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Nichtoffener Wettbewerb | 12/2015

Neubau eines Bürogebäudes mit dem Dokumentationszentrum ehem. Hannoverscher Bahnhof

Perspektive

Perspektive

1. Preis / Zuschlag

WANDEL LORCH GÖTZE WACH

Architektur

Erläuterungstext

Die geforderten Nutzungen, ein Dokumentationsort für die Deportationen zur NS-Zeit und eine Büronutzung, stehen zunächst nicht nur in einem funktionalen Widerspruch, sondern besonders in einem Bedeutungsgefälle. Beide, Widerspruch und Gefälle, müssen daher bei der Konzeptionierung des Gebäudeentwurfs entsprechend behandelt werden. Schließlich ist auch das Bild der angeblich im Verborgenen durchgeführten Deportationen,
inmitten des städtischen Alltags, eine nicht ganz ferne Parallele zu der drohenden Unscheinbarkeit des weitgehend durch Büronutzung geprägten Gedenkorts, inmitten der HafenCity. Das aus diesen Parallelen, Gefällen und Widersprüchen entstehende Spannungsfeld ist Idee gebend für den vorliegenden Entwurf. In dieser Logik wird die Zusammenfassung beider Nutzungen in einer klaren und kompakten Gebäudeform,
besonders in der städtebaulichen Ebene, konzeptionell nachvollziehbar. Bei der klaren Gebäudeform muss konsequenterweise die Sachlichkeit überwiegen: Der Gedenkort ist nicht der authentische Täterort. Die Fassaden von Erdgeschoss und Obergeschossen werden dagegen in der Logik des Widerspruch und des Bedeutungsgefälles
unterschiedlich ausgeprägt, um dann über die mehrschichtige Gestaltung der Fassade wieder verbunden und in Zusammenhang gesetzt zu werden.

Das Dokumentationszentrum als öffentliche und zentrale Nutzung bildet sich auf der Makroebene in Form eines Sockels in der Fassade ab. Eine große bodentiefe Öffnung
referenziert den Charakter eines öffentlichen und prominenten Ortes und markiert, durch eine Fehlstelle im Baukörper, den Eingang zum Dokumentationszentrum, der sich selbstverständlich an der kurzen Fassadenseite und der Gebäudeecke zum Lohsepark hin positioniert. Über die maximale Öffnung zum Park hin, wird der Auftakt zur Ausstellung in den öffentlichen Raum getragen und gleichzeitig der Blick aus dem Innenraum auf den historischen Ort, mit dem Bild des ehemaligen Bahnhofsportals überlagert. Ein Leuchtschriftzug im Rahmen des überdachten Eingangsbereiches, verleiht dem Erscheinungsbild des Gebäudes, auch in der Nacht eine besondere Akzentuierung im städtischen Gefüge. In der historischen Vis-à-Vis Position, zwischen Bebauung des
Lohseplatzes und dem ehem. Hauptportal des Hannoverschen Bahnhofs, eröffnet der Eingang an dieser Stelle die räumliche Schnittstelle zum historischen Ort.

Im Innenraum werden Ausstellung und Veranstaltung über ein Entrée mit Shop verbunden. Dieser Empfangsbereich kann sowohl als Ausstellungsauftakt, sowie als Kommunikationsfläche des Veranstaltungsbereiches dienen. Über die zentrale Positionierung des Empfangstresen wird der Ausstellungsbereich zoniert und gleichzeitig eine 1-Personen-Betreuung ermöglicht. In Analogie der preußischen Kappendecke, oftmals mit Hilfe gebrauchten Bahnschienen konstruiert, sind im Ausstellungsbereich Decken aus gewölbten Betonfertigteilen geplant. Diese kaschiert sowohl die Betonunterzüge, die einen nahezu stützenfreien Raum schaffen und eine frei bespielbare Ausstellungsgestaltung ermöglichen, als auch die notwendig Installationstechnik.
Der Eingang zu den Bürogeschossen liegt prominent und zentral in der Fassade zur Steinschanze. Durch die gestalterische Eingliederung in die Fassadenlogik, jedoch
durch seine gestalterische Absetzung durch Materialität,ist er im Straßenraum deutlich ablesbar, ohne die Fokussierung der Erdgeschossfassade auf das Dokumentationszentrum zu konterkarieren. Die nicht vermeidbare Schnittstelle des Erdgeschosses mit der Nutzung der Obergeschosse wird so gestalterisch aufgelöst.
Die Fassade der Bürogeschosse wird im Kontrast zum Sockel rational ausgebildet und unterwirft sich in Ihrer Ordnung der Nutzung und den vorgegeben Rastern. Auf einen
Bezug der Öffnungsraster zwischen Sockel und Obergeschoss wird bewusst verzichtet um die einheitliche und kompakte Großform des Gebäudes mit einer Störung zu
versehen.

Der Sockel wird auch auf der Materialebene aus der naturroten Klinkerfassade durch Einsatz teilweise recycelter, farblos und hell glasierter Klinker abgesetzt.
An dieser Stelle setzt die konzeptionelle Ebene der Fassade an und schließt die Trennung zwischen Dokumentations- und Alltagsort unvermittelt kurz. Die Köpfe des
preußischen Mauerwerksverbandes springen aus der Fläche nach vorne und geben der Fassade, damit einen signifikanten Charakter ohne dabei unangemessen laut zu werden. Die auf Versatz gemauerten Klinkersteine schaffen ein Schattenspiel, das sich im Zyklus der Tages- und Jahreszeit verändert. Die Ausprägung über die gesamte Fassade verleiht dem Gebäude auch in der Fernwirkung aus dem Lohsepark heraus eine dem
Dokumentationsort angemessene Signalwirkung. Der in einer Parabelform sich nach oben hin verlierende Verlauf dieser Geste soll auch für das Unscharfe und schwer greifbare der NS-Zeit in die Gesellschaft stehen. Die Büronutzung ist gleich der Lochfassade in den Obergeschossen wieder funktional organisiert. Die in jeweils zwei Nutzungseinheiten à ca. 400qm geteilten Geschosse haben einen Erschließungskern als Zentrum.

Wandel Lorch Architekten

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser präsentieren ein ruhiges und unprätentiöses Bürogebäude, dessen Erdgeschoss mit dem Dokumentationszentrum sich zwar farblich und in der Gliederung seiner Öffnungen vom kubischen Gesamtbau unterscheidet, aber den gleichen Ernst des Gesamtgebäudes hat. Die Erdgeschossöffnungen sollten etwas dezenter ausfallen und sich stärker an der Formsprache des gesamten Gebäudes orientieren. Die Adressen von Dokumentationszentrum zum Lohsepark und Büroeingang zur Steinschanze sind getrennt und bieten zugleich auch Vorteile für die Grundrissorganisation beider Gebäudefunktionen. Das Preisgericht würdigt die Einfachheit und Klarheit des Entwurfes, der die Doppelfunktion des Hauses erkennbar spiegelt, ohne sie übermäßig zu interpretieren. Die Fassadengeometrie verdeutlicht die Kompaktheit des Baukörpers. Die Maßverhältnisse der Fassadengestaltung haben in Anbetracht der Einfachheit des Baukörpers besondere architektonische Bedeutung.
Lageplan

Lageplan

Eingang

Eingang

Ansicht Süd

Ansicht Süd

Schnitt

Schnitt

Ansicht Ost

Ansicht Ost

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Regelgeschoss

Regelgeschoss