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Offener Wettbewerb | 07/2015

Schweizerische Landesausstellung EXPO2027

Par quatre chemins

3. Rang

Preisgeld: 20.000 CHF

Thomas K. Keller Architekten

Architektur

MĂĽller Illien Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Juri Steiner & Partner

sonstige Fachplanung

Erläuterungstext

Zusammenfassung des Teams

Wo steht die Schweiz 2027? Wir können den Blick in die Kristallkugel nicht strapazieren. Aber das Konzept für das grossartige Format „Landesausstellung“ soll die relevanten Fragen und Themen der Zukunft anvisieren. Wie sieht diese Zukunft aus? Die Schweizer Wohnbevölkerung wird bis im Jahr 2027 auf rund neun Millionen anwachsen. Es bedarf einer gesellschaftlichen Integrationsleistung. Auch die Herausforderungen der digitalen Gesellschaft gehören zu den grossen Themen der Zukunft. Wie werden wir unsere Demokratie im neuen Zeitalter leben können?

„Par quatre chemins“ strebt nach geteiltem Wissen und will mit analogen und digitalen Fährten, Setzungen und Fragestellungen zum kollektiven Generationenwerk werden. Das 21. Jahrhundert ist multipel und steht im Plural. „Par quatre chemins“ bedeutet sprichwörtlich, dass man eine Sache auf Umwegen angeht. Wie aber kann man etwas so Vielschichtiges wie die Schweiz einfach darstellen? Indem man die Komplexität in eine klar verständliche Anlage fasst. So ziehen wir drei reale und symbolische Stränge an den Bodensee, dem geographischen Fluchtpunkt der Expo2027. Am Seeufer werden diese drei Wege über einen Boardwalk mit Pavillons verbunden. Alle vier Wege gemeinsam zielen nach Utopia, dem imaginären Ort der Gemeinschaft, wo sich die reale mit der imaginierten Welt trifft.

Die vier Wege heissen: „Online – Loop nach Utopia“, „Offline – Fluss der Biosphäre“, „Inline – liegende Ikone“, „Outline – Überblick am See“.

Im total vernetzten „Online“ des Mittellandes folgen die Besuchenden ihren individuellen Fährten an die Expo2027 und kommen im grossen Welttheater der Utopie zusammen. Im „Offline“ stehen Natur und Mythos als Träger für die Bedeutung des Dezentralen, des Selbstbestimmten und Natürlichen. „Inline“ führt uns als liegende Ikone in der Voralpentopographie vom Säntis direkt an den Bodensee, wo wir auf dem Boardwalk namens „Outline“ unsere Erfahrung und unser Wissen vertiefen und an einer grossartigen Schau zu Zukunftsfragen teilhaben.

Manchmal sind vier Wege viel. Doch nicht, wenn sie in eine gemeinsame Zukunft weisen: Utopia.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Bedeutung der Redewendung „par quatre chemins“ – „eine Sache auf Umwegen angehen“ – liegt dem Konzept in raffinierter Weise zu Grunde: Diese Expo soll die vielschichtige Vernetzung der Schweiz repräsentieren und dabei der Komplexität der Fragestellung auch räumlich gerecht werden. Ihre Kuratoren führen drei reale Stränge an das Ufer des Bodensees, die in einem vierten Strang, dem mit Pavillons bestellten „Boardwalk“ zusammengeführt werden. Dieser wiederum gipfelt im Festgelände „UTOPIA, dem grossen Welttheater der Utopien“, das nach dem Vorbild von Max Bills Theater in Lausanne ein nachhaltiges kollektives Erlebnis offerieren soll: „Auf vier Wegen zu neuen Ufern!“.

Der Konzeptvorschlag erhebt auf anschauliche Weise den Weg zum Ziel. Während er in der ersten Stufe durch die Zuordnung der Wege zu den Zeitformen Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft sowie zu der noch ungenügend erkennbaren Vision nur knapp überzeugen konnte, hat er in der weiteren Ausarbeitung deutlich an Kraft gewonnen. Den vier Wegen werden atmosphärisch bereichernde physische Elemente zu Grunde gelegt, indem diese auch vier unterschiedliche Landschaftstypen erschliessen. Sie werden sinnfällig als Strukturelemente in einem offenen, prozessualen Netzwerk interpretiert, das sich aus den Bestandteilen „Online“, „Offline“, „Inline“ und „Outline“ zusammensetzt.

Inhaltlich wird dieser Konstellation die interessante Fragestellung hinterlegt, wie sich der Bewohner der Schweiz im 21. Jahrhundert den Herausforderungen der zunehmend digitalen Welt stellen wird: Die digitale Expo2027 beginne hier und jetzt, so die Verfasser. Auf schlüssige Weise wird dieses Netzwerk, das „Intelligenz entwickelt und uns beeinflusst“, nun fokussiert und seziert. Diese Expo soll die grosse Chance bieten, partizipativ über unser digitales Dasein zu reflektieren, es dem Besucher näherzubringen, aber auch bewusst zu entziehen.

Folgerichtig werden den vier Wegen – wenn sie auch begrifflich noch etwas dispers kategorisiert sind – symbolische Thematiken zugeordnet: Der „Loop nach Utopia“ (die digitale Welt reflektierend), der „Fluss der Biosphäre“ (die physische Welt manifestierend) und die „Liegende Ikone“ (ein Trail zur Erlebbarmachung der Topographie für neue Formen von Fahrzeugen) münden schliesslich in den grossen „Überblick am See“. Letzterer dient – als eigentliches Festgelände – der Wissensvertiefung, bleibt inhaltlich aber noch etwas vage. In „Utopia“ kann der Besucher schliesslich an einer „grossartigen Schau der Zukunftsfragen“ teilhaben: Dieser Spielort, der als eine Allmend, eine Art „Carte Blanche für den Entwurf eines neuen Zusammenlebens mit Big Data“ verstanden wird, versinnbildlicht eine im Rahmen einer Landesausstellung allerdings sehr ambitionierte Zielsetzung, auch wenn die im Konzept formulierte Suche nach einem „demokratischen Weg zur digitalen Gesellschaft auf der basisdemokratischen Kultur und Tradition der Schweiz“ als übergeordnete Thematik selbstverständlich einen grossen gesellschaftsphilosophischen Reiz darstellt.

Die Wahl eines Logistikschwerpunktes im Bereich des Flughafens Altenrhein und dessen Vernetzung mit den dezentral angeordneten Eingangstoren werden im eingereichten Konzeptpapier plausibel dargelegt. Hinsichtlich Nachnutzungspotentialen ĂĽberzeugt die grundlegende Absicht, eine landschaftliche Revitalisierungsstrategie mit urbanistischen Entwicklungsszenarien zu kombinieren, auch wenn die konkrete Art der Umsetzung noch wenig konkrete Bilder liefert.

So attraktiv die Lektüre der Expo als „prozessuale Ikone“ in der wortgewaltig ausformulierten Textarbeit dargelegt wird, so skeptisch bleibt die Jury abschliessend gegenüber der Weitläufigkeit des Standorts und der Tiefe der vorgesehenen Eingriffe: Dies gilt in landschaftlicher wie in ökonomischer Hinsicht, und sowohl für den ausgedehnten „Boardwalk“ im Seeuferbereich wie auch für die „Liegende Ikone“ als ausgeklügeltes Ingenieurbauwerk. Auch fehlen dem Konzept die im Umgang mit der Öffentlichkeit kommunikativ notwendigen bildhaften Visionen, um seine Versprechungen plausibel zu machen. Zu würdigen ist jedoch der Anspruch, aktuell brisante Fragen zur Verschränkung unserer realen und virtuellen Welt mit einer intelligent umgesetzten Komplexität und Prozesshaftigkeit zu begegnen, die Freiräume für Weiterentwicklungen schaffen.