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Einladungswettbewerb | 12/2015

Wohnen für alle - mitten in Wilhelmsburg

Anerkennung

Preisgeld: 6.000 EUR

eins:eins Architekten BDA

Architektur

HAHN HERTLING VON HANTELMANN

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Wohnen für alle mitten in Wilhelmsburg

1. Leitidee
Die Mitte Wilhelmsburgs wird in klar ablesbare Nachbarschaften mit eigenen Gebäudetypologien und Quartiersplätzen untergliedert. Die Lagegunst entlang des Landschaftsraumes an den Wettern und des Parks wird bis in die Tiefe des Quartiers erlebbar gemacht. Die vielfältigen Ansätze des städtebaulichen Kontextes werden aufgenommen und vervollständigt. Die motorisierte Erschließung wird auf das erforderliche Minimum reduziert.

2. Nachbarschaften

2.1 Wohnen an den Wettern
Punkthäuser, Zeilen und Winkel entlang der Nord-Süd-Achse an der Rathauswettern verzahnen den Landschaftsraum mit dem benachbarten Wohnen. Sie machen den Bezug zur Wettern auch noch in der zweiten und dritten Reihe erlebbar. Der künstliche Damm der Wilhelmsburger Reichsstraße wird weitgehend abgetragen, um diese Durchlässigkeit zu erreichen.
Die Wohnhöfe an den Sportplätzen ermöglichen qualitätsvolles Wohnen unter Berücksichtigung des Lärmschutzes.

2.2 Wohnen am Gerd-Schwämmle-Weg
Zwischen Gerd-Schwämmle-Weg und Neuenfelder Straße kulminiert die städtebauliche Dichte. Ein Hochpunkt als Auftakt korrespondiert mit dem Hochhaus der BSW. Blockränder mit wechselnden Traufhöhen und Einschnitten erhalten im Erdgeschoss über Flächen für Dienstleistung und Einzelhandel. Das Wohnen orientiert sich zu dem Kanu-Kanal, an dem u.a. Stadthäuser aufgereiht werden. Das Motiv der über den Gerd-Schwämmle-Weg ragenden Gebäudeköpfe der östlich geplanten Anschlussbebauung wird fortgeführt.
In einer späteren Bauphase schließen vier um einen kleinen Platz gruppierte Blöcke nördlich des Gerd-Schwämmle-Weges die Lücke zwischen der Bebauung an der Neuenfelder Straße und der Nachbarschaft an den Wettern.

2.3 Wohnen am Park
Die Bebauung südlich der Neuenfelder Straße bildet zusammen mit den gegenübergelegenen Blocks ein Eingangstor zu Wilhelmsburger Mitte. Das Wohnen orientiert sich nach Süden zum Park Die Bebauung ist terrassiert, bzw. sie nimmt die Punkthausstruktur der benachbarten IBA-Gebäude auf.

2.4 Gewerbehöfe
Entlang der Thielenstraße werden gewerblich genutzte Geschossbauten mit dahinter gelegenen Höfen aufgereiht, die das nördlich anschließende Gewerbegebiet abschließen.

3. Erschließung / Ver- und Entsorgung / Ruhender Verkehr
Eine neue Erschließungsstraße verbindet die Rotenhäuser Straße im Norden mit der Dratelnstraße im Süden. Als Fußweg fortgesetzt, schafft sie eine direkte Verbindung bis zum Rathaus. Die Jaffestraße wird über die Rotenhäuser Straße bis zur neuen Erschließungsstraße fortgeführt. Alle übrigen Erschließungen sind Rad- und Fußwege, bzw. dienen der Anlieferung und Feuerwehrzufahrt. Die Stellplätze der Anwohner befinden sich in teileingesenkten Garagen unter den Wohnhöfen.

4. Nutzung / Gebäudetypen
Verschiedene Gebäudetypen der Nachbarschaften bieten Entwicklungsmöglichkeiten für unterschiedlichste Formen des Wohnens und des Arbeitens. Die Punkthäuser entlang der Rathauswettern sind als Fortsetzung der IBA-Sondertypen und für Baugemeinschaften gedacht. Sie können autofrei bewohnt werden, bzw. zugehörige Stellplätze befinden sich unter den benachbarten Wohnhöfen. Im Erdgeschoss der anschließenden Zeilenbauten sind hybride Flächen für Wohnen und Arbeiten angedacht. Entlang der Sportplätze wurde schwerpunktmäßig studentisches Wohnen und Generationenwohnen (ohne Schlafräume zu den Sportplätzen!) angeordnet. In den Blockrandstrukturen an der Neuenfelderstraße sind erhöhte Sockelzonen mit Flächen für Einzelhandel und Dienstleistungen nach dem Vorbild der Hafencity vorgesehen. Terrassierte Gebäudestrukturen können großzügige Dachterrassen anbieten. Es wird ein hohes Maß an sozialer Durchmischung innerhalb der einzelnen Baufelder angestrebt.

5. Phasierung
Die Bebauung ist in drei abgeschlossene Abschnitte unterteilt: 1. Die Nachbarschaft zwischen Rathauswettern und den Sportplätzen, 2. Die Bebauung an der Neuenfelder Straße, 3. Die Nachbarschaft nördlich des Gerd-Schwämmle-Wegs.

6. Bodenmanagement / Entwässerung
Das System der Oberflächenentwässerung über Wettern wird beibehalten. Die kleinen Wettern werden in ihrer Lage angepasst und an die Rathauswettern angeschlossen.
Die Wettern im Quartier werden ergänzt durch ein Biotop südlich des bestehenden Gewerbegebiets, welches als weiterer Stauraum und Retentionsfläche für das dezentrale Regenwassermanagement dient.

Der Damm der Wilhelmsburger Reichsstraße wird weitgehend abgetragen, um die Verbindung zwischen den Nachbarschaften und den Rathauswettern zu öffnen. Die untere Baumkulisse auf der Westseite bleibt erhalten. Ebenso bleibt nördlich des Ger- Schwämmle-Wegs eine Teilstück des Straßendamms als Reminiszenz erhalten. Ein Teil des Abgetragenen Erdreichs soll im Bereich der ehemaligen Auffahrt der Neuhöfer Straße als Rodelberg aufgeschüttet und modelliert werden.
Alternativ könnte ein Rodel- und Aussichtsberg an der südlichen Einmündung des Reiherstiegs in die Süderelbe, mit Blickbeziehungen auf die Harburger Schlossinsel, die alte Elbbrücke und den Inselpark modelliert werden.

7. Lärmschutz
Der Lärmschutz entlang der Sportplätze wird mittels flankierender Baukörper, der Ausrichtung der Wohnungen und baulicher Vorkehrungen gewährleistet. In der Grundrissgestaltung werden alle Schafräume hofseitig angeordnet.

8. Freiräume
Leitthema der Freianlagenplanung sind topografische Modellierungen, als Relikt des heute bestehenden Straßendammes und die für Wilhelmsburg typischen Wettern.

Die Geländemodellierungen ermöglichen die Gestaltung von Freiraumsituationen mit unterschiedlichem Charakter die, je nach Lage im Raum, Angebote für den Nutzer bereithalten: abwechslungsreiche Aussichten, Spielen- und Bewegung, Uferzonenerleben, Gestaltung von individuellen Wohnhöfen.

Der ortsbildprägende, alte Baumstand entlang des westlichen Dammfußes, wird zu Gehölzgruppen auf Baumwarften zusammengefasst. Breite Durchgänge zwischen den Bauminseln öffnen Raum für die Vernetzung der Freiräume des neuen Wohnquartiers mit dem Naherholungsraum Rathauswettern.

Am Gelenkpunkt zwischen den neuen Nachbarschaften bleibt ein Relikt des ursprünglichen Reichsstraßendamms erhalten und wird als Erlebnisberg mit Sichtbeziehungen zu den Terrassen an den Rathauswettern, zum Rathaus und zum Bürgerhaus gestaltet. Ein umgestaltetes Stück der alten Fahrbahn auf ca. 7m Höhe wird u.a. mit Basketballkörben ausgestattet und lädt zu Bewegungs- und Ballspielen aller Art ein.

Erdmodellierungen zwischen den Gebäuden nehmen die teilweise eingesenkten Tiefgaragen auf und setzen das Freiraumthema in den Wohnhöfen fort.

Im Süden des Planungsgebiets, auf dem Areal der ehemaligen Auf- und Abfahrten der Reichsstraße, betonen zwei große skulpturale Erdmodulationen (Rodelberge) den Übergang zwischen dem Wohngebiet und dem Inselpark. Die Fahrradroute führt zwischen den Modellierungen nach Süden. Die bestehenden Biotope südliche des Rathausparks bleiben bestehen.

Alleepflanzungen geben den neuen Nachbarschaften ein grünes Erscheinungsbild und vernetzen diese quartiersübergreifend mit den umgebenden Grün- und Straßenräumen.

Gemeinschaftsgärten, kleine Quartiersplätze und wohnungsnahe Spielflächen sind in den jeweiligen Wohnhöfen angelegt und können partizipativ durch die Nachbarschaft mitgestaltet werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Entwurfsverfasser legen einen soliden städtebaulichen Entwurf vor, der in seiner räumlichen Struktur die unterschiedlichen Richtungen des Gebiets in drei Teilquartieren zu vereinen versucht. Dazu wird die Wilhelmsburger Reichsstraße weitgehend bis auf einige Landschaftselemente und einen markanten Erlebnisberg, der die Mitte landschaftlich markieren soll, zurückgebaut.

Dabei entsteht leider ein allzu schematisches Gefüge, das für eine Masterplanung als stabiles Gerüst geeignet sein mag und plausibel Anschlusspunkte an die angrenzenden Bereiche setzt. Auch ist der Ansatz, zwei unabhängig funktionierende Teilquartiere zu errichten, vor dem Hintergrund einer Umsetzung in zwei Etappen nachvollziehbar. Doch erscheint in den Teilquartieren die Struktur nicht stark genug und vermag zur Belebung von zwei Quartiersplätzen auch quantitativ kaum hinreichend die nötige kritische Masse aufzubringen. Gut ist der Bezug zum Rahmenkonzept „Sprung über die Elbe“ herausgearbeitet.

Leider wird auch der Mehrwert, den man sich von der Wegnahme des Damms erhofft, zu wenig genutzt: Der Erlebnisberg ist kein überzeugendes Identifikationsmoment für das neue Quartier – erst recht nicht in Anbetracht der enormen Qualitäten der Rathauswettern, und nach Abtrag des Damms kommen leider viel zu wenige Menschen in den Genuss dieser neuen Öffnungen zum Grünraum. Die Chance, mit dem neuen Gebiet die sich östlich und westlich angrenzenden Bereiche miteinander zu verbinden, wird leider nicht konsequent umgesetzt. Die diagonalen Sichtbezüge indessen versprechen eine besondere Raumqualität. Auch wird die diagonale Nord-Süd-Achse, die im Norden weitergeführt werden kann, ausdrücklich gewürdigt.

Die Verfasser schlagen eine gute und überzeugende Mischung vielfältiger Gebäudetypologien vor, die eine gute soziale Mischung im Quartier fördern können. Dies verdeutlichen auch die exemplarischen Grundrisse. Die Terrassenhäuser werden kontrovers diskutiert, und bedauerlicherweise bedienen die Punkthäuser als westlicher Quartiersabschluss zum Park das Bild von elitären Wohnungen, die überdies noch den Bezug in den Park unnötigerweise partiell verstellen, auch wenn die Öffnungen der Höfe zum Grün grundsätzlich einen nachvollziehbaren Ansatz darstellen.

Die Erschließung ist weitgehend effizient organisiert. Die Stellplätze sind ebenerdig in Innenblöcken untergebracht, der öffentliche Raum entlastet. Die Baukörperstellung ist im Hinblick auf Besonnung/Verschattung und hinreichend große private/gemeinschaftliche Freiräume optimierbar.

Insgesamt zeigt der Entwurf eine im Grundsatz überzeugende Idee für die Gliederung des Raums. Und auch, wenn er aus wirtschaftlicher Perspektive solide konzipiert ist, so verbleibt er zu sehr im Schematischen und vermag es daher zu wenig, eine inspirierende Vorstellung von einem unverwechselbaren Stadtquartier zu vermitteln.