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Einladungswettbewerb | 11/2015

Urbane Mitte am Gleisdreieck - Quartiersentwicklung in Friedrichshain-Kreuzberg

ein 1. Preis

Preisgeld: 15.000 EUR

O&O Baukunst

Architektur

ST raum a. Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH

Landschaftsarchitektur

Architekturmodellbau Shortcut - Modellbau, Frässervice, Laserservice

Modellbau

Erläuterungstext

URBANE MITTE GLEISDREIECK

„Aus der Logik und Restriktion, aus den urbanen Bezügen und Verbindungen entsteht in dichter Über-höhung ein Gebäudeviertel konischer Baukörper - markant und brauchbar, durchlässig und vielfältig.“


ERLÄUTERUNGSBERICHT DER 2.PHASE

Inhalte aus der Erläuterung der 1.Phase werden an dieser Stelle nicht wiederholt und sind wesentliche Grundlage zum weiteren Verständnis des Konzeptes in der vorlie-genden Ausarbeitung der 2.Phase. Auf Grundlage der Konzeption und Erläuterung der 1.Phase wird der Entwurf weiter entwickelt, verfeinert und geschärft. Die Überarbeitungshinweise aus dem Preisgericht wurden auf Grundlage des Protokolls, der Präsentation und der weiteren Arbeitsempfeh-lungen aufgenommen und umgesetzt.


Höhe und Dichte - Auf eine Dominante deutlich über 60m wird zugunsten des austarierten Höhen-spiels zwischen den Baukörpern verzichtet. Der überhöhte Baukörper der 1.Phase wird auf 65m zu-rückgeführt und bewegt sich damit innerhalb des Höhensystems des Gesamtquartiers. Die weiträumi-ge und landschaftlich geprägte Sichtbarkeit des südlichen Gebäudeensembles wird gänzlich auf die ohnehin exponierte Lage im Ostpark abgestellt. Nachführungen der Höhen sind weiterhin möglich.
Der Abstand der Gebäude wird zueinander auf 16,50m vergrößert. Durch die konische Stellung der Gebäude ergeben sich im Mittel wesentlich größere Abstände. Mit der gegenseitigen Freistellung in „offener Bauweise“ werden optimale Belichtungs- und Besonnungsverhältnisse erzeugt (s. Sonnen-studie). Die durchlässige Wirkung zwischen den Baukörpern wird gestärkt. Der Baukörper des südli-chen Wohngebäudes wird aus dem Vis-a-vis des Nachbargebäudes herausgedreht, die Nordfassade des Wohngebäudes ist nun nach Westen und Osten ausgerichtet.

Freiraum - Zwischen den neuen Berliner Stadtsteinen entfaltet sich ein identitätsstiftender Freiraum, der den Park am Gleisdreieck und die umgebende Stadtstruktur mit dem Quartier verwebt, es durch-dringt und auf die Bedürfnisse und Anforderungen eines zeitgemäßen Außenraumes reagiert. Der Freiraum greift die Raumbezüge des Parks auf und entwickelt diese weiter. So entsteht ein Ensemble zwischen Stadt und Landschaft, das als ordnendes Element eine lang dagewesene Lücke schließt. Bodenliniaturen greifen wie die Architektur Raumachsen, Sichtbezüge und Wegeverbindungen des Parks und der Stadt auf.
Als zentraler Baustein des Freiraumes verläuft die Hofpromenade mit hoher Aufenthaltsqualität in Nord-Süd-Ausdehnung und verbindet die einzelnen Architekturen und Freiraumpassagen. So entste-hen gleichermaßen konische Freiräume. Die Dachlandschaften werden mit Grün- und Freiräumen bespielt. Auf den verschieden Dachniveaus bilden sich unterschiedliche Freiraumkulturen entspre-chend der angesiedelten Nutzungen: grüne Oasen, Sonnenterrassen oder auch kleine Plätze.

Erschließung - Ziel des Mobilitätskonzeptes ist ein weitgehend autofreies Quartier i.V. mit den Zie-len der 2000-Watt-Gesellschaft. Die Bedarfe an unterirdisch angelegten Stellplätzen (u.a. E-Ladestationen für PKW und Fahrrad, kleinere Vorfahrten) wird unter Berücksichtigung der hervorra-genden ÖPNV-Erschließung im ModalSplit unter 10% minimiert. Die Verlegung der Nutzungen (Hotel und Supermarkt) mit erhöhtem Zielverkehr in das jeweils nördlichste Baufeld hält die Freiräume frei von motorisiertem Individualverkehr. Der europäische Fahrradweg wird in der jetzigen Lage und Breite als typisches Merkmal der verschliffenen Verkehrswege übernommen. (s. auch Mobilitätskonzept).
Ein zweiter Ausgang vom Bahnsteig U2 in die südliche Hofpromenade ist zu prüfen.

Nutzungen – Nutzungsfelder werden thematisch gebündelt: entlang der Hofpromenade sind die ver-kehrsintensiven gewerblichen Nutzungen etabliert (Markthalle und Kunsthandwerk in den U-Bahnbögen, Kleine Markthalle, Einzelhandel und Nahversorger). Im Süden der Hofpromenade ent-steht ein besonderer Anker: das Museum und Galerien sind an der wichtigen Nahtstelle zwischen Ost- und Westpark und den Hochbahnen der kulturelle Motor der Entwicklung.
Im südlichsten Baufeld ist Raum für Sport- und Freizeitanlagen (Gastro, Sporthalle, Fitness, Fachge-schäfte mit InDoor-Anlagen). Das transparente Mezzanin wird zu einer Ebene im Quartier, das mit öffentlichen bzw. halböffentlichen Nutzungen (Konferenz, Fitness, Museum u.a.) besetzt ist. Die Ter-rassen sind über Etagenlobbys für alle Mieter und Nutzer optinal zugänglich. In den Obergeschossen ist das Quartier durch Gebäude mit Wohnnutzung gerahmt – im Süden Wohnen und im Norden Hotel. Dazwischen reihen sich die Baukörper mit Büro- und Gewerbenutzungen jeglicher Art: die konischen Baukörper erlauben eine flexible Nutzung in jeder Ausprägung: als Family Office, CoWorkingSpace, Atelier- oder Loftnutzung, Einzel-, Kombi – oder Großraumbüro (s.Grundrisse).

Adressen – die Hofpromenade bietet die zentrale Orientierung in der Urbanen Mitte Gleisdreieck. Von hier sind alle weiteren Erschließungen zugänglich. Zur Hofpromenade sind die Handels, Markt- und Ausstellungsflächen angelagert. Die Eingänge in die aufgehenden Bauwerke erfolgen von den zum Park adressierten Passagen: Quartiersentree, Stadtsalon, Kunstanger, Museumsplatz und dem Platz am Stellwerk.

Bahnhof – das Plateau des Bahnhof S21 wird über die vorgesehenen Treppenanlagen und den Auf-zug dauerhaft sowohl als Verteilerplattform (kurze Wege) im Quartier als auch provisorisch mit fliegen-den Bauten für Gastronomie und Erholung nutzbar gemacht. Mit der weiteren Erstellung der Bahn-hofshalle kann ggf. eine Erweiterung der Gebäudeterrassen auf das Bahnhofsdach erwogen werden.

Material – Das Material- und Fassadenkonzept ist Teil eines übergeordneten Gestaltungskonzeptes und ein zentraler Aspekt der Quartiersidentität - ohne weitere Restriktionen bei der Entfaltung der je-weiligen Bauabschnitte auszulösen. Das Sockelbauwerk des neuen S-Bahnhofes wird mit hellen Schwechtenziegel verkleidet und gesellt sich zu der Materialkultur der umliegenden Verkehrsbauwer-ke. Die Hofpromenade wird so zu einem robusten Quartiersplatz markanter Prägung. Im Bereich der Gebäudeterrassen im 2.-4.OG erhalten die Baukörper eine „Gesellschaftsschicht“ mit transparenten Glasfassaden. In einer Höhenlage mit den Brückenbauwerken können im besten Fall geschossüber-greifende Nutzungen über konstruktive Merkmale sichtbar gemacht werden. In Richtung Ostpark süd-lich der Sockelstruktur S21 verspielen sich die Materialkomponenten entsprechend der Öffnung in den südlichen Landschaftsraum. Die aufgehenden konischen Baukörper sind klare Strukturen mit 50% Fensteranteil und mineralischem Fassadenmaterial (Beton, Naturstein, Ziegel, Steinputz) u.a. nach Maßgabe Energiekonzept.

Energie – Das städtebauliche Konzept für die Urbane Mitte Gleisdreieck ermöglicht die Realisierung der 2000-Watt-Zielsetzung, die Umsetzung des Energiekonzeptes 2050 der Bundesregierung sowie „Klimaneutrales Berlin 2050“. Der vorliegende städtebauliche Entwurf hat alle Merkmale für die mögli-che Umsetzung der Ziele: Tageslichtoptimierung in der Baukörperstellung, kompakte Baukörper mit wenig Vor- und Rücksprüngen. Ein koordiniertes Vorgehen der zukünftigen Energieversorgung erfor-dert eine Energieleitplanung auf Basis einer quartiersbezogenen Angebots- und Nachfragestruktur als Grundlage des zukünftigen Smart Grids für die Energiemedien Strom, Wärme und Kälte. Die Grund-versorgung wird in der ersten Phase mit Fernwärme sichergestellt. Ein Niedertemperaturnetz mit Ein-bindung in den Fernwärmerücklauf wird aufgebaut und Überschüsse aus eigen erzeugter regenerati-ver Energie in das Verbundnetz eingespeist. Die Verbindung der Fernwärmeversorgung aus dem Rücklauf mit der Einspeisung regenerativer Energie ins Netz ist der neue und innovative Ansatz. Geo-thermienutzung, BHKW, Photovoltaik, Solarthermie und Abwärmenutzung sind die zentralen Baustei-ne zur Nutzung regenerativer Energien. Die solare Ernte erfolgt über das Dach (Dachpergolen) und teilweise Fassade. (s. auch Energiekonzept)
Nachhaltigkeit – Neben den beschriebenen Zielen der 2000-Watt-Gesellschaft gelten die Feststel-lungen zur Nachhaltigkeit aus der 1.Bearbeitungsphase. Neben den bereits ausgeführten Nachhaltig-keitsaspekten sind Merkmale: die Vermeidung von Abhängigkeiten und weiteren Restriktionen durch klar situierte Baukörper, die Qualität der Hofpromenade und Passagen (Durchlässigkeit), der Bezug zur Umgebung und Vernetzung, die hohe Nutzungsflexibilität der kompakten Baukörper, Nutzungsver-teilung u.v.m.

Denkmal – Das Verkehrsdenkmal Gleisdreieck ist die zentrale und ordnende Figur der neuen Ent-wicklung und gleichzeitig ihr Rückgrat. Freigehalten von An- und Zubauten ist es als funktionales Bauwerk scharf konturierter und prägender Bestandteil des zukünftigen Stadtensembles. Die neue Bebauung unterliegt hierbei allen im Zusammenhang mit Verkehrsbauten typischen Bedingungen und Restriktionen, sie spiegelt gleichermaßen einen Teil der Geschichte des Bahnhofareals wieder.
Unter dem Brückenbauwerk der U1 wird der Bestand mit einem konstruktiven Glasbauwerk (Kleine Markthalle) ergänzt. Die U-Bahn-Bögen werden im offenen Hofbereich unter dem Gleisdreieck mit einer filigranen Überkopfverglasung gedeckt. Das Denkmal Luckenwalder Straße 6 wird auf die Mög-lichkeit einer denkmalgerechten Umnutzung in ein Wohn- und Atelierhaus untersucht.

Realteilung - Ziel des Konzeptes ist die ohnehin zahlreichen Restriktionen und Abhängigkeiten der einzelnen Baufelder bei gleichbleibender Qualität voneinander zu lösen. Die Gebäude sind real geteilt zu entwickeln und zu realisieren. Mit der Zielsetzung eines oberirdisch autofreien Quartieres wird eine Etappierung der Maßnahmen von Norden nach Süden vorgeschlagen.

Statik – Die Gebäude werden ohne konstruktiven Sonderaufwand überwiegend grundständig ausge-bildet. Die vertikalen, lastabtragenden Bauteile (Stützen, Wände, Erschließungskerne) können durch-gängig ohne Abfangungen von den Hochhausköpfen bis zur Gründung ausgebildet werden. Die vor-gesehenen Gebäudehöhen erlauben eine Aussteifung der Gebäude über die Kerne ohne Restriktion auf die Konstruktion in der Fassadenebene.
Das Torgebäude im Norden mit Überbauung der S21 läßt sich über Stützen abtragen, die im Bereich des Treppenaufganges und an der östlichen, mit der Station abschließenden Fassade angeordnet werden. Bei zwei Gebäuden werden Fassaden mit Auskragungen von ca 6m- 7,5m tragend als mehr-geschossige Rahmen ausgebildet um die Lasten ohne weitere Bauteile im Gebäudeinneren abzutra-gen. Die rahmenartige Ausbildung der Fassade bietet die Möglichkeit vom engen Fassadenraster der oberen Geschossen auf ein größeres Raster im Sockelgeschoss zu wechseln.

Lärmschutz - Für den Wohnungsbau im Süden des südlichen Quartiers werden die Vorgaben der DIN 4109 mit entsprechenden Maßnahmen der Schallschutzklasse IV eingehalten. Sofern nach Maß-gabe der 2000-Watt-Gesellschaft das Wohngebäude nicht mechanisch belüftet werden sollte (Passiv-hausstandard) wird das Ziel in der Grundausstattung über Schalldämmlüfter und einem Fensterflä-chenanteil von max. 40% erreicht. Damit können Aufenthaltsräume in allen Fassadenbereichen ange-ordnet werden. Zusätzlich werden verglaste Loggien angeboten. Weitere Möglichkeiten zur natürlichen Lüftung sind Ausführungen der Fenster z.B. als „Hamburger Fenster“ (Kastenfenster mit Öffnungsbe-grenzer) oder verschiedene Systeme als Sekundärfassade (z.B. transparente Prallscheibe im Brü-stungsbereich)

Beurteilung durch das Preisgericht

Den Verfassern gelingt es auf einfache Weise, mit einem robusten System einer ortsangepassten Schichtung klarer Typologien das heterogene Umfeld durch skulpturale Baukörper zu ordnen und sich an die vorgefundenen Rahmenbedingungen anzupassen. Es entstehen gute Stadträume zwischen den Bahnbauten und den neuen Hochbauten.

Die egalisierte Silhouette von 50 – 65 Metern wird als angemessene Höhenentwicklung erkannt, die lediglich im Süden zu viel Masse entwickelt.

Die Stellung der „Berliner Steine“ als „Doppelensemble“ auf gemeinsamen Sockeln bietet eine klare und gute städtebauliche Ordnung und Adressbildung.

Zum Park zeigt das Quartier eine klare Kante und grenzt sich zum Landschaftsraum ab. Die eingeschränkte Durchlässigkeit des Ensembles vom Park wird kritisch gesehen.

Die Teilbarkeit der Sockel ermöglicht angemessene Dimensionen der Gebäude mit der Möglichkeit auch unterschiedliche bauliche Anmutungen zu entwickeln.

Mit der trapezförmigen Geometrie in den Obergeschossen der Baukörper wird eine differenzierte Struktur von Enge und Weite gestaltet. Ein-, Durch- und Ausblicke verbinden das Quartier in der Nah- und Fernwirkung. Die Regelhaftigkeit der Kubaturen bietet Grundlage für unterschiedliche Fassadenstrukturen und -texturen.

Die qualitätsvollen öffentlichen Räume weisen eine teils zu große Maßstäblichkeit auf, die hinsichtlich der Aneignungsfähigkeit und Raumqualität durch Nutzer zu spezifizieren wären.

Die vorgeschlagenen Typologien werden als schlüssige Antwort auf die geforderte Identitätsbildung gesehen, die Entwicklungsfähigkeit versprechen Mit der vorgeschlagenen Lösung bietet sich so die notwendige städtebauliche Adaptionsmöglichkeit, die auch eine architektonische Vielfalt erlaubt.

Die Beziehung zur Schöneberger Straße wird positiv gewürdigt, ebenso der Abstand zum Debis-Parkhaus. Die Einbindung der S21 in zwei Sockelbauten ist funktional zu spezifizieren und hinsichtlich des Aufwandes zu plausibilisieren. Die aufgezeigten Varianten der Dachnutzung zeigen hierzu gute Ansätze.

Eine planungsrechtliche Umsetzbarkeit wird trotz bestehender Abstandsflächenprobleme positiv gesehen.

Insgesamt bildet der Entwurf eine herausragende, gut organisierte und funktionale Antwort auf die gestellte Aufgabe mit einer überzeugenden Balance von städtebaulicher Grundstruktur und architektonischer Vielfalt.