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Gutachterverfahren | 01/2016

Neubauvorhaben "Straße am Flugplatz" Johannisthal

1. Rang

Baupiloten BDA

Architektur

ST raum a. Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Nachbarschaften in der Nachbarschaft


Städtebauliche Leitidee: Vernetzung

In die bestehende lockere Bebauung mit einem hohen Grün- und Freiflächenanteil werden zwischen der Straße am Flugplatz und Melli-Beese-Straße sechs durchgrünte und durchlässige Hofgemeinschaften eingefügt. Das neue Wohnquartier wird sowohl durch ein Angebot der Durchwegung, eine fußläufige Anbindung an den Landschaftspark Johannisthal als auch durch ein öffentliches Gemeinschaftsangebot oder Kleingewerbe mit der Umgebung vernetzt. Mit der Höhenstaffelung der Baukörper von den Quartiersrändern zur Quartiersmitte nimmt das Konzept Rücksicht auf die angrenzende Einfamilienhaussiedlung und reagiert mit einer gestalterischen Differenzierung zwischen Erdgeschoss/1.Obergeschoss und den höheren Geschossen auf die vorwiegende Zweigeschossigkeit der umgebenden Einfamilienhäuser. Zur Straße am Flugplatz ist die dreigeschossige Bebauung aufgelockert durch einen Wechsel von den schmaleren Gebäuden und geschützten halböffentlichen Plätzen als auch Straßen, die als shared space ausgebildet sind. Die zweigeschossige Bebauung und der für jede Hofgemeinschaft charakteristische Nachbarschaftsplatz mit einem öffentlichen Angebot/Kleingewerbe an der Melli- Beese-Straße schließt sowohl im Norden als auch im Süden mit einem Fußgänger- und Radweg und Grünbereich an die benachbarte Einfamilienhausbebauung. Die Wohnbebauung wird im Innern des Grundstücks bis auf 5 Geschosse gestaffelt.


Freiraumkonzept: Erschließung

Die klar gegliederte, städtebauliche Figur bringt eine differenzierte Folge von qualitativen Freiräumen hervor, die eine hohe Wohnqualität versprechen und die das gesamte Quartier in die bestehende Siedlungsstruktur behutsam und selbstverständlich integrieren. Die verkehrliche Erschließung erfolgt durch zwei Zufahrten von der Straße am Flugplatz. Sämtliche Geh- und Fahrwege im Quartier werden auf einer zusammenhängenden, barrierefreien Oberfläche als ‚shared-space‘ angelegt. Auf den Fahrwegen sind insgesamt 58 PKW-Stellplätze vorgesehen, unterhalb einiger Wohngebäude befinden sich 46 weitere Stellplätze auf Erdgeschoßniveau. Neben den zentralen Fahrwegen schafft ein breit gefächertes Wegenetz mit Gassen, Pfaden und kleinen Plätzen eine gute Durchwegung durch das gesamte Quartier.


Freiraumkonzept: Landschaftsraum, Gemeinschaftshöfe, Nachbarschaftsplätze

Die Wegeverbindungen zur Melli-Beese-Straße und weiter in Richtung Landschaftspark sind den Radfahrern und Fußgängern vorbehalten. Die Hofbauten H4 H5 sind weitgehend eingebettet in einen Grünraum. Die Gebäude werden jeweils von den Wohnhöfen erschlossen. Während die Aussenkanten jeder ‚Hofgemeinschaft‘ (Wohnblock) von einem grünen, nicht privat nutzbaren Saum mit vorwiegend kleinkronigen Baumpflanzungen umgeben ist, dienen die Höfe der privaten und der gemeinschaftlichen Aneignung. Den erdgeschossigen Wohnungen sind privat nutzbare Freiräume zugeordnet, die zur Hofmitte durch eine einheitliche Begrenzung aus einem kniehohen Mäuerchen und einer immergrünen Hecke in einigen Höfen begrenzt sind. Jeder Hof ist von einer markanten, identitätsstiftenden Baumart geprägt. Neben Sitzplätzen und Spielangeboten für Kleinkinder können die Bewohner die Inhalte der Hofflächen mitbestimmen. An den ‚Nachbarschaftsplätzen‘ öffnen sich die Wohnhöfe und laden alle Mitbewohner des Quartiers und der näheren Umgebung ein, an dem gemeinschaftlichen Zusammenleben teilzunehmen. Die Plätze sind vielseitig nutzbar als Treffpunkte, Veranstaltungsorte, Spiel- und Freizeitflächen etc. Die differenzierten Freiräume unterstützen die Entwicklung für ein lebendiges Miteinander.


Nachbarschaften / Hofgemeinschaften

Eine Hofgemeinschaft besteht prinzipiell aus 4 Wohnhäusern die um einen Gemeinschaftshof angeordnet sind. Durch die Anordnung der Gebäude um den Hof
> die „Gasse“ mit integrierten Fahrradstellplätzen
> ein größerer öffentlicher Nachbarschaftsplatz und
> ein geschützter Hofplatz für die Hofgemeinschaft.
Bedarfsabhängig kann ein öffentliches Angebot / Kleingewerbe in dem Nachbarschaftsplatz angrenzenden Gebäude z.B. ein Co-working-Space, eine Bäckerei mit Café, Sportraum u.a. angesiedelt werden.


Verhandelbarkeit der Gemeinschaftsbereiche

Jeder Hofgemeinschaft ist nicht nur ein öffentliches Gemeinschaftsangebot am Nachbarschaftsplatz zugeordnet, sondern auch ein halböffentliches Angebot an die Hofgemeinschaft. Das kann die Hofküche (Var. A1-A2) direkt an dem geschützten Hofplatz sein, aber auch die Dachküche, ein Gärtnerhaus, ein Sport- oder Meditationsraum, ein Gästeappartment. Falls es keinen Bedarf gibt, dann können diese Einheiten als Wohnungen funktionieren. (Var B1-B2).


Gebäudewohnungstypen

Alle Wohnhäuser ermöglichen unterschiedliche Lebens- und Haushaltsformen, Wohn- und Arbeitsvorstellungen durch Variabilität der Grundrisse und Raumprogramme. Der soziale Ansatz stellt das Prinzip des Miteinanders, des Entgegenkommens und des Teilens in den Mittelpunkt. Die einzelnen Wohnhäuser sind als 4-Spänner konzipiert mit der Möglichkeit, pro Treppenaufgang vier 2-3 Zimmerwohnungen zu erschließen oder diese zu größeren Einheiten zusammenzuschließen. Jede Wohnung erhält einen Balkon oder im EG eine Terrasse zum Hof bzw. eine kleine Loggia zum Grünraum. Die Wohnungen im EG werden barrierefrei erschlossen, so dass auf Aufzüge verzichtet werden kann.


Besondere Wohnform

Der längste Baukörper kann jeweils für ein Geschoss mit 2 Einheiten des Clusterwohnens variert werden: Um eine differenzierte Gemeinschaftsfläche sind kompakte Wohneinheiten gruppiert, die gleichermaßen auf die Möglichkeiten eines betreuten Wohnens als auch erweitertes Familienwohnens eingehen. In der Variante C3 sind 1,5- und 2-Zimmerwohnungen um eine gemeinschaftliches Kochen und Wohnen angeordnet. Diese Wohnform kann weiter radikalisiert werden, für private Wohneinheiten mit nur einem Zimmer und einem Bad ohne Kochnische. Damit kann eine größere Anzahl von Leuten sich die Wohnfläche von 215m2 teilen. Für betreutes Wohnen kann außerdem die Anzahl der Badeinheiten verringert werden, damit erhalten die Bewohner den staatlich geförderten Wohngruppenzuschlag, welches das Wohnmodell für die Pflege attraktiv macht.


Nachbarschaftliche Identitätsbildung

Die frühe Einbindung in die Entscheidungsprozesse und auch mögliche soziale Aneignung durch die Mieter und auch Nachbarn wird zu einer lebendigen gemischten Nachbarschaft beitragen und so eine Identität und einen Mehrwert für das gesamte Quartier schaffen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf überzeugt durch den Einsatz überraschend einfacher Mittel - und die Aufladung mit Überlegungen zu einem sozialen Miteinander von Nachbarschaften. Die Einordnung in die Umgebung ist – trotz hoher Dichte - gut gelöst.
Das Gebiet wird in 6 kleinteilige Blöcke aufgeteilt, deren Geometrie an der Richtung der Straße am Flugplatz orientiert ist. Zur Einfamilienhaus - Bebauung entlang der Melli-Beese-Straße entsteht durch diese Geometrie ein großer Puffer –„Restraum“, der als freie Spiel- und Grünfläche ausgebildet ist. Die dichten Blöcke aus jeweils 4 unterschiedlich großen und in der Höhe gestaffelten Baukörpern sind konsequent aus dem sozialen Gedanken der Nachbarschaft entwickelt: Das Blockinnere nimmt Begegnungsflächen, Erschließungsfunktionen - aber auch private Freiräume auf.
Dieses soziale Konzept der erwünschten Begegnung wird ergänzt durch optionale Gemeinschaftsflächen (z.B. Hofküche) und jeweils an einer Außenecke des Blocks durch Angebote an die erweiterte Quartiersgemeinschaft. Dieses soziale Konzept wird ausdrücklich begrüßt – das Funktionieren dieses Ansatzes des gemeinschaftsbildenden Städtebaus ist allerdings abhängig von einer konsequenten Programmierung und Betreuung durch den Bauherrn. Geschwächt wird das Quartierskonzept durch das PKW-Erschließungs- und Parkierungskonzept: Die Straßen sind zwar als ‚shared spaces‘ ausgewiesen - durch den Parksuchverkehr und die Parkierung selbst sind diese - sowie die Sockelzonen der Häuser stark verkehrlich belastet - der öffentliche Raum verliert dadurch stark an Qualität.
Die Grundrissdurcharbeitung weist eine sehr effektive Erschließung auf (4-Spänner). Durch die Grundrissdisposition und die notwendige Anleiterung ab dem 4. Geschoß sind die großen Wohnungen überwiegend in den Obergeschoßen, während die kleineren - einseitig auch zur Straße und teilweise überwiegend nach Norden orientiert sind. Die Durchwegung mit engen Gassen führt zu Problemen in der Belichtung der Grundrisse.
Die Idee der vertikalen Teilung der Häuser in 2-geschoßige Sockel mit unterschiedlich hohen farblich abgesetzten Aufbauten - als Strategie zur Einbindung in die überwiegend 2-geschoßige Umgebung - überzeugt. Die unhierarchische, pragmatische Siedlungsstruktur aus „Nachbarschaften“ ist eine robuste Grundlage für die weitere Bearbeitung.
Lageplan M500

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Lageplan M200

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