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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2016

Wallanlagen

2. Preis

Preisgeld: 3.350 EUR

GREENBOX Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Freiraumkonzept „Wallanlagen Goslar“

Der ovale Grundriss der Altstadt von Goslar wird geprägt von einem fast vollständig erhaltenen Grüngürtel, welcher bedeutende Reste der historischen Befestigungs- und Wallanlagen des mittelalterlichen Stadtkerns beherbergt. Dieser Grüngürtel dient als wichtiges Naherholungsgebiet und erfährt auch aus denkmalpflegerischer und naturräumlicher Sicht eine wichtige Bedeutung. Das ursprüngliche Erscheinungsbild der Stadtbefestigung hat sich im Lauf der Jahre stark verändert. Der ehemals durchgängige Charakter einer zusammenhängenden Grünanlage ist nicht mehr ablesbar, es wird stattdessen das Bild von aneinander gereihten Grünräumen vermittelt. Eine Vernetzung und Verbindung innerhalb der Wallanlage ist nur noch in Teilen vorhanden. Die Wahrnehmung der Wallanlage ist durch die vorhandenen Großgehölze und die Mängel im Pflegezustand stark eingeschränkt. Unbefestigte Wege und in die Jahre gekommene Aufenthaltsbereiche bestimmen den heutigen Charakter der Anlage.

Konzept

Die grundlegende Idee des vorliegenden Entwurfes ist es die Identität der historischen Wallanlage zu bewahren und in Ergänzung dazu die neue übergeordnete Identität einer modernen Grünanlage zu schaffen. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Erfahrbarmachen der Wallanlage in Verlauf, Dimension und Aufbau. Die äußeren Erschließungswege zeichnen den Verlauf der Befestigungsanlage nach. Diese Wege folgen entweder der Walloberkante oder der Feldmauer und umfassen die Anlage. Die inneren Erschließungswege ermöglichen eine Durchgängigkeit der Grünräume. Sie führen entlang der Teiche oder folgen dem Bachlauf der Abzucht und werden durch eine Randbepflanzung betont. Verbindendes Element zwischen den einzelnen Grünräumen sind Platzsituationen, die an den Einschnitten der Erschließungsstraßen als Bindeglied fungieren. Diese Plätze markieren die Stadtzugänge und akzentuieren durch einen Belagswechsel die ehemaligen Stadttore. Als Bindeglieder verbinden sie die aufgewerteten Grün- und Aufenthaltsbereiche und dienen der Orientierung. Die unterschiedlichen Freiraumqualitäten der Grünräume werden identifiziert und verstärkt heraus gearbeitet. Gleichzeitig bilden sie in ihrer Gesamtheit einen einheitlichen grünen Ring um die historische Altstadt von Goslar. Hierfür wird die Wallanlage in Nutzungsschwerpunkte zoniert, die sich aus den gegebenen Erschließungsstrukturen und unterschiedlichen Freiraumansprüchen ergeben. Die Entwicklung eines Leitsystems, das die gesamte Wallanlage und darüber hinaus den Grünring um Goslar umfasst, nimmt eine weitere zentrale Rolle ein. Eine einheitliche Materialität und Akzentuierungen fassen den Bereich räumlich und verweisen auf die Wallanlage.

Entwurf

Erschließungsstruktur

Die Äußere Erschließungsstruktur orientiert sich am Verlauf der Wallanlage und verläuft entlang der Feld- bzw. Stadtmauer. Die Innere Erschließungsstruktur ist durch ein geschwungenes Wegenetz geprägt, dass sich über das „Bindeglied“ fortführt. So erhält man einen nahtlosen Übergang in den nächsten Wallabschnitt. Die Wege sind mit einem hellen Läufer gefasst und sind ein Teilelement des Leitsystems. Die Wegränder sind durch pflegeextensive Randbepflanzungen betont und ziehen sich durch die gesamte Anlage.

Bindeglied an Kötherstraße und St. Annenhöhe

Durch die Zusammenführung des verbreiterten Gehwegs und des Fahrstreifens in Form eines Pflasterbelags in Sandsteinoptik erlangen die ehemaligen Stadttore wieder an Bedeutung. Der Bereich fungiert als Knotenpunkt der einzelnen Wallabschnitte und markiert den Übergang in einen anderen Grünraum. Angrenzende Wege weiten sich zu kleinen Aufenthaltsbereichen an den Kopfstücken und stellen eine einladende Geste dar.

Wallabschnitt Judenteiche

Dieser Bereich ist durch die beiden Judenteiche geprägt und vermittelt die Charakteristika eines Landschaftsparks. Offene und geschlossene Räume wechseln sich ab und erzeugen ein stimmungsvolles Bild. Dabei bildet der ursprüngliche Wassergraben mit den beiden Teichen den offenen Raum. Die Randzone wird mit blühenden Wasserpflanzen gestaltet, so dass ein Sitzen am Judenteich eine besondere Qualität hat und die malerische Gestalt des Raumes stärkt. Die angrenzenden offenen Wiesenbereiche werden durch den Einsatz von Wildblumen aufgewertet. Das Kunstwerk „Brücke“ von Dani Karavan erfährt im Zentrum der neugestalteten Teiche eine neue Wertigkeit.
Die Wallanlage erhält eine Sicherungsmauer, welche mit Holzauflagen ergänzt wird und so eine neue Aufenthaltsmöglichkeit am Rand des Walls bildet. Der Rücken der Mauer wird von einer extensiven Bepflanzung aus Waldpflanzen wie Geißbart, Waldmeister, Maiglöckchen und Farnen gebildet. Der Saum der Teiche erhält eine pflegeextensive Uferbepflanzung aus Wiesen-Knöterich, Schilf und Iris. Im Bereich der St. Annenhöhe ermöglichen Sitzblöcke in der Rasenböschung ein weiteres Erleben des Wassers.
Entlang der Straße Zwingerwall formuliert die vorhandene Kastanienallee die Raumkante. Auf der nördlichen Seite wird der Wall zu den Privatgärten durch einen einheitliches Zaunelement abgrenzt, der Blick auf die Landmarken der Altstadt sollte durch gezielte Landschaftsfenster in der bestehenden Gehölzpflanzung gewährt werden.

Wallabschnitt Thomas Wall

Im Bereich des Thomas Wall dominiert der Zwinger als markanter Endpunkt des Erdwalls. Mit Bezug auf die Nutzung als Ferienwohnung und Gastronomie erhält der Zwinger einen Vorbereich durch Aufweitung des Gehweges. Der auf dem Wall befindliche Gastronomiebereich gliedert sich in die vorhandene Topographie ein und ermöglicht Sichtbezüge auf die Judenteiche. Die Sicherungsmauer begrenzt den Wall und fungiert zugleich als Läufer. Betont wird der Rand der Wallanlage ebenfalls durch eine pflegeextensive Bepflanzung, die sich in die Umgebung einbindet. Die Einfassung des Kahnteiches ist durch eine blühende Uferbepflanzung gekennzeichnet, die westlich in eine Wiesenfläche mit Wildblumen verläuft. Die Wiederherstellung des historischen Rasenpfades oberhalb des Walls schafft die Verbindung zur Kaiserpfalz als auch zum Jägerdenkmal. Der Grünbereich auf der nördlichen Seite des Walls, dem Wohnquartier zugeordnet, wird mit kleinen Spielobjekten ausgestattet.

Leitsystem

Ausstattung und Materialität

Die Ausstattungselemente sind Hauptbestandteil des Leitsystems. Dabei wird die Wallanlage mit einem einheitlichen Material gestaltet, der vorhandenen Materialheterogenität des Gebietes wird somit entgegengewirkt. Der Gehwegbelag ist in hellen Asphalt mit Schotteroptik ausgebildet und bietet einen guten Untergrund sowohl zum Spazieren gehen als auch zum Rad fahren. Das „Bindeglied“ gleicht dem Gehwegbelag in Farbigkeit durch den Pflasterbelag in Sandsteinoptik. Der Gesamtzusammenhang der Wallanlage wird somit gestärkt. Leuchten betonen die ehemaligen Stadttore und beleuchten auch im Dunklen die Eingangssituation. Ein weiteres Leitelement sind die Sicherungsmauern, die südlich entlang des Walls verlaufen. Sie fungieren gleichzeitig als Sitzmauern. Holzauflagen werten die schlichte Gestaltung auf und schaffen Aufenthaltsmöglichkeiten. Info-Stelen markieren wichtige Bestandteile des UNESCO Weltkulturerbes, die in der Wallanlage integriert und als interaktive Spielelemente gestaltet sind.

Erhalt und Sicherung der Wallanlage

Der historische Wallkörper wird durch den Einsatz von Wallhecken gesichert. Der Baumbestand im Hangbereich, sowie auf der Wallkrone beeinträchtigt den Wallkörper massiv. Das Auslichten und die Wegnahme von Gehölzen ermöglicht die Bepflanzung einer Kraut- und Strauchschicht. Ihre dichten und bodennahen Wurzeln schützen den Hang vor Erosionsgefahr. Die Sträucher werden mit einem Abstand von 1 bis 1.5 Metern zueinander und in Reihe gepflanzt. Der Reihenabstand beträgt 0.5 bis 1 Meter und steht im Versatz. Das „Plenterverfahren“ sieht die Pflegemaßnahme „ Auf-den-Stock-setzen“ vor. Dabei findet die Pflege der Wallhecke abschnittsweise statt und beinhaltet ca. 20 Meter in unregelmäßiger Verteilung. Die Durchführung eines Gehölzrückschnittes soll alle acht bis zehn Jahre erfolgen. Ziel ist eine Strauchhecke mit vereinzelten Überhältern (d.h. über die Höhe deutlich herausragende Bäume) zu erhalten und damit die Form des Wallkörpers zu sichern.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf überzeugt durch eine zurückhaltende, gleichwohl konturierende Gestaltsprache. Der Ort der historischen Wallanlage wird nicht überinszeniert, sondern in seinen Stärken – dem Zwinger, dem Wall, den Teichen und der Feldmauer – herausgearbeitet. Das Konzept leitet sich aus übergeordneten Überlegungen ab, die für den gesamten Ideenbereich formuliert werden. Der Verfasser erkennt die unterschiedlichen Charaktere der Teilräume und arbeitet diese konsequent heraus, schafft aber auch gestalterische Verknüpfungen (Prinzip Staffelstab). Kahnteich und Judenteiche werden durch Sitzmauern am Wallfuß verbunden, nördliche Bereiche durch Alleen oder das Thema Wasser. Im Realisierungsteil besticht die Arbeit durch die klare Führung der Wege. Der Weg auf dem Wall wird schlüssig auf den Zwinger zugeführt und auch im Bereich Kahnteich weitergeführt, was der Wegefigur große Kraft gibt und dem Besucher vielfältige Ausblicke bietet. Mit der Sitzmauer am Hang wird ein kräftiges, die Grundstruktur der Anlage aber angemessen repräsentierendes Gestaltungselement vorgeschlagen, das auch der Hangsicherung dient. Der Zwinger wird als wichtiges Gelenk erkannt und sowohl durch Wege als auch durch eine Gastro-Terrasse angemessen betont.
Der Wall selbst erhält durch Strauchpflanzung Festigkeit, die dadurch erzielbare Konturierung des Wallkörpers durch die vorgeschlagenen Maßnahmen hingegen wird im Preisgericht kontrovers diskutiert. Vorzunehmende Auflockerung des Baumbestandes eröffnen neue Ausblicke auf die Altstadt Goslars. Dazu müssen zwar einzelne Bäume entnommen werden, die Biodiversität wird jedoch erhöht – so auch im Umfeld der Teiche, wo naturnahe Wiesen- und Uferbereiche vorgeschlagen werden.
Für die Wege wird Asphalt gewählt – durchaus ein historisch belegtes Material – das wirtschaftlich ist und geringen Pflegebedarf hat. Insgesamt wird dem Entwurf eine angemessene Wirtschaftlichkeit zugesprochen.