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Award / Auszeichnung | 02/2007

Deutscher Landschaftsarchitekturpreis 2007

Ehemaliger Zellenflügel als abgesenkte Rasenfläche dargestellt, Hauptbahnhof im Hintergrund

Ehemaliger Zellenflügel als abgesenkte Rasenfläche dargestellt, Hauptbahnhof im Hintergrund

Geschichtspark Ehemaliges Zellengefängnis Moabit, Berlin

1. Preis

glaßer und dagenbach landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Geschichtspark Ehemaliges Zellengefängnis Moabit

Die Gestaltung des Geschichtsparks ist das Ergebnis einer Auseinandersetzung mit der Geschichte des Geländes seit dem Bau des Zellengefängnisses Moabit vor über 150 Jahren. Nach etwa 100 jähriger Nutzung wurde das Zellengefängnis, das
während des 2. Weltkrieges zum „Symbol für politische Unterdrückung, Folter und Mord“ wurde, aufgegeben und abgerissen. Das Gelände diente nun als Lagerplatz des Tiefbauamtes Tiergarten.

Im Park sind überall Hinweise und Zitate auf die bauliche Gestaltung und die ehemaligen Nutzungen aus diesem Zeitraum zu finden.

Nach außen hin wird der Park auf drei Seiten von der erhalten gebliebenen 5 m hohen Gefängnismauer umschlossen. Der Besucher kann den Park durch drei unterschiedlich gestaltete Eingänge betreten. Im Innern, des durch die hohen Mauern geschützten Parks, ist der sternförmige Grundriss der ehemaligen Gefängnisgebäude nachgezeichnet. Drei der vier Zellenflügel werden als abgesenkte oder ansteigende Rasenebenen dargestellt. Heckenpflanzungen verdeutlichen an der Stelle des früheren vierten Zellenflügels die Anordnung und Größe der einzelnen Zellen. Hier findet man auch eine durch Betonwände nachgebildete, begehbare Einzelzelle in ihren ursprünglichen Ausmaßen. Beim Betreten der Zelle erklingen einige der „Moabiter Sonette“, die Albrecht Haushofer während seiner Inhaftierung im Winter 1944/45 im Moabiter Zellengefängnis verfasst hat.

Der ehemalige zentrale Überwachungsbereich des Gefängnisses, von dem aus alle Zellenflügel gleichzeitig überwacht werden konnten, ist als ein kreisförmiger Platz mit einem mittig angeordneten, rahmenförmigen Würfel aus Beton gestaltet, dem Panoptikum. Daran schließt sich ein mit Blutbuchen bepflanzter Platz an, der die Lage des früheren Verwaltungsgebäudes verdeutlicht.

Die drei bis 1910 genutzten kreisförmigen Spazierhöfe, in denen auch beim Hofgang jegliche Kommunikation unter den Gefangenen unterbunden war, werden auf unterschiedliche Weise nachempfunden und in ihrer Größe und Absurdität erlebbar gemacht. An einer Gefängniswand wurde in großen Lettern ein Auszug aus der „Moabiter Sonette“: „In Fesseln“ angebracht.

Beim Betreten des Parks fallen zwei unterschiedliche Bereiche auf: die großzügige freie Rasenfläche, in der die ehemaligen Gefängnisgebäude abgebildet sind und der im Laufe der Zeit dicht bewachsene, westliche Teil, der den Park zur angrenzenden Wohnbebauung hin abschirmt. Der lichte Waldbereich wird durch ein pfadartiges Wegesystem erschlossen. Hier sind Spiel- und Ruhebereiche integriert. Das verwendete Material stammt zum großen Teil aus der fast sechzigjährigen Geschichte des Geländes als Lagerplatz des Tiefbauamtes. So werden hier Reste von Natursteinpflaster, alte Gehwegborde aus Granit, Schieferblockreste der Brunnenanlage vor dem Zoologischen Garten und Reste des roten Sandsteines der Moltkebrücke verwendet.

Beim Bau der Spielbereiche wurden unter Leitung des im Umfeld tätigen Vereins Moabiter Ratschlag Kinder- und Jugendliche aus der Umgebung beteiligt. Dabei wurden mit Hilfe von Künstlern Spiel- und Lernobjekte geschaffen, die Bezug zur Geschichte des Ortes haben.

Der Park wurde im Oktober 2006 eröffnet. Er ist nachts verschlossen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Im deutschen Sprachgebrauch steht der Name „Moabit“ geradezu synonym für „Gefängnis“. Seit Mitte des 19. Jahrhundert wurden in diesem Berliner Ortsteil eine Reihe von preußischen Haftanstalten errichtet, nach dem damals vorbildlichen sogenannten „Pentonville’schen System“ (Panoptikum). Das Zellengefängnis in der Lehrter Straße gehört zudem zu den wichtigen Stätten deutscher Geschichte: Hier harrten einige der Attentäter des 20. Juli 1944 auf ihre Hinrichtung; hier entstand der berühmte Zyklus „Moabiter Sonette“, in dem der Widerstandskämpfer Albrecht Haushofer Freiheit und Menschenrecht zu eindrucksvollen Versen verdichtete.
An der Stelle des Gefängnisses, das in den fünfziger Jahren abgerissen wurde, entstand zwischen 2003 und 2006 der „Geschichtspark Moabit“. Das Projekt zeichnet sich durch die Kombination von alltagstauglichem Bürgerpark und Gedenkstätte in Form eines architektonischen Gartens aus. Von der Jury besonders hervorgehoben wurde beim Umgang mit der historischen Bedeutung des Ortes die Planung in langjähriger Zusammenarbeit mit den Anwohnern (Geschichtswerkstatt) sowie die qualitativ hochwertige Konzeption und die entsprechende bauliche Durchführung. Dass hierbei auf das weitgehend bekannte Repertoire von Land- bzw. Minimal Art zurückgegriffen wurde, um den klaustrophobischen Raum der früheren Gefängnisanstalt beispielhaft nachvollziehbar und erlebbar zu machen (Panoptikum, „Spazierhöfe“), hat dem Juryurteil keinen Abbruch getan. Die besondere und einmalige Aufgabe wurde von den Planverfassern mustergültig gelöst.
Gesamtplan

Gesamtplan

Panoptikum

Panoptikum

Eingang zum Park - Mauerdurchbruch

Eingang zum Park - Mauerdurchbruch

Blick durch den Eingang Invalidenstraße Richtung Panoptikum

Blick durch den Eingang Invalidenstraße Richtung Panoptikum

Vogelperspektive

Vogelperspektive