, bauphysikalische Schwierigkeiten im Bereich der einbindenden Holzbalken). Unser energetisches Konzept sieht vor, eben-falls auf eine Wärmedämmung der Hoffassade zu verzichten. Die vor die komplette Fassade gestellte Wintergartenkonstruktion, stellt eine thermische Pufferschicht dar. Bei den nach Westen- und Osten ausgerichteten Wintergärten entstehen solare Wärmegewinne.

Die neuen Wohnungsgrundrisse mit von der Straße bis zum Hof durchbindenden Wohn- und Essräumen ermöglicht eine Querlüftung. Somit können im Sommer Wärmelasten ohne zusätzliche Technik abgeführt werden. Die Deckenplatten der Wintergartenzone stellen im Sommer zudem einen festen Sonnenschutz dar.
Die Entscheidung, das Bestandsgebäude komplett zu erhalten und nicht in Teilen durch einen Neubau zu ersetzen, stellt a priori ein nachhaltiges Konzept dar.
Bei den neuen Bauteilen der Wintergartenzone werden keine Verbundbaustoffe eingesetzt.

Wirtschaftlichkeit

Die wesentliche Entscheidung zur Wirtschaftlichkeit des Projekts ist der Verzicht auf den Abriss des westlichen Gebäudeteils. Durch den Erhalt dieses Bauteils werden umfangreiche Abbruch- und Neubaukosten eingespart. Diese „Einsparung“ wird für die Errichtung der Wintergartenzone verwendet.

Die Bauwerkskosten (KG 300+400) für die Sanierung des Bestandes und den Neubau der Wintergartenzone betragen unter 1.200 Euro je m² Wohnfläche. Dabei sind Kosten für die Wintergärten berücksichtigt, ohne dass die zusätzliche Fläche in den Wintergärten als Wohnfläche eingerechnet wird. Das heißt, bei Einhaltung der Kostenobergrenze von 1.200 Euro/m² stehen den Bewohnern zusätzlich 980 m² in den Wintergärten zur Verfügung.

Damit wird das Ziel des Entwurfskonzepts erreicht: Mehr Fläche ohne zusätzliche Kosten!
Würde die Nutzfläche der Wintergärten in die Wohnflächenberechnung eingehen (anteilig 490 m²), ergäbe sich bei unserem Entwurf ein Kennwert für die Bauwerkskosten von
ca. 1.050 € je m² Wohnfläche.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau
Die städtebauliche Ausgangssituation des Torensembles bleibt vollständig erhalten. Somit ist die identitätsstiftende Wirkung „Cottbuser Tor“ für den Betrachter weiterhin als positives Merkmal erkennbar. Die denkmalrechtlichen Anforderungen werden vollständig erfüllt.
Die differenzierte Ausarbeitung eines privaten Innenhofbereiches mit Wegen und Aufenthaltsqualitäten für die Bewohner wird sehr gut umgesetzt. Jedoch ist die verkehrliche Grunderschließung des Innenhofes bislang ungeklärt.
Die Stellplätze im öffentlichen Raum sind kompakt angeordnet. Die gestalterische Ausarbeitung ist weitergehend zu qualifizieren.

Architektur
Auf der Hofseite wird durch Anfügung eines neuen vorgestellten Bauteils eine grundsätzliche Erweiterungsmöglichkeit der Grundrissstrukturen geschaffen. Dies geschieht bei weitgehender Beibehaltung der vorhandenen Außenwand. Auf Grund der maximalen Transparenz der neuen Bauteilschicht werden die dahinter liegenden Räumlichkeiten in Ihrer natürlichen Belichtung kaum beeinträchtigt. Diese reversible Veränderung ist aus denkmalfachlicher Sicht unbedenklich.
Durch die konsequente und durchgehende Anordnung der Zufügung entsteht im Hof ein neuer, geschlossener und dem Privatbereich vorbehaltener Raumbereich. Dieser Mäander stellt ein schönes Pendant zur ebenfalls geschlossenen und traditionellen straßenseitigen Außenabwicklung der Fassade dar und rundet somit das Gesamtensemble architektonisch positiv gelungen ab.

Nachhaltigkeit und Energie
Durch punktuelle und maßvolle Eingriffe wird das Gesamtenergiekonzept des Gebäudes maßgeblich verbessert. Der Hauptbestandteil der Verbesserungsmaßnahmen besteht in der Herstellung des neuen Bauteils als Energiepufferzone. Der Ansatz der kompletten Bestandserhaltung ist grundsätzlich als nachhaltig im Sinne der bereits vorhanden Nutzung von „grauer Energie“ zu werten. Das zentrale Konzeptelement - hofseitige Schale als thermische Pufferschicht - ist innovativ.
Die konstruktive Ausbildung der sogenannten Pufferschicht bedarf jedoch weiterer bauphysikalischer Betrachtungen (z.B. Vermeidung von evtl. Wärmebrücken). Es sollte eine möglichst weitgehende, jahreszeitlich unabhängige Nutzung angestrebt werden. Dies muss in ein noch fehlendes Wärmeversorgungsgesamtkonzept eingearbeitet werden.

Kosten und Wirtschaftlichkeit
Auf Grund weitgehender Einbeziehung der Bestandssubstanz und minimaler Eingriffe in das Tragwerk des Gebäudes werden die kostenseitigen Vorgaben des Wettbewerbes leicht unterschritten. Auf einen Dachausbau mit den entsprechenden kostenintensiven bautechnischen Konsequenzen wird verzichtet.
Wirtschaftliche Reserven auf Grund der Kostenansatzunterschreitung sollten zur weiteren Verbesserung und Optimierung der Pufferschale genutzt werden.
Im Wohnungsgemenge bleibt die Arbeit hinter den Möglichkeiten zurück (zu wenig 3-
Raumwohnungen, zu viele 2-Raumwohnungen).
Insgesamt stellt die Arbeit einen hervorragenden Beitrag zur Lösung der gestellten Bauaufgabe dar.