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Nichtoffener Wettbewerb | 12/2015

Neubau eines Bürogebäudes mit dem Dokumentationszentrum ehem. Hannoverscher Bahnhof

Außenansicht

Außenansicht

Anerkennung

Max Dudler GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Architektonisches Konzept
Der Entwurf für das Bürogebäude mit dem integrierten Dokumentationszentrum ehemaliger Hannoverscher Bahnhof wird der Doppelnutzung des Baukörpers gerecht, indem er zwei sehr unterschiedliche Themen- und Nutzungsbereiche symbiotisch miteinander verwebt. Die durchdachte Ausgestaltung der Fassade mit Bezug zum ehemaligen Bahnhof erzeugt eine identitätsstiftende Wirkung für das Bürogebäude , während die Bürogeschosse mit ihrer zurückhaltenden, auf die Hamburger Backsteintradition verweisende Rasterstruktur den Hintergrund dafür bilden.

Hintergrund
Zwischen 1940 und 1945 wurden vom Hannoverschen Bahnhof 7.692 Juden, Roma und Sinti in die Vernichtungslager Ost- und Mitteleuropas deportiert. Die unmittelbare Nähe des Wettbewerbsgrundstücks macht einen Entwurf erforderlich, der um die Last der Vergangenheit weiß und diese erinnernd mitbedenkt. Das architektonische Konzept trägt dieser historisch aufgeladenen Lage Rechnung und erschafft einen Ort der Erinnerung und des Gedenkens. Drei Stationen – Ankunft, Übergang und Abschied – markieren die Grundpfeiler unseres Entwurfs und spiegeln symbolisch den Vorgang der Deportationen.

Ankunft
Kommt man vom Lohsepark und dem ehemaligen Bahnhof, sieht man schon von weitem das abgeflachte Gebäudeeck des Dokumentationszentrums. Durch Verschiebungen des perforierten Klinkers entsteht ein Fassadenmuster, das als Art Erinnerungsschatten die ornamentale Frontseite des ehemaligen Hannoverschen Bahnhofs aufscheinen lässt.

Übergang
Betreten die Besucher das Gebäude, finden sie sich in einem Raum wieder, der als poetischer Moment des Innehaltens angelegt ist. Die Architektur dieses Zwischenraums – durchgängig im Klinkermaterial der Fassade gestaltet – spiegelt auf bedrückende Weise den Zeitpunkt des Übergangs, an dem die Menschen ihr altes Leben hinter sich ließen und die Deportationen ins Unbekannte begannen. Die Quintessenz des Raumes bildet eine Treppe, die ins Nirgendwo führt. Nur durch eine schmale Luke fällt Licht in den Raum. Die Treppenskulptur steht als Metapher für die wiederkehrende Hoffnung der Deportierten, die doch ständige aufs Neue enttäuscht wurde.
Die vordergründig zuversichtlich erscheinende Geste – Stufen, die in Richtung des Lichts führen – entpuppt sich als Sackgasse.

Abschied
Der Abschied, als letzte Station, findet seine Narration in der Dauerausstellung „In den Tod geschickt“, die ausführlich die Geschichte der Verfolgung und Deportation beleuchtet und Einzelschicksale sichtbar macht.

Der städtebauliche Entwurf bezieht die umliegenden Erinnerungsorte mit ein und erschafft eine Dreiecksfigur zwischen dem Ort der Deportation, der Gedenkstelle im Lohsepark und der Neuinterpretation des Hannoverschen Bahnhofs in der Fassadenfigur. Der Eingang des Dokumentationszentrums sticht hervor und macht den Ausstellungsort lesbar. Zugleich bildet er den Abschluss der Gedächtnisachse im Lohsepark, die sich vom historischen Bahnsteig über die den Park durchziehende, diagonale Fuge, welche die ehemaligen Gleisanlagen nachzeichnet, bis zum Gedenkort erstreckt.

Nutzungskonzept
Die geteilte Nutzung des Gebäudes wird durch seine Erschließung über unterschiedliche Seiten deutlich gemacht. Der Zugang zu den sechs Bürogeschossen, die in der 1.-6. Etage untergebracht sind, befindet sich auf der dem Park zugewandten Gebäudeseite, separat vom Eingang des Dokumentationszentrums. Der Eingangsbereich des Museums ist ebenfalls Richtung Park orientiert und führt über den beruhigten Durchgang an der abgeflachten Eckseite – der für alle Interessierten zugänglich und erlebbar ist – rechterhand in das Museumscafé und linkerhand in das offene Foyer mit integriertem Buchladen. Café, Veranstaltungs- und Ausstellungsraum sind unabhängig voneinander nutzbar. Für die Dauerausstellung wurde ein großzügiges und offenes Raumkonzept ohne Stützpfeiler erarbeitet, das viel Platz zur Unterbringung der Materialien bietet. Die Fassadengestaltung führt im Ausstellungsbereich die Struktur aus perforiertem Ziegel weiter, sodass der Museumsbereich beruhigt und uneinsichtig bleibt. Lichtzufuhr erfolgt über Oberlichten hinter der Mauerperforierung.

Um Flexibilität zu gewährleisten, sind die Büroflächen im 1.-6. Obergeschoss jeweils in zwei großflächige Nutzungsabschnitte geteilt. Je nach Bedarf kann das Bürolayout als Einzel-, Kombi-oder Großraum-Büro ausgeführt werden. Das Treppenhaus mit Aufzug sowie die Teeküche und die Toiletten sind als zentraler Kern angeordnet und von beiden Büroeinheiten zugänglich. Es wurde auf eine preisgünstige und effiziente Raumausstattung geachtet, die unterschiedliche Gebrauchsszenarien in der zukünftigen Nutzung möglich macht.

Die Erschließung der Parkplätze im UG, der Zugang für die Mitarbeiter des Dokumentationszentrums und der Eingang zu den Veranstaltungsräumlichkeiten erfolgt über die Straßenseite Steinschanze. Da die Konstruktion einer Rampe zu viel Platz einnehmen würde, erfolgt der Zugang zu den PKW-Stellplätzen über einen Kfz-Aufzug, der größtmögliche Effizienz bietet. Der Grundriss der Tiefgarage im 1. und 2. Untergeschoss ermöglicht die maximale Nutzung von Stellplätzen.

Fassade
Die skulpturale Wirkung des Gebäudes wird durch die einheitliche Verwendung von Ziegelmauerwerk und die perforierten Klinkerwandflächen verstärkt. Die Musterung, die an den ehemaligen Hannoverschen Bahnhof erinnert, macht die spezielle Funktion des Gebäudes als Dokumentationszentrum und Erinnerungsort lesbar. Das rötlich-orange Ziegelmaterial der Fassade stellt einen Bezug zur Hamburger Hafenarchitektur her und schafft einen stimmigen Übergang zum denkmalgeschützten benachbarten Bau, der das Automuseum „Prototyp“ beherbergt.

Großformatige Fenster mit Festverglasung ziehen sich über die gesamte Raumhöhe und ermöglichen eine optimale Belichtung der Süd- und Ostseite des Baukörpers. Perforierte Mauerwandscheiben vor den Öffnungsflügeln dienen der Belüftung und beruhigen den Rhythmus der Fassade. Ein außenliegenden Sonnenschutz und die Möglichkeit einer optionalen Fensterlüftung in den Übergangszeiten sorgen für einen optimalen Energiehaushalt und geringe Betriebskosten.

Die extensive Dachbegrünung mit Photovoltaik Anlagen und Solarthermie folgt den Nachhaltigkeitszielen des HafenCity-Umweltzeichens Gold. Das Lüftungskonzept wird diesen Ansprüchen ebenfalls gerecht: Durch die einbruchssichere Möglichkeit zur Nachtauskühlung im Sommer kann im gesamten Gebäude auf eine mechanische Belüftung verzichtet werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf hat sich tiefgehende Gedanken zur Thematik des Dokumentationszentrums gemacht und ihm wird für seine intensive Auseinandersetzung mit den historischen Bezügen die ausgelobte Anerkennung zugesprochen. Er zeigt sich in einer starken, auf das Dokumentationszentrum ausgerichteten Geste. Die Ecke des Gebäudes ist abgeflacht und stellt so eine interessante Geste zum ehemaligen Bahnhofsgebäude und zum Gedenkort her. Das Aufgreifen von Fassadenelementen des ehemaligen Hannoverschen Bahnhofs ist für Außenstehende aber nicht direkt verständlich und wirkt zudem in Maß und Mittel problematisch. Der Entwurf wirkt zudem mit seiner Gedenktreppe und weiteren Gedenkelementen symbolisch undeutlich und überfrachtet. Das Erdgeschoss ist entgegen der Vorgaben zum öffentlichen Raum geschlossen, der Innenraum abgeschottet. Der Erdgeschossgrundriss wird durch die Teilung in Café und Ausstellung als ungünstig angesehen.
Innenraum

Innenraum