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Einladungswettbewerb | 06/2015

Quartierszentrum am Baakenhafen (Baufeld 91-93)

1. Preis / Baufeld 92 a/b

Preisgeld: 13.650 EUR

6a Architects

Architektur

Erläuterungstext

Wenn Sturm, Nebel oder die ersten Sonnenstrahlen entlang der Nordelbe die Stadt einnehmen, hält der Körper dieser Gebäudehülle die neuen Räume und Loggien fest und sicher. An klaren wie stürmischen Tagen zeichnen sich die neuen Backsteinbauten deutlich vor der Hafenkulisse ab. Von erdigen Farbtönen bis hin zum hellen Graublau des Himmels definiert sich diese Architektur durch ihre Materialität; der mineralischen Palette kann die Witterung nichts anhaben.
Große Häfen sind jedoch nicht nur Einfallstore für Wind und Wetter. Der kulturelle Austausch, der die europäischen Handelsstädte geprägt hat, hat auch europäische Architekturgeschichte geschrieben. Über Häfen gelangten Ideen, Formen und Bautechniken ins Land und hinaus in die Welt. Seit den Ursprüngen der europäischen Zivilisation im antiken Griechenland und Rom haben sich die Zentren des Handels und der Architektur besonders im Zuge der Industrialisierung immer weiter nach Norden verlagert. Der rege Austausch auf dem Seeweg hat London zu einer Collage aus italienischen und niederländischen Elementen gemacht; zusammen mit der Hanse hat die britische Hauptstadt die großen europäischen Hafenstädte des Industriezeitalters ganz wesentlich geprägt. Ihr Baustil beschränkt sich nicht auf regionale Traditionen, konnte er doch immer aus den kulturellen Möglichkeiten des Welthandels schöpfen.
Die zukünftige HafenCity wird von einer anderen Form des internationalen Austauschs geprägt. Auch jenseits von Schiffen und Geschichte hat Hamburg mit seinem vielschichtigen Sediment regionaler und globaler Architekturen viel zu bieten. Dennoch bleibt das Ufer ein zentraler Ort des privaten und öffentlichen Lebens. Die zwei neuen Wohngebäude erheben sich über einem zweistöckigen Sockel: Zwischen dem Wasser und der HafenCity bildet die Kaimauer aus rotem Backstein ein zugleich schützendes und verbindendes Element. Das darüber liegende 6,5 Meter hohe Sockelgeschoss aus dunklem Klinker (Staffordshire oder anderer Hartbrandstein) ist öffentlich zugänglich und bietet Raum für Gewerbe, der um halboffene Höfe herum angeordnet ist und sich sowohl an Bewohner als auch an Besucher richtet. Als Verteilergeschoss ist diese Ebene optisch und physisch durchlässig gestaltet, ohne dabei auf eine klare Räumlichkeit und Abgrenzung des öffentlichen Raums zu verzichten; auf diese Weise können Besucher die Läden, Cafés und Büros leicht erschließen, während die Bewohner über diese Ebene in den Wohnbereich in den Obergeschossen gelangen. Im Erdgeschoss sind Schaufenster und Geschäftseingänge als unterschiedlich gestaltete Öffnungen ausgebildet, die schräge Blickachsen durch die Baukörper ziehen. Die darüber gleichmäßig angeordneten Fenster lassen Tageslicht bis tief in das Gebäudeinnere fallen und verbinden optisch das öffentlich zugängliche Sockelgeschoss mit dem Wohnbereich darüber.
Als weiteres typisches Material der Hafenarchitektur und –infrastruktur wurde bei einigen Gebäudeelementen Gusseisen verwendet, so etwa ganz pragmatisch bei den Gullydeckeln und Sockelleisten, aber auch als dekoratives Element in den öffentlichen Bereichen, an einem Eingang, einer Straßenlaterne oder zur Betonung eines Geländers.
Über dem Sockelgeschoss liegen 62 Wohnungen zwischen Gebäudekern und Backsteinhülle. Die Wohnzimmer wurden zumeist in der Außenecke des Gebäudes platziert, um sie so weit wie möglich zur Sonne hin zu öffnen und vielfältige Blickrichtungen zu erschließen. Die Loggien wurden als Teil des windgeschützten Innenraums aufgefasst; so konnte auch ein Übermaß unruhiger Fassadenvorsprünge vermieden werden. Die ruhigen, eleganten und zurückhaltenden Gebäude erinnern an die georgianische Architektur Londons. Allein die Fensteröffnungen werden mit steigenden Etagen größer, da in den oberen Geschossen der Sichtschutz hinter den Panoramablicken zurücktreten kann. Der Grundriss der einzelnen Wohnungen ist nach außen orientiert, damit möglichst viel Tageslicht und frische Luft einströmen kann. Die vertikale Ausrichtung erhöht die Gebäudeeffizienz im Innern und sorgt zugleich für ein kohärentes Erscheinungsbild nach außen.

Erläuterungstext Bauphysik, Haustechnik und Statik Geplant ist eine Energieeffizienz entsprechend einem IFB /KfW Effizenzhaus 40. Damit wird die Gebäudehülle wie folgt geplant
- Außenwand: U = 0,13 W/(m²K), d.h. 24 cm Wärmedämmung
- Dach: U = 0,11 W/(m²K), d.h. 28 cm Wärmedämmung
- Fenster: Uw = 0,7 W/(m²K) als Kastenfenster
- Zur Minderung des Einflusses der Wärmebrücken wird ein detaillierter Wärmebrückennachweis geführt, DUWB <= 0,025 W/(m²K)
- Es wird ein Luftdichtheitstest ist vorgesehen, geplante Luftdichtheit: n50 <= 0,6 h-1
Um im Winterfall eine Wärmerückgewinnung aus der Fortluft zu ermöglichen, erhält das Gebäude eine zentrale mechanische Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Hierzu wird im Keller ein Klimakastengeräte mit Wärmerückgewinnung vorgesehen. Die Zuluft strömt über Kanäle in die einzelnen Geschosse und dort über abgehängte Unterdecken im Flurbereich in die Aufenthaltsräume. Von hier strömt die Luft frei über Unterschnitte in den Türen in die Nassräume und wird dort abgesaugt und von dort über die zentralen Schächte der Wärmerückgewinnung zugeführt.
Die transparente Hülle des Gebäudes wird in Form von Kastenfenstern Loggien vorgesehen. Sowohl die Kastenfenster als auch die Loggien werden außenseitig einfach verglast, wobei diese Verglasung mit schmalen, schlagregensicher ausgeführten Fugen versehen wird. Im Luftraum der geplanten Kastenfenster und innerhalb der Loggien wird ein beweglicher Sonnenschutz vorgesehen. Hierdurch ist eine Nutzung des Sonnenschutzes unabhängig von der Windbelastung jederzeit möglich. Der Sonnenschutz ist durch den Schutz der außen liegenden Einfachverglasung konstruktiv einfach und mit geringen Wartungsaufwendungen verbunden.
Bei Sommerlichen Hitzeperioden und hohen Außentemperaturen sind die Nutzer nicht auf eine Belüftung der Räume über die vergleichsweise warmen Kastenfenster/Loggien angewiesen; stattdessen ist hier auch eine Belüftung über die Lüftungsanlage möglich. Eine nächtliche Entwärmung der Räume und der in den Räumen vorhandenen Speichermassen (schwere tragende Außenwände und in den Aufenthaltsräumen nicht bekleidete Stahlbetondecken) ist über die Lüftungsanlage und/oder eine natürliche Lüftung der Räume möglich.
Die transparenten Teile der Fassade werden so ausgeführt, dass je nach den Bedürfnissen der Bewohner auch jederzeit eine natürliche Belüftung möglich ist. Hierzu werden die Laibungen der Kastenfenster und alle nichttransparenten Wand- und Deckenflächen in den Loggien schallabsorbierend bekleidet. Die Konstruktion der Kastenfenster und Loggien entspricht somit dem Prinzip eines „Hamburger Hafenfensters“. Die Grundrissgestaltung sieht eine Ausbildung der Loggien an den stark schallbelasteten Fassaden und eine Ausführung der Kastenfenster an den weniger schallbelasteten Fassaden vor.
Die gesamte Tragkonstruktion des Gebaudes wird in Beton als Massivbau erstellt. Stahleton wird als tragendes und aussteifende Material eingesetz. Das Tragwerk besteht wenn möglich teilweise aus Recyclingbeton. Der Rohbau besitzt eine einfache Konstruktion, grosse Flexibilität und eine kurze Bauzeit. Die Nachhaltigkeit wird durch eine geeignete Materialwahl, durch demontagemöglichkeit und Wiederverwertbarkeit sichergestellt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Mit zwei kubistischen Baukörpern gelingt den Architekten eine präzise Setzung im städtebaulichen Kontext. Die vertikale Ausrichtung der Gebäude stärkt das Erscheinungsbild und verleiht dem Ort eine klare Identität. Mit kleinen Rücksprüngen im Grundriss des größeren Baukörpers (Baufeld 92 b) wird der Fußabdruck des kleineren Baukörpers (Baufeld 92 a) aufgenommen. Dadurch entsteht ein Gebäudeensemble mit klar gefassten Freiräumen und hoher Aufenthaltsqualität.
Die Fassaden sind sehr schön gegliedert. Die massive Ausbildung des Sockels wird allerdings kontrovers diskutiert. Eine großzügigere Öffnung zum öffentlichen Raum hin würde die Uferzone deutlich aufwerten. Die von unten nach oben immer größer werdenden Fensteröffnungen sind an dieser Stelle wo Wasser und Himmel aufeinandertreffen ein magisches Gestaltungselement mit starker Ausstrahlung.
Leicht auffindbare Hauseingänge und zentrale Erschließungskerne strukturieren die Grundrisse. Diese sind mit großer Sorgfalt und Präzision entwickelt. Eine Ausnahme stellt die Schnittstelle zwischen den beiden Erschließungskernen im größeren Haus (Baufeld 92 b).
In Hinblick auf einen funktionierenden Brandschutz liegen planerische Mängel vor.
Hervorzuheben ist die Integration der Loggien in die Gebäudehülle. Die Transparenz der Ecken lassen die Bauten, trotz gewohnter Massivität, elegant und luftig erscheinen. Dabei trifft die Wahl der Materialien genau das, was den Ort ausmacht. Das Spiel von Gegensätzen sowie der konkrete Einsatz von Backstein, Metall und transparenten Elementen schaffen eine Atmosphäre der Begehrlichkeit.