modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Offener Wettbewerb | 09/2015

Bauhaus Museum Dessau | Neubau eines Museums mit Freianlagen und Stellplätzen

Blick aus Stadtpark

Blick aus Stadtpark

ein 1. Preis

Preisgeld: 33.000 EUR

Young & Ayata

Architektur

Misako Murata

Landschaftsarchitektur

TEUFFEL ENGINEERING CONSULTANTS

Tragwerksplanung

Atelier Ten

TGA-Fachplanung

Erläuterungstext

Kollektiv der Gefäße

Das Vermächtnis des Bauhauses definiert sich maßgeblich durch eine Vielzahl von Identitäten und Spannungen, die zugleich zur fortdauernden Vitalität fast ein Jahrhundert nach der Gründung beitragen. Es käme einer unzulässigen Reduktion der Komplexität des Bauhaus gleich, wenn man es hermetisch in seine technische Seite und seine expressive Seite zerlegte. Schließlich ist die Geschichte und Entwicklung des Bauhaus gerade dadurch geprägt, dass beide Elemente über die Zeit ebenso konfligierten wie in einen Dialog miteinander traten. Die Spannung zwischen diesen beiden Motiven – und insbesondere die Auswirkungen, die diese Spannung auf das Bauhaus zeitigten – beeinflussen bis in die Gegenwart hinein Kunst, Architektur und Design. Unser Museumsentwurf für das Bauhaus Dessau ist stark von derartigen produktiven Spannung geprägt – vorliegend wird diese Spannung durch das Verlangen nach einem modular wiederholbarem Organisationsschema, geschaffen durch ein Raster, und der Erkundung der Empfindung von Farbe und Material evoziert. Diese beiden Faktoren sind von zentraler Bedeutung für viele Facetten der Bauhausströmung wie sich etwa anhand der Unregelmäßigkeiten und Brechungen in Gunta Stölzls Wandbehängen, den intuitiv unterbrochenen Streifen von Paul Klees Figurationen, dem leuchtenden mechanischen Index von László Moholy-Nagys Fotogramm oder den grotesk-humoristischen Automaten von Oskar Schlemmers dramatischen Kostümen ablesen lässt.

Unser Entwurf für das Bauhaus Museum Dessau bringt diese Spannungen zum Ausdruck, indem das Gebäude als ein Kollektiv von Einzelmassen gestaltet ist, die fortlaufend durch ein Raster miteinander verbunden sind und durch dieses aggregiert werden. Wir nennen diese einzelnen Objekte "Gefäße", da sie auf die Handwerkskunst des Bauhaus wie etwa Vasen oder volumetrische Behälter anspielen. Die Gefäße schweben über der Grundstücksfläche auf stammartigen Stelzen, die eine leichte Verbindung mit dem Park schaffen und einen Durchgang unterhalb ermöglichen.

Die Bäuche der Gefäße schwellen an, so dass sie sich gegenseitig entlang der Rastermatrix berühren und auf diese Weise einen offenen, kontinuierlichen Grundriss schaffen, der das gesamte Museum durch eine einzige Ebene verbindet. Diese Kombination verleiht dem Gebäude einen fluktuierenden Charakter zwischen einer Ansammlung von Einzelobjekten, einer sich windenden Spirale der Kontinuität und einer Matrix der gerasterten Wiederholung. Jede dieser Perspektiven steht im Widerspruch zu den anderen, erzeugt eine produktive Spannung, die Nachhall findet in dem Entwurf.

Sämtliche Gefäße sind sich ähnliche Einheiten bestehend aus Kreisen und Quadraten, die aber zusammengenommen rotieren, sich spiegeln und fusionieren, um eine mannigfaltige Gestaltung der Fassade und eine Vielzahl von verschiedenen Raumvolumen im Inneren zu schaffen. Die Gefäße verjüngen sich nach oben hin in Richtung Lichtöffnung, die mit einem Diffusor versehen sind und das direkte Sonnenlicht reflektieren bzw. blockieren. Dabei verschmelzen bis zu vier verbundene Gefäße miteinander und richten sich je nach Sonnenstand aus. Dadurch präsentiert sich der Museumsbesuch als Wechsel zwischen einer offenen, flexiblen Matrix und klar abgrenzbaren Volumen unterschiedlicher räumlicher Qualität, als ein „Mash-Up“ aus den historischen Typologien der Enfilade einerseits und dem offenen Grundriss andererseits und kreiert so einen neuartigen Hybrid an Ausstellungsmöglichkeiten.

Die Hauptebene ist in zwei Flügel entlang einer Achse senkrecht zu der Grundstückskante unterteilt. Auf der einen Seite reihen sich die ständigen Ausstellungsräume, die dem Bauhaus gewidmet sind, aneinander. Auf der anderen Seite befinden sich die temporären Ausstellungsräume. Das Zentrum des Gebäudes wirkt wie ein „Hub“ oder Verbindungselement zwischen den Museumsteilen. Dieser Raum eröffnet sowohl den Blick auf den Park als auch auf die urbane Straßenkreuzung. Er ist mit einer Cafeteria ausgestattet und ermöglicht bei Bedarf die Verdoppelung der aktiven Veranstaltungsfläche etwa für Sonderausstellungen und Events. Von diesem Verbindungsraum ist es auch möglich zu den Räumlichkeiten für Workshops und Bildungsveranstaltungen zu gelangen. Oberhalb dieses zentralen Raumes befindet sich ein Zwischengeschoss für die Büros des Museumsdirektors und des Personals. Dieser Raum verfügt über Aussicht auf das Erdgeschoss sowie Blicke in den Park und auf die Straßenkreuzung durch eine Reihe von kleinen Öffnungen, die die Gefäße wie Adern in Marmor durchlaufen.

Die Struktur des Gebäudes hat zwei primäre Systeme: eine singuläre Betonplatte getragen von Betonstelzen und eine Reihe von wabenförmigen Verbundholzrippen. Platte und Stelzen bilden als einheitliches System ein stabiles Sockelgeschoss. Auf dieser Platte ruhen die wabenförmigen Gefäße auf und wandeln sich bei der Überspannung des Innenraumes zu großen Hohlkästen. Die Ausstellungsräume des Museums haben nur nach oben hin Öffnungen, die jeweils mit einem Lichtdiffusor versehen sind, wodurch eine große thermische Stabilität gewährleistet wird, da jedes Gefäß von allen Seiten mit einer hochleistungsfähigen Isolationsschicht versehen ist. Ein Doppelboden über der Platte kreiert ein horizontales Plenum, dass durch das gesamte Gebäude verläuft. Dieser erlaubt die Mechanik, die Elektrik und die Sanitärleitungen zu verbergen. Die Unterbodenmontage umfasst zudem sowohl ein Luftverdrängungssystem als auch eine Fussbodenheizung nahe der Aussenwand und maximiert somit die flexible Nutzung der Ausstellungsräume. Die mechanischen Systeme lassen sich dabei in drei Zonen unterteilt: Die permanenten Ausstellungsräume, die temporären Ausstellungsräume und den Lobby- / Cafeteria- / Bildungs- / Workshop-Bereich. Diese Zonentrennung ermöglicht eine differezierte thermische Steuerung, die den Kunstwerken in den Ausstellungsräumen ebenso gerecht wird wie den jeweiligen Aktivitäten in den anderen Gebäudeteilen. Zugleich gewährleistet dieses integrierte Lüftungs- und Heizungssystem die kostengünstigste und umweltfreundlichste Klimatisierung des Gebäudes.

Die Fassade der Gefäße ist mit kleinformatigen Sinterglasfliesen verkleidet, die aus recycelten Autoscheiben hergestellt werden. Jedes Gefäß hat ein unterschiedlich gefärbtes Muster, welches es von seinem unmittelbaren Nachbarn unterscheidet. Die Fliesen werden durch eine Maschine aufgrund eines digital eingescannten graphischen Musters arrangiert, nachdem sie zuvor die Farben in Pixel zerlegt und sortiert hat; diese Fliesen werden sodann maschinell zusammengesetzt zu Frontplatten, die nummeriert sind und schließlich aneinandergefügt die Oberfläche der Gefäße bilden. Dadurch wird der Effekt einer optischen Verschmelzung zu einer scheinbar einheitlichen Gesamtoberfläche der Gefäße erzielt. Diese Außenverkleidung kann als eine Fortschreibung und Aktualisierung der im Bauhaus so wichtigen Beziehung zwischen Handwerk und Technologie betrachtet werden. Der digitale Scan bricht die Oberfläche in ein modulares Raster, das eine Reminiszenz an Bauhausgrafik und Textilentwürfe bildet. Mit der Robotik wird schließlich eine führende Technologie eingesetzt, um derartige Muster in ein materielles System zu überführen. Die Muster nutzen also gewissermaßen eine digitale, materielle Mediation, einen „Glitch“, um daraus wiederum einen visuellen „Glitch“ zu erzeugen, der sich in der Ästhetik der textilähnlichen Fliesenoberflächen niederschlägt.

Das gesamte Gebäude liegt leicht im Park auf, die jeweiligen Betonstelzen ruhen nur auf einigen Pfeilern, die das Eindringen in den Parkboden minimieren. Diese Konstruktion ermöglicht den Besuchern einen visuellen und körperlichen Durchgang unter dem Museum und zugleich unter dem durch den Baumbestand des Parks geformten Baldachin. Jede Stelze trifft den Boden in einer leichten Senke und wird von einheimischer, schattenresistenter Vegetation eingerahmt. Diese wilden Blumenbeete überwuchern und verströmen ihre Farbe hinaus in den Hof und in den Park, wodurch sich die Leichtigkeit des Gebäudes verstärkt. Das Eingangsfoyer des Hauptgebäudes liegt auf einer Seite der Hauptachse, die die Ecke Friedrichstraße- Kavalierstraβe mit dem Park verbindet. Das Eingangsfoyer im Erdgeschoss öffnet sich ferner zu einem Skulpturengarten, der sich im Zentrum der Flügel der Dauerausstellung befindet und dessen Oberfläche sich in der des Parks fortsetzt. Gegenüber vom Eingangsfoyer befindet sich der Shop und die Logistik.

Matrix oder Objekt, sich wiederholendes Modul oder einzelne Figur, technisch oder primitiv: unser Entwurf für das Bauhaus Museum Dessau changiert zwischen diesen Polen und Begriffsparen in einer unaufgelösten Spannung. Diese Unentschiedenheit und Uneindeutigkeit spiegelt die Vielfalt des Bauhaus als eine Schule, ein Kollektiv, eine Ideologie, eine Einrichtung der Kunst, eine Werkstatt für die Industrie und als Quelle eines der dauerhaftesten, modernen Vermächtnisse der westlichen Kultur wieder. Die facettenreiche Geschichte und Identität auf nur einen Aspekt zu reduzieren, hieße die reichhaltige Komplexität des Bauhaus zu verringern. Die Alternative ist, der Vielfältigkeit in Spannung zu huldigen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit verfolgt einen organischen skulpturalen Ansatz. Das Gebäude versteht sich als offenes Kollektiv und vermeidet den Eindruck eines isolierten Objekts. Die Einbindung in den Park ist überzeugend und schafft unterschiedliche Bezüge zum Stadtumfeld. Es ist ein eigenständiger Baukörper, der im heterogenen Stadtumfeld zum neuen Bezugspunkt wird. Der Gestaltungsansatz besitzt eine suggestive Kraft, strahlt Wärme aus und hat einen großen Wiedererkennungswert mit einer großen Einladungsfaszination. Referenzen zu verschiedenen Bauhausansätzen sind überzeugend synthetisch zu einem neuen zeitgemässen Gesamtgestaltungsansatz formuliert. Der hybride Charakter zwischen Natur und Kultur erweitert die Landschaft in ein dreidimensionales Gebilde.

Der Grundriss besteht aus einzelnen Modulen, die verschieden zusammengeschaltet werden können. Diese Flexibilität ermöglicht weitere Modifikationen in der weiteren Planung des Gebäudes. Spätere Erweiterungen sind gut vorstellbar ebenso wie weitere Präzisierungen und Entwicklungen im Realisierungsprozess.

Die Lichtführung ist ein entscheidender Faktor bei der Raumbildung und der vorgeschlagenen Atmosphäre der Innenräume. Die Darstellung für die Ausstellungskonzepte ist überzeugend. Im Bereich des Foyers und Cafés findet die Außengestaltung eine Fortsetzung im Inneren.

Die Flächen- und Volumenwerte liegen im wirtschaftlichen Bereich. Es bleibt nachzuweisen, inwieweit die Konstruktion im Kostenrahmen realisierbar ist.

Die durchdachte Konstruktion arbeitet mit Wiederholungsfaktoren mit zeitgemäßen technologischen Lösungen und digitalen Produktionsansätzen. Recyclingmaterialen und Nachhaltigkeitsaspekte sind innovativ gedacht. Die Holzkonstruktion steht auf einer aufgeständerten Betonplatte. Die Außenhaut ist aus Sinterglasmosaik in verschiedenen digitalgenerierten Mustern gestaltet.

So entsteht nach 100 Jahren erneut ein kraftvolles, mutiges und faszinierend, wegweisendes Architekturzeugnis des 21. Jahrhunderts, das im globalen Wettbewerb nicht nur besteht sondern auch einen eigenen Fußabdruck hinterlässt.
Blick von der Kavalierstraße Ecke Friedrichstraße Richtung Südwesten

Blick von der Kavalierstraße Ecke Friedrichstraße Richtung Südwesten

Ansicht Nordosten

Ansicht Nordosten

Ansicht der Dauerausstellung

Ansicht der Dauerausstellung

Ansicht des Foyers

Ansicht des Foyers

Ansicht des Ausstellungsraums

Ansicht des Ausstellungsraums

Ansicht der Hoffläche

Ansicht der Hoffläche

Ansicht der Cafeteria

Ansicht der Cafeteria

Grundriss Hauptetage

Grundriss Hauptetage

Schnitt A-A

Schnitt A-A