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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2015

Neubau Business Development Center auf dem Gelände des MMT-Campus

3. Preis / Realisierungsteil

Preisgeld: 21.000 EUR

Behnisch Architekten

Architektur

schlaich bergermann partner - sbp SE

Tragwerksplanung

SEF Ingenieurbüro mbH

Bauingenieurwesen

Erläuterungstext

Die Quadrate- und Universitätsstadt Mannheim ist mit etwa 300.000 Einwohnern nicht nur eine der größten Städte des Landes Baden-Württemberg, sondern auch das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der europäischen Metropolregion Rhein-Neckar.

Neckarstadt-Ost ist einer der beiden Stadtbezirke der Mannheimer Neckarstadt. Dort befinden sich das größte Krankenhaus Mannheims, das Universitätsklinikum sowie der städtische Hauptfriedhof. Die Ursprünge des Mannheimer Klinikum gehen auf das Jahr 1730 zurück. Über die Jahre wurde der Komplex durch zahlreiche Neubauten ergänzt, erweitert und modernisiert. Das Mannheimer Klinikum verfügt momentan über rund 30 unterschiedliche Fachbereiche und Institute fast aller medizinischen Fachrichtungen.

Nördlich des Klinikgeländes an der Röntgenstraße, ist das Gebäude der alten Wäscherei zu finden. Das ehemalige Kessel- und Maschinenhaus des Heizkraftwerks der „städtischen Krankenanstalt“ mit seiner markanten und weithin sichtbaren Fassade aus rotbraunem Klinker steht heute unter Denkmalschutz. Der Hauptzugang der Anlage liegt ca. 6 m unterhalb des Straßenniveaus.

Im Rahmen zukunftsweisender und wirtschaftlicher Überlegungen der Stadt Mannheim soll nun ein Medizintechnologie-Cluster ausgebaut werden, um Synergien aus Forschung, Klinik und Medizintechnologie anzuregen und zu stärken. Das Schlüsselprojekt hierzu wird der zukünftige Mannheim Medical Technologie Campus (MMT-Campus) darstellen. Durch seine Nähe und die direkte Anbindung an das Universitätsklinikum sind nahezu optimale Voraussetzungen und Rahmenbedingungen gegeben, sodass in einem urbanen und zentrumsnahen Umfeld moderne Arbeitsplätze mit Büro-, Forschungs- und Laboreinheiten entstehen können.

Im Bereich zwischen dem Kulturdenkmal „Kesselhaus“ im Südwesten, dem Hauptfriedhof im Nordosten und eingebettet in eine kleinteilige Bebauung mit weitgehend niedrigen Geschosszahlen soll nun eine funktionierende Gesamtkonzeption, eine Komposition aus verschiedenen Baukörpern in mehreren Realisierungsphasen umgesetzt werden. In dieser vornehmlich heterogen geprägten Umgebung wird das Business Development Center (BDC) als Leuchtturmprojekt und Kristallisationspunkt in einem ersten Bauabschnitt realisiert werden. Im Zuge der weiteren Bauphasen soll dann ein gut funktionierender und attraktiver Campus entstehen.

Neben der Umsetzung des detailliert beschriebenen Raumprogramms, welches für das BDC zusätzlich zu den rein funktionalen Arbeitsbereichen ergänzend noch ein Café enthalten wird, steht die Gestaltung hochwertiger Räume, sowie die Bildung einer besonderen „Adresse“ im Vordergrund. Ziel ist die Schaffung eines attraktiven und qualitätsvollen neuen Stadtquartiers, welches mit einer fußläufigen Anbindung an das „Kesselhaus“ und weiter, unter der Brücke der Röntgenstraße hindurch, an das Universitätsklinikum angebunden ist.

Der bereits vorliegende städtebauliche Testentwurf zeigt auf, wie mögliche Baukörper auf dem Grundstück positioniert werden können, jedoch in einer sehr traditionellen Herangehensweise. Weitgehend reduziert auf den Inhalt reiner Funktionsbauten wird zunächst versucht, nutzbare Freiräume entstehen zu lassen. Nahezu unberücksichtigt bleibt hier jedoch die Auseinandersetzung mit der Umgebung und ihrer speziellen Topographie, dem Alleinstellungsmerkmal des Orts.

Hier könnte man ansetzen und versuchen ein Campus-Unikat zu schaffen. Funktionale Vorgaben werden selbstverständlich respektiert und im Entwurf berücksichtigt. Dennoch ist es unabdingbar, den Charakter sowie die prägenden Einflussfaktoren der Umgebung als positive Bereicherung für den neuen Campus in alle Überlegungen mit einzubeziehen.

Grundvoraussetzung hierfür ist eine harmonische und respektvolle Einbeziehung des Kulturdenkmals „Kesselhaus“. Ebenso sollte die Anbindung an das Klinikum, im Zusammenspiel mit einer gekonnten Auseinandersetzung mit der topographischen Geländesituation, eine ganz selbsterklärende und nahezu spielerische städtebauliche Lösung hervorbringen. Der neue Campusplatz kann als zentraler Dreh- und Angelpunkt, Marktplatz der Kommunikation und des Austausches werden. Ein hohes Maß an Aufenthaltsqualität ist hierbei nicht nur wünschenswert, sondern unabdingbar. Hierzu ist es wichtig, dass die Gesamtanlage eine Offenheit ausstrahlt, die bereits mit einem Blick von der Röntgenstraße zu erkennen und zu erleben ist. Eine Zurückstufung, oder gar eine Degradierung einzelner Baukörper in die „zweite Reihe“ sollte vermieden werden, da sie den Gedanken eines lebendigen und offenen Campus beeinträchtigt.

Eine komplexe, umfangreiche und spannende Aufgabestellung und eine interessante Aufgabe, die weit über den Gedanken eines Gebäudeentwurfs hinausgeht. Es werden differenzierte und facettenreiche Lösungsansätze verlangt, um den Wünschen nach einem positiv geprägten Zusammenspiel zwischen Bestehendem und Neuem sowie zwischen Innenraum und Freibereich gerecht zu werden.

Eine leichte, beschwingte und offene Gesamtkomposition einzelner Häuser ist sicherlich ein schöner Ausgangspunkt für weitere Überlegungen. Eine gewisse Lässigkeit und formale Unbekümmertheit in der formalen und architektonischen Ausformulierung der einzelnen Baukörper wird die Einbindung der neuen Stadtbausteine in die Umgebung zur Selbstverständlichkeit werden lassen. Unbedenklich unbekümmert können schön gestaltete Freibereiche, Terrassen, Freitreppen, Plätze, sowie begleitende Pflanzbeete und Bäume, den Baukörpern auf dem Grundstück ihren idealen, sowie angemessenen Platz zuweisen.
Spielerisch können sich so ganz unprätentiös, zurückhaltend und dennoch eigenständig in ihrer Ausgestaltung die Freibereiche mit einer ausgezeichneten Qualität entwickeln. Das landschaftlich Gestaltete kann das prägende Leitmotiv für den neuen Campus werden. Das Gebaute wird in diese Landschaft integriert und somit weniger dominierend wahrgenommen.

Starre, geometrisch wohl sortierte oder gar als dogmatisch und vordergründig einzig den funktionalen Gesetzen folgenden Baukörper sind demnach für die neuen Bausteine des MMT-Campus gewiss ungeeignet. Zu keiner Zeit können diese, der an sie gestellten Aufgabe bezüglich Funktion und angemessener Integration in das Stadtgefüge, gerecht werden.

In allen diesen Überlegungen nimmt das BDC städtebaulich eine besondere Funktion ein. Das neue Haus soll als gebauter Vermittler zwischen Klinik und neuem Campus interagieren. Es wird als repräsentative Adresse - in „erster Reihe“ wahrgenommen werden. Das BDC ist als wohlproportionierter, viergeschossiger Solitär mit Staffelgeschoss konzipiert. Das kommunikationsfördernde Café mit Außengastronomie im Erdgeschoss kann sich zur zentralen Anlaufstelle im Campus entwickeln, die Umgebung beleben und über die schön modellierte Landschaft mit Treppen und Rampen mit den Funktionseinheiten des Universitätsklinikums vernetzt sein. Hier wird sich ein offener, lebendiger Marktplatz etablieren, der sowohl von den Ärzten des Klinikums, den Nutzern des BDC als auch den Nutzern der anderen Gebäudeeinheiten einer späteren Realisierungsphase genutzt und bespielt werden kann.

Die Obergeschosse des BDC sind für ein flexibles Layout, für wahlweise 1, 3, 8 oder mehr Nutzungseinheiten pro Etage konzipiert. Jede der Etagen wird den Nutzern jeweils ihre eigene „Adresse“ mit einem schönen Blick Richtung Klinikum und Innenstadt anbieten können. Die Grundidee des Wechselspiels von geschlossenen Raumeinheiten (i-Cubes, Büros) für hochkonzentriertes Arbeiten und Ausgleichsflächen als Orte der Kommunikation und der Begegnung belebt das Raumgefüge. Alle Raum- und Nutzungseinheiten haben einen direkten Fassadenbezug mit öffenbaren Fensterelementen und können somit mit ausreichend Tageslicht versorgt wird. Die Obergeschosse sowie die “Adressen“ der Nutzer werden durch eine differenzierte, horizontale Gliederung der Fassade nach Außen ablesbar. Die spielerische und formal anregende Erscheinung der horizontalen Brüstungselemente folgt konsequent den Anforderungen der angrenzenden Nutzungen und reagiert auf die unterschiedlichen Ausrichtungen der Fassaden. Unbekümmert, vielleicht etwas frivol, angemessen jedoch belebt die Gesamterscheinung des Baukörpers den neuen Campus. Die Besonderheit des Solitärs wird dadurch zusätzlich hervorgehoben und exponiert im Zusammenspiel mit dem „Kesselhaus“ den Ort nachhaltig.

Die ergänzenden Baukörper der weiteren Realisierungsphasen folgen in ihrer Erscheinung und in ihrer formalen Ausprägung der Grundidee des spielerisch Aufgelockerten. Ihre Eingänge orientieren sich zum Campusplatz. Zu 3 Seiten werden Sie von Grün umspült. Die Erschließung der geschwungenen Gebäuderiegel erfolgt durch je ein zentrales Treppenhaus, welche eine Gliederung in angemessene Nutzungsabschnitte in den Obergeschossen ermöglicht. Ein großes Potenzial bietet die Kopplung der einzelnen Bauabschnitte durch gemeinschaftliche Funktionen im Erdgeschoss.
Die Erschließung des MMT-Campus erfolgt von zwei Seiten über die Kraft-Ebing-Straße. Die Abfahrten zu den Tiefgaragen sind in direkter Nähe zu den Zufahrten des Gebietes angeordnet, um den PKW-Verkehr zu minimieren und somit eine hohe Aufenthaltsqualität im Zentrum des Campus zu schaffen. Hier kann ein großzügiger Treffpunkt entstehen, welcher sich in Richtung Klinikum und Stadt öffnet und somit zur neuen Adresse des MMT-Campus wird.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser schlagen ein gesamtplanerisches Konzept für die Neubauten und die durch Neubauten definierten Freiräume vor, das zu überzeugen weiß. Der zentrale Gedanke hierbei ist die Erstellung eines Gebäudes für das BDC, das einen kraftvollen, unverwechselbaren und zugleich angemessenen Auftakt zum neuen Campus bildet. Durch die freie Gebäudeform sowie die Geste des BDC Neubaus werden die bestehenden Bauten, wie das denkmalgeschützte Kesselhaus respektvoll in das Gesamtensemble einbezogen. Der große Niveauunterschied wird
ganz beiläufig mit verschiedenen Elementen, wie Treppen, Sitzstufen, flachen Hecken etc. überwunden, und als adressbildend sehr eigenständig herausgearbeitet.

Insgesamt wirkt der viergeschossige Solitär mit Staffelgeschoss gut proportioniert. Die im Erdgeschoss vorgesehenen Nutzungen, wie das Café mit Außengastronomie und der Vortragsraum, unterstützen den öffentlichen Auftritt des Gebäudes im positiven Sinne. Der gesamte Eingangsbereich ist übersichtlich gestaltet und ermöglicht eine gute Orientierung. Das Layout der Grundrisse bietet eine gute Flexibilität sowie eine Unterteilung in mehrere Nutzungseinheiten und entspricht damit den Anforderungen an moderne Arbeitsplätze in einem Büro- bzw. Forschungsgebäude. Die Skalierbarkeit der einzelnen Einheiten müsste noch
nachgewiesen werden. Durch die im Inneren des Gebäudes positionierten, mit Tageslicht versehenen Kommunikationsflächen und den entlang der großzügig verglasten Fassaden angeordneten Büro- und Laborräumen kann von einer sehr hohen Arbeits- und Aufenthaltsqualität ausgegangen werden. Kontrovers diskutiert das Preisgericht die beiden als Fluchttreppenhäuser ausgebildeten Treppen. Deren räumliche Qualität müsste in Übereinstimmung mit den erforderlichen Brandschutzmaßnahmen überprüft werden.

Die Ausgangsidee eines offenen Campusgeländes wird im Ideenteil konsequent weiter gedacht. Auch hier entsteht ein spannungsvolles Wechselspiel mit fließenden Übergängen zwischen Gebäude und Freiraum. So sehr dieser Gedanke in seiner konzeptionellen Idee überzeugt, so sehr wird aber auch die Frage gestellt, ob durch die Positionierung und die Ausgestaltung der Gebäude, der Solitär des BDC und die ergänzenden Gebäudekörper in ihrer Wertung unterschiedliche Adressen entstehen. Hinzuweisen wäre, dass die Verkehrserschließung im Ideenteil nur schematisch dargestellt.

Insgesamt stellt der Beitrag ein gelungenes Beispiel für ein modernes Büro- und Forschungsgebäude. Die städtebauliche Disposition wird hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung vom Preisgericht wird kritisch gesehen, weil ein wesentlicher Teil der Gebäude keinen Bezug zum großzügigen Campusplatz herstellen kann und somit in die zweite Reihe rückt.