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Offenes Verfahren | 09/2015

Neubau einer zweiten Hinterrheinbrücke

Hinterrheinbrücke Reichenau

Hinterrheinbrücke Reichenau

Sora giuvna

1. Preis

Preisgeld: 60.000 CHF

Flint & Neill

Bauingenieurwesen

WaltGalmarini AG

Bauingenieurwesen

DISSING+WEITLING architecture

Architektur

Hager Partner AG

Landschaftsarchitektur

Uniola AG

Landschaftsarchitektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Mit «Sora giuvna» werden am Schluss der Bauarbeiten in Reichenau nur zwei Brücken stehen: die heutige und ihre «junge Schwester» (dt. Übersetzung des Kennworts), die den Rhein einspurig und die A13 doppelspurig überquert. Sie schafft Ordnung, indem sie «die Vielfalt der Brückenlandschaft reduziert». Diese starke Konzeption bestimmt das ganze Projekt. Zwei seitlich der Gleise angeordnete dickwandige steifenlose Stahlkasten tragen eine halbversenkte orthotrope Fahrbahnplatte. Die Schlankheit der Hauptträger ist so gewählt, dass die Überquerung der A13 gut möglich ist, die Träger jedoch nicht allzu sehr über die bestehende Brücke hochragen. Die Stahlkasten laufen mit konstanter Höhe über die ganze Brückenlänge durch und sind über den Flusspfeilern mit ebenfalls stählernen V-Stielen unterstützt. Die Vierteiligkeit der Unterstützung ist folgerichtig; zu den Pfeilern hin laufen die Stiele auf eine gemeinsame Auflagerplatte, die Pfeiler sind gut proportioniert und besitzen eine mit den bestehenden Pfeilern übereinstimmende Höhe. Der Idee der zweifachen Brücken entsprechend besitzt die neue Brücke zwischen Rhein und A13 kein Widerlager, sondern einen weiteren Pfeiler. Wegen der engen Platzverhältnisse ist er als V-Stiel parallel zur A13 gedreht; eine reizvolle Idee, die das Platzproblem elegant löst, dem Grundkonzept der V-Stiel-Stützung treu bleibt und den Blick von der Autostrasse auf das bestehende Widerlager frei lässt. Darin zeigt sich ein Prinzip von «Sora giuvna»: die eigenständige, von der bestehenden Brücke durch die Wahl der Linienführung
C leicht abgesetzte Konstruktion lässt einen möglichst freien Blick auf die heutige Brücke offen. Dies gelingt durch den schlanken parallelgurtigen Balken und die relativ schmalen V-Stiele, die durch ihre Auflösung auch in der Schrägsicht den Blick nicht behindern. Ein weiterer Bezug zur heutigen Brücke besteht in der Wahl des Materials Stahl. Es handelt sich um einen wetterfesten Stahl S 355 J2 G3, der an den aussenliegenden Flächen mit einem zusätzlichen Korrosionsschutzversehen wird. Die hellgraue Farbe wird elegant und unaufdringlich wirken. Die Brücke wird in einer Feldwerkstatt zu grossen Elementen von bis zu 40 m Länge zusammengesetzt und dann mit Raupenkranen in ihre Lage versetzt und untereinander verschweisst. Zur temporären Stabilisierung dienen vier Hilfsstützen. Die Fugen mit den Bauschweissungen sind in Zonen geringer Beanspruchung gelegt; so erfolgt der Anschluss der Stiele an die Fahrbahn unterhalb des Stahltrogs im oberen Bereich der Streben. Am Brückenende Seite Chur liegt die Brücke auf festen Lagern, auf den Pfeilern, dem Thusner Widerlager und dem rheinseitigen Ende der Träger des nördlichen Gleises befinden sich längsbewegliche Lager. Die V-Stütze besitzt unten ein Kipplager. Alle Lager sind auswechselbar konstruiert. Wieweit die von den Verfassern vorgeschlagene Abdeckung der Lager wirklich notwendig ist, bleibt noch zu diskutieren. Über der A13 verzweigt sich das gemeinsame Randfeld der beiden Bahngleise in zwei Äste. Dadurch wird eine enge und schwer zugängliche Fuge zwischen zwei Brücken vermieden. Die statischen Verhältnisse bei der Verzweigung werden durch eine Anordnung aller Lager zusammen mit der schief gedrehten V-Stütze in einer Linie übersichtlich gehalten. Das Zusammenspiel des Durchlaufträgers mit dem einfachen Balken wird noch vertiefte Untersuchungen benötigen, wie die Verfasser selbst schreiben; das System erscheint jedoch im Rahmen des gewählten Konzepts plausibel und die konstruktive Anordnung ist überzeugend.

Die Fundation aller Auflager erfolgt über Grossbohrpfähle von 120 cm Durchmesser. Der Hangabtrag der Ostseite wird für die Rekultivierung der benachbarten Kiesgrube Plons Vaschnaus verwendet. Auch aus diesem Grund halten es die Verfasser für gerechtfertigt, durch einen grösseren Aushub neue Stützmauern zu vermeiden und stattdessen Böschungen der Neigung 1:1 unter und über dem Polenweg anzuordnen. Das Auflagerbauwerk zwischen bestehender Fachwerkbrücke und A13 wird strassenseitig durch eine klar begrenzte Betonmauer begrenzt, das ein Pendant zur bergseitigen Strassenstützmauer bildet und den durch die A13 vorgenommenen Hangdurchschnitt erkennbar macht. Das Brückenende der Churer Seite liegt auf einem knapp in die bestehende Natursteinmauer eingelassenen Auflagerkörper, die Mauer selbst läuft künftig ungestört unter der Brücke durch. Die «Sora giuvna» erfüllt unterschiedliche Anforderungen innerhalb eines schlüssigen Konzepts. Dass dieses aus nur zwei Brücken besteht, ist eindrucksvoller Beleg für die Fähigkeiten der Autoren, synthetisch zu denken.