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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2015

LernWerk

Außenperspektive

Außenperspektive

2. Preis

Preisgeld: 24.000 EUR

Scheidt Kasprusch Architekten GmbH

Architektur

Architekturmodellbau Shortcut - Modellbau, Frässervice, Laserservice

Modellbau

Erläuterungstext

Entwurfskonzept / Leitidee
Vier Haltungen - ein offenes Haus, die Zusammenführung unterschiedlicher kultureller Einrichtungen, die Orientierung und der sensible Umgang mit dem Bestand - bestimmen das Entwurfskonzept ganzheitlich.
Neubauteile und architektonische Interventionen in den Bestand des ehemaligen Herding-Gebäudes werden mit Zurückhaltung aber zeitgemäßer Architektursprache implantiert.
Die Ziegelfassaden werden allseits freigestellt und herausgearbeitet.
Der Eingangsvorbau und das markante vollverglaste Dachgeschoss mit Twinface-Fassade und dazwischen liegenden Vorhängen signalisieren die neue Nutzung des LernWerk Bocholt.

Erschliessung
Gemäß dem städtebaulichen Gesamtkonzept liegt der Haupteingang an der südlichen Stirnseite des Bestandsgebäudes. Diesem dem Bestandsgebäude vorgeschalteten eingeschossigen Eingangsbauwerk ist ein differenzierter städtischer Platz als Treffpunkt, Außenbühne und erweitertes Entree vorgeschaltet.
Die Anlieferung erfolgt von der Industriestraße aus östlich am Stadtplatz vorbei. Dort werden Hofflächen für die Anlieferung vorgehalten.
Die Gestaltung der nördlichen Flächen verzahnt sich mit dem übergeordneten Landschafts- und Flussraum.
Die Außenzugänge ins Gebäude beschränken sich - neben dem Haupteingang an der Südseite und der östlich gelegenen Anlieferung - auf die Entfluchtung der zwei Fluchttreppenhäuser.
Die Erschließungsstruktur im Inneren des Gebäudes bildet die größte Intervention in die vorhandene Bausubstanz - die Stützenstruktur des Bestandes bleibt jedoch weitgehend erhalten. Eine über alle Geschosse aufsteigende Kaskadentreppe verbindet alle Geschosse und Bereiche großzügig miteinander und schafft somit kurze Wege und bestmögliche Orientierung. Diese Kaskadentreppe bildet das Herzstück des LernWerks. Der Antritt der Treppe liegt im Foyer, dem das Frontoffice und der Lesesaal des Archivs unmittelbar zugeschaltet ist. Alle weiteren Räume und Funktionen gliedern sich geschossweise um diese Kaskadentreppe.
In allen Geschossen werden den größeren westseitigen Räumen breite Galerien und Flure zugeschaltet. Sie dienen als Wartebereiche mit Treffpunktcharakter für Schüler und Eltern. An der östlichen Fassade liegen die kleineren, zumeist Büroräume mit schmalerer Erschließungsstruktur.
Die Kaskadentreppe schafft wichtige visuelle und akustische Bezüge über alle Geschosse. Durch diese Intervention wird die großartige Stützen- und Trägerstruktur des Bestandes über alle Geschosse hinweg bestmöglich inszeniert.
Der Treppen- und Galerieraum ist durch Deckenversätze spannungsvoll gestaffelt. Von unten wirken diese Versätze eher hermetisch geschlossen, von oben geschaut jedoch transparent und lichtdurchflutet.

In der ehemaligen Spinnerei war das Erdgeschoss mit niedrigerer Deckenhöhe als Lagergeschoss genutzt und die Produktion fand in den deutlich höheren Obergeschossen statt. Diese Bestandsstruktur wird im Entwurf beibehalten. Über die breite, zweiläufige Kaskadentreppe gelangt man vom Foyer aus direkt in den für Ausstellungen etc. sehr großzügig dimensionierten Vorbereich des Veranstaltungssaals. Dieser ist dreiseitig belichtet und hat in der Beletage eine prominente Lage mit Blick Richtung Fluss und Innenstadt.
Ein dem Foyer angeschlossener Besucheraufzug dient der behindertengerechten Vertikalerschließung in den öffentlichen Bereichen. Der Materialtransport wird über die Anlieferung durch einen leistungsfähigen Großaufzug gesichert.

Funktionalität
Die Kaskadentreppe ist der neue Mittelpunkt des Hauses und verzahnt alle Teilbereiche miteinander. Sie ist Treffpunkt, Kommunikationsraum und Verweilstation in einem. Natürliches Licht erhält sie und die anschließenden Galerien über einen zentralen Lichtschacht in Gebäudemitte und einem Oberlicht am oberen Austritt.
Die erdgeschossigen Flächen dienen neben dem Frontoffice hauptsächlich dem Stadtarchiv. Das Stadtarchiv liegt optimal sowohl am Foyer als auch an der leistungsfähigen Anlieferung angebunden. Die große Depotfläche ist bewusst an die Außenwand gerückt um über Klappensteuerung und Lüfter ein optimales Depotklima ohne zusätzliche mechanische Raumlufttechnik von konstanten 50% Luftfeuchte und 17,5°C nach dem sogenannten Kölner Modell aufzubauen. Die Bereiche des Archivs können vom Foyer links und rechts neben der Kaskadentreppe abgetrennt werden.
Der Veranstaltungsraum liegt im 1. Obergeschoss mit direktem Verbund zu Foyer samt Ausstellungs- und Performancefläche und allen Räumen der Lehr- und Begegnungsküche. Diese Einheiten lassen sich für Großveranstaltungen komplett zusammenschalten.
In den Obergeschossen reihen sich um die Kaskadentreppe herum alle weiteren Funktionseinheiten. Die Verwaltungseinheiten liegen jeweils gebündelt geschossweise übereinander auf der Ostseite. Die Räume Richtung Westen sind zumeist Kurs- und Unterrichtsräume. Die lärmintensiveren Räume bündeln sich im Süden.
Im neuen Dachaufbau werden stützenfreie Räume geschaffen, die neben weiteren Schulungsflächen große Teile der Räume für die Kunstschaffenden und die Entleihbibliothek aufnehmen.

Materialien und Konstruktion
Die einzigartige Tragstruktur aus Stützen, Unterzügen und Kappendecken des Bestandes wird weitestgehend erhalten. Die Interventionen, die durch die neue Nutzung erforderlich sind, beschränken sich zumeist auf den nördlichen Gebäudeteil. Dort werden das erdgeschossige Depot und der darüber liegende stützenfreie Veranstaltungsraum eingesetzt. In allen anderen Bereichen sollen die Stahlstützen samt Decken erhalten bleiben. Kappendecken, Stützen und Unterzüge bilden eine statisch stabile Konstruktion mit besonderer Optik. Die Konstruktion bietet jedoch keinen Ausreichenden Brand- und Schallschutz. Das Haus ist als Versammlungsstätte zu klassifizieren und erhält zwei große Fluchttreppenhäuser in massiver Bauweise. Der Brandschutz aller Flächen muss über eine Sprinklerung gewährleistet werden. Für den Schallschutz wird ein „Raum in Raum“ Konzept vorgeschlagen: entkoppelte Fussbodenaufbauten, Innendämmung - nach energetischen Erfordernissen bemessen - an den Außenwänden und für die schallintensiven oder -sensiblen Räume zusätzlich Schallschutztrennwände und schallabsorbierende Deckenpaneele.
Die zweiläufige Kaskadentreppe durchbricht zwar alle Deckenflächen, die Stützen und Unterzüge der Originalstruktur bleiben jedoch grossteils erhalten. Deckenfelder werden so heraus getrennt, dass die Kapitelle etc. erhalten bleiben. Die Geländer stehen nach innen versetzt auf der Bestandsdecke und begrenzen den neuen Fussbodenaufbau.
In den Geschossen wird zwischen den Räumen und der Erschließung mit transparenten und geschlossenen Wandflächen und Türanlagen gespielt. Der Raumeindruck des offenen Hauses und des fliessenden Raums ist damit gewährleistet ohne notwendige Rückzugsorte und Orte der Intimität zu vernachlässigen. Neue Einbauten setzen sich dabei deutlich vom Bestand ab und lassen sich so leicht identifizieren.
Die Bestandsaußenwände werden von Anbauten befreit und denkmalpflegerisch aufgearbeitet. Die Fensteröffnungen im Ziegelmauerwerk werden zu Großteilen reaktiviert. Die südliche Außenwand im EG war schon immer ein Mittler zu Anbauten. Diese Fassade wird als großflächiges, interaktives Schaufenster des LernWerks zwischen Platzraum und Foyer genutzt.
Das Dachgeschoss setzt sich dezent und harmonisch mit einer Schattenfuge auf den Bestand auf. Die Kanten des Bestandes werden durch den Aufbau exakt nachgezeichnet. Es handelt sich um eine Massivkonstruktion die am Rand durch überdimensionierte Pfosten der Pfosten-Riegel-Verglasung gehalten wird und im Inneren auf Wandschotten in den Trennwänden abgetragen wird.
Die Fassade des Dachgeschosses besteht aus einer äußeren Hülle linienförmig gelagerter Ganzglasanlagen und einer inneren thermischen Hülle als Pfosten-Riegel-Fassade. Die äußere Hülle ist so konstruiert, dass ausreichend Luft zirkulieren kann. Der Zwischenraum wird zum einen zur Führung eines motorisch gesteuerten Vorhangs genutzt und zum anderen als Wartungs- und Putzgang. Der Vorhang steht in der Traditionslinie von der Geschichte als Spinnereigebäude zur Umwidmung als LernWerk.
Der markante, leicht zurückgesetzte Schornstein an der Südseite wird dabei ebenfalls im Scheibenzwischenraum der Twinface-Fassade des Dachaufbaus integriert.
Das Dachgeschoss bildet den weit sichtbaren und immateriell wirkenden Abschluss des LernWerks und des KuBAal.
Frank Kasprusch

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Grundrissorganisation des Entwurfs überzeugt die Jury. Insbesondere die Orientierung bietende zentrale Treppenanlage wird als großartige Rauminszenierung wahrgenommen. Hervorzuheben ist die Eingangssituation, obwohl die statische Dimensionierung des Tragwerks nicht auskömmlich erscheint. Die Anordnung des Stadtarchivs mit Magazin im EG ist funktional und sinnfällig. Auch die Lage der Anlieferung und der Fluchttreppenhäuser ist überzeugend. Die Anordnung des Magazins auf der Nordseite geht leider zu Lasten einer räumlichen Verbindung der kulturellen Primärnutzungen zur neuen Ufersituation und deren Verweilpotential. Die einladende breite Kaskadentreppe führt folgerichtig in einer Art Piano Noble, wo die Veranstaltungsräume gut auffindbar sind und die Verweil- und Kommunikationsflächen gebündelt angeboten werden. Es lässt fragen jedoch ob die Wartezone und die sozialen Treffpunkt ausreichend hell bzw. mit Tageslicht versorgt sind. Hier sollte über die Anordnung des Lichthofs nachgedacht werden. Auch lässt sich fragen wo die notwendige Technikflächen und somit Leitungsführung angeordnet werden. In den darüber liegenden Geschossen inkl. Dachaufbau wurden alle weiteren Räume des Lernwerks angeordnet. Durch die Anordnung der Räume für die Kunstschaffende auf mehreren Stockwerken verteilt und mit den anderen Räumlichkeiten vermischt wird die Identität und Adressenbildung sowie autarke Nutzung eingeschränkt. Hier wäre eine Überarbeitung notwendig. Auch der Umgang bzw. Schließung der historischen Treppe an der Ostseite ist unverständlich und überzeugt nicht. Die Freiflächengestaltung wird hinsichtlich Funktion und konkrete Ausformung an allen Gebäudeseiten kritisch hinterfragt. Man wünschte sich im Süden wie im Norden eine erkennbare Fortführung der starken innenräumlichen Erschließungsachse. Wenngleich die Anordnung der großzügigen Erschließung der „Himmelsleiter“ überzeugend wirkt, lässt sich am oberen Ende, mit Ausblick auf die neue Uferzone, eine bessere Verweilmöglichkeit wünschen. Die gute Raumanordnung und großzügige Erschließung- und Kommunikationsflächen führen zwingend zu einer Aufstockung deren Proportion und Detailanschluss an den Dachaufbauten zur Diskussion in der Jury führt. Es fehlt eine klare Antwort zum gestalterischen Umgang mit den bewegten Dachkanten. Die intendierte Signalwirkung über Textilvorhänge als Analogie an die ehemalige Nutzung hat poetisches Potential und ist zugleich funktional. Die Detailausbildung zeigt eine klare Haltung zur energetischen Ertüchtigung der Bestandsstruktur. Die sichtbare historische Tragstruktur insbesondere im Bereich der zentralen Erschließung ist überzeugend und sollte bei einer möglichen Konkretisierung beibehalten werden. Die Arbeit liegt hinsichtlich Volumen und Flächen im Mittelfeld. Dies ist dem großzügigen Erschließungs- und Kommunikationsflächen und die Dachaufstockung geschuldet.
Außenperspektive und Konzept-Pictogramm

Außenperspektive und Konzept-Pictogramm

Lageplan

Lageplan

Grundrisse EG und 1. OG; Querschnitte

Grundrisse EG und 1. OG; Querschnitte

Grundrisse 2. bis 4. OG; Längsschnitt

Grundrisse 2. bis 4. OG; Längsschnitt

Ansichten und Querschnitte

Ansichten und Querschnitte

Innenperspektive Kaskadentreppe

Innenperspektive Kaskadentreppe

Leitdetail in Schnitt, Grundriss und Ansicht

Leitdetail in Schnitt, Grundriss und Ansicht